Hopfenernte: Eine Achterbahn der Gefühle

23.8.2019, 05:55 Uhr
Hopfenernte: Eine Achterbahn der Gefühle

© Foto: Jürgen Leykamm

Im Spalter Hopfenanbaugebiet wird heuer eine durchschnittliche Ernte von rund 618 Tonnen erwartet – kaum weniger als im vergangenen Jahr. Doch die Zahl verrät nicht die von einer Achterbahn der Gefühlen geprägten Umstände, unter denen sie zustande gekommen ist. Erst schwand die Hoffnung über Monate der Trockenheit, dann kam der Jubel über die Augustniederschläge – und kurz vor dem Einbringen der Schock über die Sturmschäden.

Die waren zwar nur punktuell. Doch die Familien, die es getroffen hat, beklagen einen umso größeren Schaden. Aber das Ende des Auf und Ab der Emotionen ist zum Glück trotzdem ein gutes: die überwältigende Hilfsbereitschaft, derer sich die betroffenen Pflanzer in diesen Tagen erfreuen dürfen.

Nachbarn, Bekannte, Landwirte, Berufskollegen aus ganz Bayern: Alle packen mit an. Ein positives Signal der Solidarität, das auch beim Pressegespräch zur Hopfenernte am Anwesen von Andreas Auernhammer in Hauslach (Georgensgmünd) die Atmosphäre bestimmt. Er baut das Grüne Gold nicht nur selbst an, sondern sorgt sich als Mitarbeiter der Hopfenverwertungsgenossenschaft Spalt (HVG) auch gleich um dessen Vermarktung.

"Wer hilft wem?" Das ist die Frage, die beim Erntegespräch diskutiert wird, die Zahlen treten in den Hintergrund. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Krieglmeier ist erst gar nicht erschienen, er hilft in Mäbenberg am Betrieb der Familie Kroner, die es ganz schlimm erwischt hat: Auf 4,2 Hektar baut sie Hopfen an, auf der Hälfte der Fläche hat der Sturm vom Sonntag zugeschlagen. Und das auch noch in einer Lage, die eigentlich als geschützt gilt.

Da bleibt, wie in vielen anderen Fällen auch, nur noch die äußerst beschwerliche Noternte: die umgestürzten Masten mit der Forstzange aus dem Feld ziehen, Drähte und Seile entfernen und dann die Reben ernten – alles in reiner Handarbeit. "Ein unglaublicher Arbeitsaufwand", so Werner Wolf, der Leiter des Rother Landwirtschaftszentrums.

Vorbote des Verderbens

Alles muss schnell geben, sonst verfärbt sich das Erntegut – ein Vorbote des Verderbens. Doch Tanja Kroner darf sich "über mehr als 20 Helfer" freuen, wie sie dankbar feststellt. Ehemann Thomas kann nicht einspringen – er ist im Krankenstand.

Hopfenernte: Eine Achterbahn der Gefühle

© Foto: Jürgen Leykamm

Auernhammer selbst unterstützt ebenso, wo er kann. Und lässt die geernteten Reben aus den Kroner-Gärten durch seine Zupfmaschine durch, die die Dolden abtrennt. 16 der 52 Betriebe im Spalter Anbaugebiet, das binnen Jahresfrist um 15 auf 415 Hektar gewachsen ist, sind von den Sturmschäden betroffen.

Auf zehn Prozent der Gesamtfläche ließ der Sturm "die Gerüstanlagen einstürzen", so Wolf. Bei anderen Hopfengärten hätten die Orkanböen für Teilschäden gesorgt.

Wären die Winde nur zehn Tage später über die Region herein gebrochen, hätte das die Ertragsverluste deutlich gemindert. Dann nämlich wären die Dolden schon deutlich besser ausgebildet gewesen.

Denn eigentlich hat der Hopfen dieses Jahr einen tollen Endspurt hingelegt. Hitze und Trockenheit machten ihm lange schwer zu schaffen, Ende Juli war gar von einer drohenden Missernte die Rede. Doch dann kam der regenreiche August, und die Dolden legten sich in Sachen Wachstum mächtig ins Zeug, die Zeichen standen auf Erleichterung. Bis jetzt, kurz vor der Ernte, der Sturm zuschlug.

Friedrich Kolb, der Vorsitzende des Spalter Hopfenpflanzerverbandes, geht von einem Gesamtschaden von bis zu einer Million Euro aus: "Die betroffenen Pflanzer haben hier ein ganz schönes Päckchen zu tragen. Viele haben Tränen in den Augen, die psychische und physische Belastung ist immens, aber wir rücken alle zusammen, die Region lebt mit dem Hopfen und leidet mit den Pflanzern!"

Unterm Strich herrsche aber keine Weltuntergangsstimmung, wenngleich der Sturm ein gleichsam historisches Ereignis gewesen sei. Vergleichbares habe es nur einmal in den 1950er Jahren gegeben, als zur Hilfe sogar die Bundeswehr anrückte.

Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass es auf 90 Prozent der Fläche im Anbaugebiet recht gut aussehe. Wolf spricht von "gesunden und vitalen Beständen". Gerade die späten Sorten "machen jetzt noch einen richtigen Schub". Die gute Qualität lasse nichts zu wünschen übrig. "Wir erwarten auch keine Lieferschwierigkeiten", betont beim Pressegespräch der geschäftsführende HVG-Vorsitzende Frank Braun. Bevor wieder alles auseinanderstrebt, Hilfe organisiert – oder sie selbst anbietet.

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