Für die SPD im Wahlkreis Ansbach

Harry Scheuenstuhl: "Einer muss auf Platz 33 kandidieren"

5.9.2021, 06:37 Uhr
Harry Scheuenstuhl:

© Foto: Jürgen Eisenbrand

Harry Scheuenstuhl, so hat man nach mehr als zwei Stunden Interview den Eindruck, verfügt über beides. Und wird es auch brauchen.

Nur 30 von 45 Delegierten hatten den 59-Jährigen aus Wilhermsdorf (Kreis Fürth) Mitte Februar in Muhr am See zum Kandidaten gekürt – Geschlossenheit und kraftvolle Unterstützung sieht anders aus. Vermutlich haben es manche Genossen damals nicht verwunden, dass sich ein Auswärtiger um das Direktmandat im Bundestags-Wahlkreis 241 Ansbach, zu dem neben Stadt und Landkreis Ansbach auch Almühlfranken gehört, bewirbt.

Harry Scheuenstuhls Sohn baute für seinen Vater einen Fahrradanhänger zu einem Werbeträger um. Damit will der SPD-Kandidat nun durch seinen Wahlkreis touren.

Harry Scheuenstuhls Sohn baute für seinen Vater einen Fahrradanhänger zu einem Werbeträger um. Damit will der SPD-Kandidat nun durch seinen Wahlkreis touren.

Er sei "schon etwas überrascht gewesen von den Gegenstimmen", sagt der Umweltingenieur Scheuenstuhl, der als solcher von 1987 bis 1996 im Landratsamt Ansbach tätig war. Vor allem, weil es zuvor in einer Videokonferenz "keinen Gegenwind gegeben" habe. Und er scheint sich noch heute ein wenig zu ärgern, dass in Muhr "nicht offen diskutiert wurde", dass er "nicht die Chance bekommen habe", eventuelle Zweifel an seiner Person auszuräumen.

Suche nach einem Mandat

Scheuenstuhl hat in den letzten gut 30 Jahren eine vielseitige Polit-Karriere hingelegt: Stadtrat in Wilhermsdorf von 1990 bis 1996, Bürgermeister seiner Heimatgemeinde von 1996 bis 2013, von da an fünf Jahre Landtagsabgeordneter. Wegen des schlechten Abschneidens der SPD beim Urnengang 2013 verlor er sein Listenmandat, ist seitdem erster Nachrücker für den Landtag – und auf der Suche nach einem neuen Mandat.

Diese Suche ging im März 2020 schon einmal gründlich schief, als er bei der OB-Wahl in Rothenburg ob der Tauber noch nicht einmal in die Stichwahl kam. Wie er vermutet, weil seine Gegenkandidaten "örtlich bekannte Persönlichkeiten waren" – und er, wie auch jetzt bei der Bundestagswahl am 26. September, von außerhalb kam.

Dass seine Chancen , den Christsozialen Artur Auernhammer im direkten Duell zu besiegen, klein sind, wusste Scheuenstuhl natürlich von Anfang an. Auch wenn er stets tapfer beteuert, für seine Partei, die ehrenamtlichen Helfer und nicht zuletzt für eine Verbesserung der sozialen Lage der Menschen kämpfen zu wollen. Was er aber im Februar noch nicht ahnen konnte: Bei der Aufstellung der SPD-Landesliste im März reichte es für den dreifachen Vater lediglich zu Platz 33. Zur Einordnung: Derzeit sitzen 18 Sozialdemokraten aus dem Freistaat im Berliner Parlament.

Der Partei etwas "zurückgeben"

"Die Hoffnungen waren andere", räumt der "Parteisoldat", wie sich Scheuenstuhl selber nennt, ein. Sagt aber auch: "Irgendeiner muss ja auf Platz 33 kandidieren." Er habe in der Vergangenheit auch viele Erfolge mit der SPD gehabt, jetzt könne er der Partei etwas "zurückgeben".

Politik sei immer sein Hobby gewesen, sagt der Sozialdemokrat, später habe er dieses Hobby zum Beruf gemacht. Den Sohn eines Kfz-Meisters und einer Einzelhandelskauffrau zog es einst wegen des NATO-Doppelbeschlusses in die SPD; als sein Vorbild nennt er dennoch nicht den friedensbewegten Willy Brandt, sondern den "Macher" Helmut Schmidt: "Dinge erkennen und umsetzen", sei dessen Motto gewesen, das er auch für sich reklamiere.

Als seine politischen Themen für Berlin nennt Scheuenstuhl zunächst drei Stichworte: Soziales, Digitalisierung und Klimaneutralität. Er befürchte "einen Anschlag auf den Sozialstaat, wenn Corona erst einmal vorbei ist", sagte er in Muhr am See. Dann werde "die Axt angelegt, und dann sind wir wichtig". Scheuenstuhl plädiert für 2000 Euro Mindestlohn, mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Stichwort: Anerkennung von Lebensleistung), ein Recht auf Arbeit und ein weitgehend vor staatlichem Zugriff geschütztes "Bürgergeld" statt der derzeitigen Grundsicherung.

Straßennetz "behutsam" erneuern

Im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen gelte es, "einen leistungsstarken und bezahlbaren Öffentlichen Nahverkehr sicherzustellen", wie es auch im Regionalwahlprogramm der Kreis-SPD formuliert ist. Daneben müsse freilich auch das Straßennetz "behutsam" erneuert und verbessert werden, zudem benötige man ein "gut verknüpftes Radwegenetz".

Funklöcher müssten gestopft, Glasfaseranschlüsse verlegt werden; diese "digitalen Zukunftstechnologien sind von großer Bedeutung für unseren ländlichen Raum", heißt es in dem Programm, das auch Scheuenstuhl vertritt. Man brauche ein neues Tourismuskonzept, insbesondere "eine gemeinsame Vermarktung der beiden Tourismusverbände", eine gute personelle Ausstattung an den Schulen und mehr kommunalen Wohnungsbau, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.

Das sind allesamt hehre politische Ziele, denen wohl kaum jemand ernsthaft widersprechen kann. Was aber, wenn es trotzdem nicht klappt mit dem Bundestagsmandat für den Berufspolitiker Harry Scheuenstuhl?

Zukunft gesichert

Darauf gibt der Ex-Bürgermeister und Ex-Landtagsabgeordnete, der überzeugt ist, dass die Wahl "über die Spitzenleute entschieden" werde ("mich hat noch nie ein Wähler über das Sozialprogramm der SPD befragt"), eine überraschend offene Antwort: Er habe auch jetzt schon, als Kreisvorsitzender in Fürth-Land und als ehrenamtlicher BRK-Kreisvorsitzender in Neustadt/Aisch-Bad Windsheim reichlich zu tun.

Über seine wirtschaftliche Lage müsse man sich jedenfalls "keine Sorgen machen": Als Bürgermeister und Abgeordneter habe er schließlich "nicht schlecht verdient", sagt er. Zudem, fügt er schmunzelnd hinzu, arbeite seine Frau Liane Humann-Scheuenstuhl an der Kreisklinik in Neustadt/Aisch: "Die ist dort Chefärztin, sie kann mich ernähren."

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