Haschisch-Eier geschluckt

22.1.2013, 16:42 Uhr
Haschisch-Eier geschluckt

© Wolfgang Dressler

Die Kriminalpolizei hat nun einen Ring aus Einfuhrschmugglern und Rauschgifthändlern im Raum Weißenburg/Treuchtlingen gesprengt. Die zehn Hauptverdächtigen waren in Marokko bei dortigen Cannabisbauern auf Einkaufstour gegangen.

Anfang 2012 tauchten im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen sogenannte „Marokk-Eier" auf. Es handelt sich dabei um oval portioniertes Haschisch. Den Beamten der Kriminalpolizeiinspektion Ansbach fiel auch auf, dass die Ware einen extrem hohen Wirkstoffgehalt hatte, nämlich 24 Prozent THC (Tetrahydrocannabinol). Normal sind bei Haschisch 7 bis 10 Prozent.

Nach einem Jahr Ermittlungsarbeit berichtete KPI-Leiter Hermann Lennert gestern von der erfolgreichen Arbeit seiner Mitarbeiter. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen flogen die zehn Tatverdächtigen – alle sind etwa 50 Jahre alt und leben im Raum Weißenburg/Treuchtlingen – in wechselnder Besetzung nach Marokko. Dort wandten sie sich an Cannabis-Anbauer im Rif-Gebirge, kauften die Ware in Pulverform und pressten sie in die gewünschte Form. Dann wurden die „Haschisch-Eier" in Klarsichtfolie verschweißt und von den Käufern geschluckt. Auf diese Weise kann ein Mensch bis zu einem Kilo dieser „Eier" mit sich führen, so die Aussage von Medizinern. Dieser Körperschmuggel ist nicht ohne Risiko. Sollte die Folie reißen, droht Organversagen und damit Lebensgefahr.

Die Tatverdächtigen kehrten nach dem Kauf „beladen" zurück nach Deutschland. Ein gängiger Weg bestand darin, mit der Fähre nach Spanien zu reisen und dort ein Flugzeug Richtung Deutschland zu besteigen. Für die Einreise genügte so der Personalausweis. Den Reisepass, den sie für die Einreise nach Marokko gebraucht hatten, schickten sie per Post in die Heimat. Auf diese Weise wollten sie Spuren verwischen. Zurück im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen, schieden die Schmuggler die Droge auf natürlichem Wege aus und bügelten die „Eier". So konnte das Haschisch in die bekannte Plattenform gebracht und verkauft werden.

Die Polizei schlug zu, nachdem sie ausreichend Erkenntnisse über die Strukturen der Händler gewonnen hatte. Beamte aus Ansbach und des Zolls nahmen am 21. Oktober letzten Jahres am Flughafen in München zwei Personen nach ihrer Rückkehr aus Marokko fest. Der 48-Jährige aus Weißenburg und der 51-Jährige aus Ellingen bestritten bei der Zollkontrolle den Besitz von Betäubungsmitteln. Sie wurden daraufhin ins Klinikum Erding gebracht. Die Röntgenuntersuchung zeigte, dass sie insgesamt ein Kilo „Haschisch-Eier" geschluckt hatten. Diese befanden sich im Dickdarm. Es dauerte zwei für alle Beteiligten unangenehme Tage, bis die Drogenware ans Tageslicht zurückgekehrt war. Gegen die beiden Männer erging Haftbefehl. Im Zuge der weiteren Ermittlungen erhärtete sich der Verdacht, dass die Haschischhändler auch mit weiteren Drogen – Heroin und Amphetamin aus den Niederlanden – intensiven Handel betrieben hatten.

Am 1. Dezember erfolgte die Kontrolle eines Paares aus Treuchtlingen an der Autobahnausfahrt Ansbach. Die beiden kamen aus Holland und führten 1,3 Kilo Amphetamin und etwas Kokain mit sich. Gegen den 45-Jährigen und seine 50-jährige Begleiterin erging ebenfalls Haftbefehl. Der dritte Zugriff erfolgte am 3. Dezember bei Wohnungsdurchsuchungen in Treuchtlingen. Hier waren ein 48-Jähriger und ein 49-Jähriger im Visier des Drogenkommissariats. Die Ordnungshüter stellten rund 5000 Euro Bargeld und eine geringe Menge Drogen sicher.

