Gunzenhausen: Frauenhäuser helfen trotz Corona

19.4.2020, 16:41 Uhr
Gunzenhausen: Frauenhäuser helfen trotz Corona

© Maja Hitij/dpa

"Wir hatten schon einen Verdachtsfall", erklärte Andrea Hopperdietzel. Dabei hatte es sich um eine Hausbewohnerin gehandelt. Erst nach Tagen lag für die erkrankte Bewohnerin das medizinische Testergebnis vor. Sie hatte keine Infektion mit dem Covid-19-Virus.

"Wir haben in dieser Zeit keine neue Bewohnerin aufgenommen", schilderte Einrichtungsleiterin Hopperdietzel die zeitweise Hängepartie. Grundsätzlich widme man in einer besonders gefährdeten Gemeinschaftsunterkunft solchen Vorkommnissen eine besondere Aufmerksamkeit.

Wegen Corona wurden eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Im Frauenhaus Schwabach hat jede der zwölf Bewohnerinnen ein eigenes Zimmer. Allerdings würden jeweils vier bis fünf Frauen eine Gemeinschaftsküche nutzen. Auch ein Bad stehe für jeweils zwei Frauen samt deren Kindern zur Verfügung.

"Wer schlägt, der geht"

Ratsuchende könnten telefonisch begleitet werden, Für Verdachtsfälle habe man auch mit einem Motel "Kontakt aufgenommen". So könnte auch eine eventuelle Quarantäne organisiert werden. "Wir haben viele Möglichkeiten, um eine Quarantäne durchzuführen."

Dennoch gelte nach wie vor die Devise: "Wer schlägt, der geht." Will heißen: Die Frau bleibt mit ihren Kindern in der Wohnung, der Ehemann muss ausziehen. So komme es durchaus vor, dass die Polizei den schlagenden Mann der Wohnung verweist — eine Maßnahme nach dem Gewaltschutzgesetz. Sie kennt aber auch Fälle, wo der Ehemann freiwillig aus der gemeinsamen Wohnung auszieht.

Im vergangenen Jahr sei das Schwabacher Frauenhaus "zu über 100 Prozent" ausgelastet gewesen. Deshalb war es zur Jahreswende um weitere zwei Plätze erweitert worden. Nach seinen eigenen Bedarfserhebungen habe das bayerische Sozialministerium die Möglichkeit geschaffen, zusätzliche Plätze in Frauenhäusern einzurichten.

Davon habe man in Schwabach Gebrauch gemacht. Auch wenn "laut unseren Berechnungen ein noch höherer Bedarf" bestünde. In der jetzigen Corona-Zeit seien die Betreuerinnen bei Neuaufnahmen "sehr vorsichtig" geworden. Dennoch biete man "Frauen in Lebensgefahr" die nötige Hilfe an.

Zumindest eines sei klar: "Unsere Frauen waren nicht vorher in einem Skifahrgebiet oder einem Risikogebiet wie Italien." Das können sich die wenigsten leisten. Die vier Mitarbeiterinnen des Fachpersonals arbeiten aus Sicherheitsgründen in zwei Teams: "Damit nicht gleich das ganze Personal ausfällt."

Die Ehrenamtlichen würden aber "pausieren". Diese seien sonst, zu normalen Zeiten, "ein ganz wichtiger Teil der Arbeit." Aus Fürsorgepflicht" wollte man keine der Ehrenamtlichen gefährden. Denn diese seien "vor allem Seniorinnen." Die Entscheidung sei den Hauptamtlichen nicht leicht gefallen, denn dadurch entstehe "eine große Lücke".

In dieser Corona-Krise übernehmen die Hauptamtlichen deshalb auch die telefonische Rufbereitschaft am Wochenende. Nachts behilft man sich momentan mit einem Anrufbeantworter.

Die übliche Aufenthaltsdauer von Frauen reicht von einem Tag bis zu einem halben Jahr. Manche Ehefrauen wollen nach dem Frauenhaus auch wieder zu ihrem Partner zurück. "Man möchte nur, dass die Gewalt aufhört."

Trotz der Corona-Pandemie wünscht sich Andrea Hopperdietzel vor allem "bezahlbaren Wohnraum" für ihre Klientel. Denn gerade die Wohnungssuche sei "für alle schwierig". Sie hofft, dass die "Wertschätzung für systemrelevante Berufe in der Gesellschaft nach wie vor trägt".

Viele "ihrer" Frauen würden im Pflegebereich oder dem Verkauf zu niedrigen Löhnen arbeiten und hätten es bei der Wohnungssuche umso schwerer. Zur eigenen Situation als Betreuerin stellte sie lapidar fest: "Die Kindergärten machen zu, die Schulen sind zu, aber wir machen weiter mit Kindern."

Volles Haus herrscht im Frauenhaus Ansbach. "Wir sind voll belegt", sagt die Leiterin Brigitte Guggenberger. Trotz Ausgangsbeschränkung und Schulschließung gab es bisher "keine verstärkten Anfragen." Allerdings hat die Ansbacher Einrichtung der Caritas zusätzlich zum Frauenhaus auch noch eine ambulante Beratung. "Viele Frauen wollen einfach sagen, wie es ihnen geht und besprechen: Wie geht es weiter?" Manche leben mit ihrem Noch-Ehemann getrennt in einer Wohnung.

Wer Hartz IV bezieht, hat im Landkreis Ansbach bei einem Kind als Mietobergrenze für eine 65-Quadratmeter-Wohnung eine Warmmiete von 462 Euro. Das Resultat: "Die Frauen finden keinen finanziell passenden Wohnraum." In der Stadt Ansbach selbst liegt die Mietobergrenze bei vergleichbarer Größe bei 612 Euro Warmmiete.

Wegen dieser prekären finanziellen Rahmenbedingen "bleiben die Frauen länger bei uns, als es notwendig wäre." Mit der Beschränkung der Aufenthaltsdauer auf ein halbes Jahr "kommen wir nicht mehr hin", berichtet Brigitte Guggenberger aus dem Alltag. Grund: Der mangelnde Wohnraum.

Bei Telefonberatungen für künftige Bewohnerinnen werde schon sehr genau nach eventuellen Corona-Symptomen wie Fieber oder Erkältung nachgefragt. Bereits abgeklärt wurde, dass für unter häuslicher Gewalt leidende Frauen auch ein Pensionszimmer angemietet werden könnte.

Denn bei einem Corona-Verdachtsfall sei es im Frauenhaus Ansbach nicht möglich, die Frau zu isolieren. "Küche, Bad und Wohnzimmer werden gemeinsam genutzt."

Für Ehrenamtliche tabu

Mit einem Vorurteil räumte Guggenberger auf: "Trotz Ausgangsbeschränkung dürfen die Frauen in Not sehr wohl die Wohnung verlassen." Vier Sozialpädagoginnen und zwei Erzieherinnen arbeiten im Frauenhaus Ansbach — alle in Teilzeit. Dazu kommen noch rund 30 Ehrenamtliche. Wegen der Corona-Gefahr leisten diese aber nur noch Telefondienst in der Nacht und am Wochenende. Einsatzbereich wie die Kleiderkammer sind momentan für Ehrenamtliche tabu. Aus Sicherheitsgründen.

In der Zeit "vor Corona" hätten Ehrenamtliche im Bedarfsfall auch am Wochenende betroffene Frauen ins Haus aufgenommen. Jetzt passiert das nur noch werktags während der Arbeitszeit, keinesfalls nachts.

Mit all diesen Maßnahmen wollen Frauenhäuser der Corona-Gefahr ausweichen.

 

Keine Kommentare