Immer mehr Sexualdelikte in Weißenburg-Gunzenhausen

4.4.2020, 17:12 Uhr
Immer mehr Sexualdelikte in Weißenburg-Gunzenhausen

© Peter Förster/dpa

Das Fazit, das der Ansbacher Kriminaldirektor Dieter Hegwein jüngst bei der Vorstellung der Kriminalstatistik 2019 im Landratsamt zog, klingt zunächst rundum positiv. Und dennoch lohnt sich ein zweiter Blick auf das Zahlenwerk. Denn vor allem zwei Bereiche weisen stark steigende Fallzahlen auf: die Körperverletzungen (plus 20 Prozent) und die Sexualdelikte (plus 38 Prozent).

Trotz des positiven Fazits weist die komplette Kriminalstatistik in Altmühlfranken Zahlen aus, die "gegenläufig zum Bayern-Trend sind", sagt Hegwein. Heißt: Während landesweit die Zahl der erfassten Fälle um 4,4 Prozent zurückging, in Mittelfranken sogar um 4,5 Prozent, stieg sie im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen um 1,5 Prozent auf 3466 (Vorjahr: 3414) an.

Schüler zeigen Schüler an

Mögliche Erklärungen sind laut Hegwein sowie den Polizeichefs Harald Eckert (Gunzenhausen), Rolf Rabus (Weißenburg) und Dieter Meyer (Treuchtlingen) zum einen ein "verändertes Anzeigeverhalten". So würden etwa deutlich mehr körperliche Auseinandersetzungen unter Schülern zur Anzeige gebracht. Was Landrat Gerhard Wägemann fränkisch-handfest so kommentierte: "Früher hat mer's rausgrafft, heut geht mer zur Polizei."

Harald Eckert erinnerte angesichts einer leicht auf 3649 gestiegenen "Häufigkeitszahl" (Straftaten je 100000 Einwohner) daran, dass es gerade in seinem Zuständigkeitsbereich sehr viele Touristen gebe, deren Gesetzesverstöße ebenfalls in der Statistik auftauchten. Altmühlfranken sei, so Hegwein, ein "Attraktionsgebiet", das Seenland verzeichne "über eine Million Übernachtungen" (Wägemann) – das mache sich eben bemerkbar.

Der Treuchtlinger Inspektionsleiter Dieter Meyer wies zudem darauf hin, dass Weißenburg und die beiden Altmühlstädte, abgesehen von Ansbach, "die drei größten Städte in West-Mittelfranken" seien. Der Landkreis Ansbach hingegen sei, fügte er augenzwinkernd hinzu, in erster Linie dominiert von "westmittelfränkischen Schafweiden".

Und Rolf Rabus hatte noch eine weitere Erklärung für die Zunahme der "Rohheitsdelikte": Weißenburg sei traditionell die "Ausgehstadt" im Landkreis, und wenn dann am späten Abend der Alkoholpegel kräftig steige, würden auch körperliche Auseinandersetzungen wahrscheinlicher.

Den massiven Anstieg der Sexualdelikte von 58 auf 80 ist laut Kripo-Direktor Hegwein "leicht zu erklären": Sie spielten sich sehr häufig "im virtuellen Raum ab" - wenn Täter etwa kinderpornographisches Material übers Netz verbreiteten. Die Zahl der (entdeckten) Fälle sei "weiter ansteigend", sagte Hegwein, was auch auf "mehr aktive Recherche in diesem Bereich" zurückzuführen sei. Immerhin: Die Aufklärungsquote in diesem Bereich stieg auf stolze 93,8 Prozent.

Überhaupt glänzt der Landkreis traditionell mit einer hohen Rate aufgeklärter Straftaten: 76,4 Prozent waren es 2019, noch einmal 0,7 Prozentpunkte mehr als 2018; allerdings auch knapp 5 Prozent unter dem "Wahnsinns-Spitzenwert" von 81,1 Prozent des Jahres 2017.

Aber auch mit dem Wert des vergangenen Jahres lagen die Altmühlfranken wieder deutlich über dem landesweiten (65,0) und dem für Mittelfranken (68,4 Prozent). Und ließen mit ihrem "bayernweiten Spitzenplatz" (Hegwein) auch ihre Kollegen aus der Stadt Ansbach (72,6), dem Landkreis Ansbach (67,7) und dem Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim (71,5 Prozent) klar hinter sich.

Dankbar für Hinweise

Immer mehr Sexualdelikte in Weißenburg-Gunzenhausen

© Markus Steiner

Das sei freilich, räumte Hegwein ein, keineswegs allein ein Verdienst der Polizei. "Wir als Polizei sind darauf angewiesen, dass wir – etwa bei Einbrüchen – Hinweise der Bürger bekommen." Er sei "dankbar", dass in der Region "die Anonymität nicht vorherrscht, sondern man noch auf seinen Nachbarn achtet".

Ein in der Statistik sichtbares Resultat dieses Verhaltens: 2019 gab es insgesamt nur elf Wohnungseinbrüche (2018: zehn), bei sieben davon blieb es beim Versuch, lediglich viermal gelangten die Täter an ihr Ziel. Eine "sehr erfreuliche" Entwicklung, nannte das Hegwein, der aber auch einräumen musste, dass es nur in einem Fall gelang, die Straftat aufzuklären.

Die Zahl der politisch motivierten Delikte nahm binnen Jahresfrist leicht von 15 auf 21 zu – in den drei Jahren zuvor waren es allerdings noch zwischen 26 und 36 gewesen. Die Bedrohung von links spielt dabei kaum noch eine Rolle (zwei Fälle), zwölf Delikte (zumeist Hakenkreuz-Schmierereien und ähnliches) gingen auf das Konto rechter Täter, weitere sieben wurden von ebenfalls dem rechten Spektrum zuzuordnenden "Reichsbürgern" begangen.

Von diesen Individuen, die die Existenz der Bundesrepublik als Staat nicht anerkennen, gibt es laut Statistik 25 im Landkreis. Damit ist ihre Zahl rückläufig, da der eine oder andere nach erneuten Überprüfungen "ausgestuft" wurde, so Hegwein. Beruhigend nach den Todesschüssen von Georgensgmünd, die ein "Reichsbürger" im Herbst 2016 auf einen Polizisten abgegeben hatte: Keiner der hier lebenden Verschwörungstheoretiker besitzt noch eine Waffenerlaubnis. "Da sind wir konsequent", sagte Landrat Wägemann.

Satte 78 Prozent der Tatverdächtigen sind übrigens männlich, Jugendliche dabei mit einem Anteil von 20,4 Prozent "etwas überrepräsentiert, aber nicht auffällig abweichend", sagte Hegwein. Nichtdeutsche tauchen in dieser Statistik mit einem Anteil von 25,3 Prozent auf – bei einem Bevölkerungsanteil von lediglich 8,3 Prozent. Doch wer daraus schließen wollte, dass sie mehr Straftaten begehen als Deutsche, "würde den hier lebenden Ausländern höchst Unrecht tun", warnt Dieter Hegwein.

Die Erklärung dieser statistischen Zahlen sind vor allem Serienstraftäter aus Osteuropa, die hier auf Beutezug gehen, geschnappt werden – und so zur statistischen Größe werden. "Die hier lebenden Ausländer", betont Kripochef Hegwein noch einmal, "werden nicht häufiger straffällig als Deutsche!"

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