Einen Tag darauf war eine Wohnung in Weißenburg das Ziel der Ansbacher Kriminalbeamten. Aus dieser Wohnung heraus hatte ein 50-jähriger Tatverdächtiger Heroin verkauft, es soll sich um mindestens 300 Gramm handeln. Bei dem Mann konnten noch 50 Gramm Heroin, sieben „Marokk-Eier" und eine kleine Menge Marihuana sichergestellt werden. Am 18. Dezember wurde die Wohnung eines 49-Jährigen in Treuchtlingen durchsucht. Hier stießen die Polizisten auf geringe Mengen Drogen verschiedenster Art.

Gegen die neun Männer und die Frau erging Haftbefehl. Sie alle stehen im dringenden Verdacht, Einfuhrschmuggel und Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen begangen zu haben. Sieben Tatverdächtige sitzen weiterhin in Untersuchungshaft. Bei den anderen drei ist der Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Mit Strafprozessen ist im Laufe dieses Jahres zu rechnen.

„Unser Stand ist, dass es circa 30 Beschaffungsfahrten nach Marokko gegeben hat", berichtete Hermann Lennert. Die Kripo geht davon aus, dass der Drogenhändlerring von 2008 bis 2012 insgesamt 25 bis 30 Kilo Haschisch, etwa 30 Gramm Heroin und 2,5 Kilo Amphetamin in den Raum Weißenburg/Treuchtlingen schmuggelte und dort veräußerte.

Die zehn Personen haben die Drogen nicht nur an andere verkauft, sondern teils auch selbst konsumiert. Die Mehrzahl ist einschlägig vorbestraft – wegen früherer Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Die zehn verübten die Delikte teils auf eigene Rechnung, teils waren sie vernetzt. Von einer Bande wollte Hermann Lennert nicht sprechen. Es habe auch keine gemeinsame Kasse gegeben.

Die zehn dingfest gemachten Haupttäter gelten als Händlerebene. Darunter gab es zahlreiche Käufer des Haschischs, die dann Handel in kleinerem Stil betrieben. Gegen 50 Personen aus dem Raum Weißenburg/Treuchtlingen wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet.

Die Fahnder sehen einen Zusammenhang zwischen den nun aufgeklärten Einkaufstouren in Marokko und einem versuchten Einfuhrschmuggel aus dem Jahr 2010. Es handelte sich um andere Täter, diese kommen aus dem Würzburger Raum. Sie sollen nach den Erkenntnissen der Polizei in Marokko Anzahlungen auf die gewünschte Drogenware gemacht haben und wollten die Drogen per Ultraleichtflugzeug nach Deutschland bringen, und zwar zum Flugplatz in Rothenburg. Es kam aber nicht zur Lieferung der Ware, wobei der Grund dafür nicht bekannt ist. Jedenfalls verlief die polizeiliche Überprüfung des Ultraleichtflugzeugs ohne Ergebnis.

An den Verhältnissen in Marokko, wo der Cannabis-Anbau gang und gäbe ist, wenngleich seit den 1960er-Jahren verboten, wird sich nichts ändern. Das ist dem Drogenkommissariat in Ansbach klar. Lennert bezifferte die Anbaufläche in dem nordafrikanischen Land auf 250 000 Hektar. Dieser Erwerbszweig habe eine größere wirtschaftliche Bedeutung als der Tourismus.

Auch der Drogenmarkt im südlichen Franken wird wohl durch die erfolgreiche Ermittlungsarbeit keine grundlegende Schwächung erfahren. Aller Erfahrung nach werde sich der Markt neu organisieren, trotz der nun zerstörten Händlerstruktur im Raum Weißenburg/Treuchtlingen. Insofern könne man von einem Kampf gegen Windmühlen sprechen, hieß es bei der gestrigen Pressekonferenz.

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