Gunzenhausen: Unterwegs mit der Altenpflegerin

16.6.2018, 17:14 Uhr
Gunzenhausen: Unterwegs mit der Altenpflegerin

© KKH

Täglich tourt sie durch Gunzenhausen und die umliegenden Dörfer und hilft Menschen, trotz Einschränkungen noch so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu führen. Sie kontrolliert die Medikamenteneinnahme, gibt Spritzen und Infusionen, hilft bei der Grundpflege, wechselt Verbände. Und ist einfach da.

Nach ein paar Minuten parkt sie den VW tatsächlich auf dem Hof eines großen Anwesens. Auf der Schwelle des großen Hauses dreht sich Birgit Braun noch einmal um und zuckt fast ein bisschen entschuldigend mit den Achseln. "Der Herr König (Patientennamen von der Redaktion geändert) redet recht gerne. Aber er ist eben auch sehr einsam."

Georg König wartet schon im Esszimmer. Die Wände sind tapeziert mit Fotos, auf fast jedem lachen Enkelkinder mit breitem Grinsen und Zahnlücke in die Kamera. Der Morgen liegt noch in der Luft, es riecht ein bisschen verschlafen und ein bisschen auch nach alten Menschen. Birgit Braun greift hinter sich und zieht ein rotes Kissen vom Stuhl, ehe sie sich vor Georg König niederkniet. "Ich hab hier sogar extra ein Polster bekommen", sagt sie. König grinst mit jugendlichem Schalk im Nacken, er betrachtet den Thrombosestrumpf, der sich langsam über den Unterschenkel und das Knie zieht. "Na ja. Ich hab mir gedacht, der Boden soll ja auch nichts abbekommen."

Seit einer Hüftoperation ist Georg König nicht mehr so gut zu Fuß wie früher. Außerdem leidet der Senior an Diabetes und bekommt jeden Abend eine Langzeitinsulinspritze. Sein Blick ist wach und klar, das Alter hat sich vielleicht in seinen Körper geschrieben, aber nicht in seinen Geist. Er erzählt lebhaft von der Nachbarschaft ein paar Straßen weiter und den anderen Pflegekräften, scherzt und witzelt viel. Irgendwann verabschiedet sich Birgit Braun freundlich, aber bestimmt, bis zum Wochenende. "Das ist nicht immer leicht, da einfach zu gehen. Er hätte gerne noch weitergeredet. Aber ich kann das auch verstehen – wem soll er es auch sonst erzählen?"

Genau getakteter Zeitplan

Doch Georg König ist nicht Birgit Brauns einziger Patient heute Morgen. Es gibt einen genau getakteten Zeitplan, an den sie sich so gut es geht halten soll. Das ist nicht immer einfach, und manchmal auch unmöglich. Die Pflegekraft weiß nie, was sie hinter der nächsten Tür erwartet, in welcher Tagesform der Patient ist, wie er die letzten Stunden verbracht hat. Manchmal ist ein Patient gestürzt; dann gilt es, Erstversorgung zu leisten und gegebenenfalls den Krankenwagen zu rufen. Der Zeitplan ist dann erst mal außen vor.

Wenn Birgit Braun die Straßen von Gunzenhausen und Umgebung entlangfährt, dann kann sie zu fast jedem Haus eine Geschichte erzählen. Viele Menschen brauchen irgendwann einmal Hilfe im Alltag, gerade im Alter. Die Caritas fängt viel davon auf.

Birgit Braun ist eine herzliche und fröhliche Person mittleren Alters. Ihr Blick ist voller Wärme, ihr Lächeln zuversichtlich und fürsorglich. Die Altenpflege ist für sie tatsächlich mehr Berufung denn Beruf. Ursprünglich war sie einmal im Einzelhandel tätig, ehe sie nach einer Umschulung vor 15 Jahren die Arbeit bei der Caritas aufnahm. Nicht jeder konnte diesen Schritt verstehen, nicht einmal der Mitarbeiter bei der Agentur für Arbeit, der die Umschulung in die Wege leiten sollte. "Aber ich wollte das einfach unbedingt machen. Es tut gut, zu wissen, dass ich Menschen helfe, die wirklich Hilfe brauchen." Sie lacht. "Man braucht schon auch ein bisschen ein Helfersyndrom für diesen Job!"

