Gunzenhäuserin feiert 100. Geburtstag

3.11.2019, 17:06 Uhr
Gunzenhäuserin feiert 100. Geburtstag

© Foto: privat

An Allerheiligen im Jahr 1919 ist sie geboren. "Es war immer Feiertag an meinem Geburtstag", erinnerte sich die Jubilarin – damals in einem kleinen Dorf in der Nähe von Aachen und heute in Gunzenhausen. Gelassen und ruhig sitzt sie auf ihrem Stuhl, tipptopp gekleidet, schlohweiße Haare, perfekt sitzende Frisur. Und dann diese Augen: Sie blitzen immer wieder fast spitzbübisch aus einem Gesicht, dem man es ansieht, dass viel gelacht wurde. Auch wenn Landratsstellvertreter Robert Westphal meinte, dass die Zahl der Hundertjährigen im Landkreis kontinuierlich zunimmt, ist dieser besondere Geburtstag schon eine Wucht: dreistellig, eine gewaltige Dimension. Ihre drei Urenkel sind noch alle alterstechnisch im einstelligen Bereich.

Kein Wunder, dass Robert Westphal und auch die Stadtspitze mit Zweitem Bürgermeister Hans-Peter Neumann ihre Aufwartung machen. Schnell füllt sich das kleine Wohnzimmer mit langjährigen Freundinnen oder einer Abordnung des katholischen Frauenbundes. Und was fällt einem zur Jubilarin ein? "Sie isst gerne mal ein Stück Fleisch und ihre gute Leberwurst", bemerkt Brigitte Petschat. "Die Käthe ist immer freundlich und gut gelaunt. Griesgrämig ist die nicht", ergänzt Ingrid Fleischmann.

"Heitere Lebensfreude"

Neumann erinnert sich noch gut an ihren 95. Geburtstag: "Sie kochte damals lecker und strahlte eine heitere Lebensfreude aus." Westphal stellt hingegen ihre guten sozialen Kontakte in den Mittelpunkt: "Das ist doch wunderbar, wenn sie immer noch gerne zu ihrem Stammtisch geht".

1919 – ein Jahr nach Ende des Ersten Weltkrieges kommt die kleine Katharina als zweites von drei Geschwistern auf die Welt. Das Kaiserreich war Geschichte, die Weimarer Republik wurde ausgerufen, ein gewisser Gustav Bauer von der SPD war in dieser wilden Zeit der erste Reichskanzler.

Der Vater war Maschinist im Aachener Wasserwerk, was in etwa den heutigen Stadtwerken entsprach, die Mutter Hausfrau. "Jeden Tag radelte er die zehn Kilometer zu seinem Arbeitsplatz", erzählt die Jubilarin, "Autos gab’s ja keine".

Katharina Loy ist eine bemerkenswerte Frau. Geistig wie körperlich ist sie noch "voll gut drauf", wie man so schön sagt. Sie kann ihre Geburtsregion nicht verleugnen, macht sie den Mund auf, hört man den typischen Tonfall des Rheinländers. Leichter Singsang in der Stimme, kein einziges fränkisches Wort in ihrem Wortschatz.

Das spricht dafür umso besser Tochter Karin, die 31 Jahre nach Katharinas Geburt auf die Welt kam. In Gunzenhausen. Und wie kommt man von Aachen ins spätere fränkische Seenland? Der verlorene Zweite Weltkrieg war schuld. Katharina war an dessen Ende 26 Jahre jung, in der schönsten Lebensphase lernte sie Bombenalarme kennen ("manchmal mitten beim Essen"), die fast komplette Zerstörung ihrer Heimatstadt und die sich abzeichnende Evakuierung: "Wir mussten alle weg, die Front kam immer näher".

Weg von den Kriegsfronten

Das Langzeitgedächtnis funktioniert wie geschmiert. Katharina Loy erzählt so präzise, als ob das Trauma erst vier Wochen her ist. In Wirklichkeit liegen fast auf den Tag genau 75 Jahre dazwischen. Die gelernte Damenschneiderin zog mit ihrer Familie fast 500 Kilometer ostwärts, damit weit weg von irgendwelchen Kriegsfronten. "Weil zwei Neffen bereits in Mittelfranken lebten, machten wir es denen nach."

So kam es, dass jemand aus dem Rheinland plötzlich in einer völlig anderen Gegend Deutschlands sich zurechtfinden musste. In der damaligen Zeit natürlich keine Seltenheit. Aber – das ist das Geheimnis der rheinischen Frohnatur: Sie passte sich schnell an, lernte ihren späteren Mann Karl bei der Hochzeit ihres Bruders Jupp kennen. Das Ja-Wort gaben sich die Eheleute 1947 in ihrer Geburtsstadt Aachen.

Karl Loy arbeitete, ähnlich wie ihr Vater, bei den Stadtwerken, aber jenen in Gunzenhausen und nicht als Maschinist, sondern in der Verwaltung. Sie selbst nutzte ihre Fähigkeiten und Talente an der Nähmaschine, um bis zur Geburt ihrer Tochter bei einigen Geschäftsleuten in Gunzenhausen im Haus zu nähen. Später arbeitete sie dann von zu Hause, um den gemeinsamen Lebensunterhalt mit zu bestreiten.

"Wie wird man so alt?

Eine Frage darf bei einem 100. Geburtstag niemals fehlen: Wie wird man so alt?

Es gibt wohl kaum ein Medium in unserer Gesellschaft, das sich dieser Frage noch nicht angenommen hätte – mit mehr oder weniger Erfolg bei der Beantwortung. Das Geheimnis von Käthe Loy dürfte überraschen: Es gibt nämlich keins. "Ich lebe normal und bin ein zufriedener Mensch", sagt sie bescheiden und macht damit kein großes Aufhebens um ihr außergewöhnliches Alter.

Vor zehn Jahren, hatte sie zwei Hüft-Operationen, der Blutdruck ist ein wenig zu hoch. Das war’s. Sie kann beim allgemeinen Ratsch beim Rentnertreff bei der Heidi Eiden oder dem Katholischen Frauenbund nicht mit einem langen Lamento über allerlei Altersleiden aufwarten: immer noch die echten Zähne, hin und wieder ein Glas Wein oder ein kleines Bier, gerne fortgehen, früher leidenschaftliche Sportkeglerin.

Mit ihrem Mann war sie 58 Jahre lang verheiratet, urlaubte mit ihm in Kärnten, in Südtirol oder an der Riviera. Alles keine spektakulären Dinge. Genauso wenig wie die Wohnung in der Zufuhrstraße, die sie seit 57 Jahren bewohnt. Aber vielleicht ist das genau diese Mixtur, die ein langes Leben garantiert: nicht jammern, nicht schimpfen, sondern sich an dem erfreuen, was man hat. Wie eine Tochter Karin, wie einen Schwiegersohn Helmut, die sich um sie kümmern, "aber nur nicht zu viel", betonen die beiden, "das mag die Mutter überhaupt nicht". Jetzt gönnt sie sich den ersten Luxus: eine Putzfrau, die seit vier Wochen ihre Wohnung in Schuss hält. Aber für sich kochen tut sie auch mit Hundert noch. Und zwar gern.

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