Gunzenhäuser Schulsozialarbeiterin zieht Bilanz

29.7.2018, 08:05 Uhr
Gunzenhäuser Schulsozialarbeiterin zieht Bilanz

© Foto: Tina Ellinger

Ist die Jugendsozialarbeit an der Mittelschule bereits seit Längerem etabliert, hat Silvia Loy im September vergangenen Jahres an der Grundschule quasi Neuland betreten. Die vergangenen Monate standen denn auch überwiegend unter dem Motto "ausloten, kennenlernen, Bedarf ermitteln". Ihre Schwerpunkte setzte sie in diesem ersten Jahr im Bereich "Soziales Lernen". "Manchen Kindern fehlen soziale Kompetenzen, sie wissen nicht wie man mit Gefühlen wie Wut, Trauer oder Enttäuschung umgeht", erklärt die Fachfrau, die ihr Studium der Sozialen Arbeit in Eichstätt absolviert hat.

Mit gezielten Projekten wie etwa "Pack mers" — dabei geht es um Zivilcourage, den Umgang mit Gefühlen und dem eigenen Körper — für die zweiten Klassen hat sie versucht, hier gegenzusteuern. Zudem wurden die ersten Streitschlichter an der Stephani-Grundschule ausgebildet, wie es sie schon länger an der Mittelschule gibt. Sie sollen helfen, Konflikte konstruktiv zu lösen, ohne selbst Partei zu ergreifen. Bewusst habe sie für die Projekte teils besonders schüchterne Jungen und Mädchen ausgewählt, aber ebenso solche, die öfter mal ein wenig über die Stränge schlagen. "Die einen müssen ihr Selbstbewusstsein stärken, die anderen müssen lernen, was Wut eigentlich ist und wie sie sie steuern können."

Wut, die kann auch aus Hilflosigkeit entstehen, zum Beispiel weil man erst hierher gezogen ist und die deutsche Sprache noch nicht gut beherrscht. "Die fehlende Kommunikation ist ein großes Problem, die Kinder fühlen sich hilflos, was dann in Wut umschlagen kann. Das wiederum kann zur Ausgrenzung führen."

Und genau das soll verhindert werden: "Es ist wichtig, den Kindern deutlich zu machen, was Ausgrenzung eigentlich bedeutet", erklärt sie und sieht hier die Grundschule klar im Vorteil: "Man kann an der Grundschule präventiv arbeiten, an den Problemen ansetzen, bevor sich Verhaltensweisen manifestiert haben. Die Schüler sind in diesem Alter leichter für solche Themen zu sensibilisieren als an der Mittelschule", ist Silvia Loy überzeugt.

Darin, dass die Kinder noch sehr jung sind, besteht aber auch eine besondere Herausforderung: Ihre sprachlichen Mittel reichen oft noch gar nicht aus, um zu erklären, warum sie sich in einer Situation so verhalten oder wie sie sich dabei fühlen. Außerdem kommen die Jungen und Mädchen, vor allem der ersten und zweiten Klassen, eher selten von sich aus auf sie zu. Zum Teil sind es die Lehrer, die Silvia Loy kontaktieren, zum Teil die Eltern. Und es gibt die Pausen, die die Sozialarbeiterin gerne nutzt, um die Klassen ein wenig zu beobachten oder auch als Ansprechpartnerin präsent zu sein. Fällt ihr ein Kind auf, lädt sie es in ihr Büro ein und versucht, spielerisch das Vertrauen zu gewinnen. "Die Lebenswirklichkeit der Grundschüler sind nun mal Spiele, nur so kann man sie erreichen". Deshalb arbeitet die zweifache Mutter viel mit Farben, Figuren und Tieren und setzt auf Rollenspiele: "So erfährt man, was da schief läuft."

Eltern mit im Boot

Bis zu einem solchen Durchbruch dauert es allerdings ein wenig: Drei bis vier Termine seien schon nötig, bis der Schüler das nötige Vertrauen aufgebaut hat. Hat sie herausgefunden, was mit einem ihrer Schützlinge los ist, holt sie die Eltern ins Boot und bietet ihre Hilfe an. "Es ist wichtig, dass alle an einem Strang ziehen", betont Silvia Loy.

Die 20-Stunden-Stelle an der Stephani-Grundschule wird von der Kommunalen Jugendarbeit am Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen getragen. Dieses neue Angebot der Jugendsozialarbeit sprach sich herum und wurde gut angenommen: "Vor allem zum Ende des Schuljahrs wurden die Einzelfälle immer mehr", so Silvia Loy. Sie hatte es dabei nicht nur mit Schulangst und Mobbing zu tun, auch eine Kindeswohlgefährdung findet sich in ihren Unterlagen. In solchen Fällen arbeitet sie eng mit dem Jugendamt zusammen.

Ihre Räume waren auch eine wichtige Anlaufstelle nach der schrecklichen Familientragödie, die sich vor einigen Wochen in Gunzenhausen abgespielt hat. Zwei der ermordeten Kinder waren Schüler an der Grundschule. "Krisenintervention ist schon Teil der Ausbildung, aber nur theoretisch", blickt Silvia Loy auf diese schwierige und sehr emotionale Zeit zurück. Es sei ein Balanceakt zwischen Stärke zeigen und Authentizität bewahren. "Man muss einen Weg finden zwischen der eigenen Betroffenheit und einer gewissen Professionalität."

Sprechen über den Tod

Zusammen mit den Religionspädagogen richtete sie ein Trauerzimmer ein, hier wurden Kerzen angezündet, über den Tod gesprochen oder einfach nur geschwiegen. Viele der Kinder nahmen auch an der Trauerfeier in der Stadtkirche teil, weiß Silvia Loy. Mittlerweile habe sie sich die Situation an der Schule beruhigt, sodass die Kinder aus ihrer Sicht jetzt relativ unbeschwert in die Sommerferien starten können.

Auf die freien Wochen freut sich auch die Schulsozialarbeiterin, die aber bereits einige Pläne für das nächste Schuljahr in petto hat: Anhand eines Fragebogens hat sie einen Einblick über die Mediennutzung der Kinder gewonnen und festgestellt, dass bereits Zweitklässler ein Smartphone benutzen. "Viele von ihnen nutzen das Internet unkontrolliert und haben schon Seiten besucht, die ihnen Angst machen. Sie können es alleine noch nicht einordnen, sprechen aber oft mit niemandem darüber", so ihre Erfahrung.

Genau hier will die Fachfrau ab September ansetzen und die Jungen und Mädchen altersgerecht an Internet und soziale Medien heranführen. Eine wichtige Rolle wird dabei der Umgang mit den eigenen Daten im Netz spielen. Verschließen könne man sich dem Thema auf keinen Fall, aber "die Kinder müssen verstehen, was sie da alles preisgeben und lernen, sinnvoll damit umzugehen."

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