"Mein Mann will nicht weg von hier"

Die nächste Station ist heute die Familie Müller in Stetten. Elfriede Müller steht schon im Hof, sie läuft gebückt und gießt die roten Geranien vor der Haustür. Das Ehepaar ist über 90, und Elfriede Müller kann die Pflege ihres Mannes nicht mehr alleine stemmen. Während Birgit Braun Hans Müller beim Aufstehen und Anziehen hilft, warten wir in der geräumigen Küche. Auf dem Frühstückstisch steht neben Kaffeetassen und Marmeladengläsern ein Sammelsurium an Medikamenten. "Es ist gut, dass es die Caritas gibt. Sonst könnten wir hier nicht mehr bleiben." Mit schmalen und sanften Händen wischt Elfriede Müller nachdenklich ein paar Krümel vom Tisch. "Aber wir wollen es halt zu Hause versuchen, so lange es geht. Gerade mein Mann will nicht weg von hier."

Birgit Braun betritt mit Hans Müller die Küche und hilft ihm zum Waschbecken. "Brauchen Sie noch was?", fragt sie. Die nächste Einkaufsmöglichkeit ist in Gunzenhausen. Und das Ehepaar Müller ist nicht mehr besonders mobil. Die beiden sind abhängig von den Kindern und Elfriede Müllers jüngerer Schwester, die sie mit Grundlegendem versorgen. Doch das geht auch nicht immer. Manchmal geht dann Birgit Braun für sie mit einkaufen. An der Versorgung soll das Altern in den eigenen vier Wänden nicht scheitern. "Ihre Kinder leben in Dinkelsbühl und in der Nähe von Nördlingen. Die wollen die beiden auch nicht anrufen und herholen, weil vielleicht mal ein Duschgel leer ist."

Es sind keineswegs nur Senioren, die von der ambulanten Pflege der Caritas Hilfe in Anspruch nehmen. Auch junge Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen oder Kinder mit Behinderung werden von der Caritas versorgt. Manchmal auch Menschen, die aufgrund psychischer Beschwerden Unterstützung im Alltag oder bei der Medikamenteneinnahme benötigen.

Inzwischen ist es Vormittag, auf den Straßen ist rege Betriebsamkeit erwacht, und wir fahren zurück zur Sozialstation. Es ist hell dort und gemütlich. "Ohne Liebe ist alles nichts", prangert an den Wänden im Flur und an der Eingangstür. Es ist der Leitsatz, der die Arbeit der ambulanten Pflege der Caritas zu durchziehen scheint.

"Ging an die Nieren"

Noch schafft es die Caritas in Gunzenhausen, den Arbeitsalltag mit Pflegefachkräften zu stemmen. Der vieldiskutierte Pflegenotstand mache sich immer wieder in Schüben bemerkbar. Vor allem dann, wenn sich die Leitung der Herausforderung stellen muss, ausgebildetes Personal bei Bedarf (Patientenneuaufnahmen) zu erhalten. Fachkräfte sind rar. Im neu von Gesundheitsminister Spahn vorgestellten Sofortprogramm Kranken- und Altenpflege wird auf 13 000 zusätzliche Stellen verwiesen. "Auf Deutschland umgerechnet wäre das eine halbe Stelle für uns. Das ist ein Witz", so Eva Zischler. Was sie sich sonst für die Zukunft in der Pflege wünschen würde? "Mehr Zeit", sagt sie, "und weniger Bürokratie."

"Entlastung der Pflege durch Investitionen in Digitalisierung besonders in den Bereichen der Entbürokratisierung" verspricht das neue Eckpunktepapier der Bundesregierung. Ob es sich bei "Entlastung" und "Digitalisierung" um mehr handelt als um leere Worthülsen, wird sich in der Zukunft zeigen müssen.

Für weitere Informationen zum umfassenden Unterstützungsangebot durch die Caritas lohnt ein Blick auf deren Homepage: http://www.caritas-eichstaett.de /46895.html

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