In Degersheim gilt: Runter vom Sofa, rein in die Laufschuhe

25.5.2017, 07:02 Uhr
In Degersheim gilt: Runter vom Sofa, rein in die Laufschuhe

© Tina Ellinger

Es ist kurz vor 18.30 Uhr, der Platz vor dem ehemaligen Schulhaus in Degersheim füllt sich mit Menschen – vom Teenager bis zum Rentner ist alles dabei. Doch eines haben sie gemeinsam: die Laufschuhe an den Füßen. "Dieses bunte Gewusel gefällt mir am besten", meint Jutta Mathes. Seit vier Jahren organisiert sie für den Kulturverein Lunkenberg die Aktion "Lauf 10!", zunächst gemeinsam mit Christoph Engelhard, jetzt mit seiner Freundin Denise Heinzelmann.

Etwa 40 Teilnehmer sind seit dem 17. April mit von der Partie, die meisten von ihnen sind "Wiederholungstäter" aus Überzeugung. Wie Gerhard Luff, der sich mit knapp 64 Jahren von seiner Frau überzeugen ließ, für Sport "doch Zeit zu haben". Sein Fazit nach vier Jahren spricht Bände: "Das war das Beste, was ich je gemacht habe." Seine Bilanz kann sich in der Tat sehen lassen: Er achtete auf seine Ernährung, verzichtete auf Alkohol und machte dreimal in der Woche Sport. Am Ende wog er zehn Kilogramm weniger und schaffte nicht nur den Zehnkilometerlauf in Wolnzach, sondern ging ein paar Wochen später bei einem Halbmarathon an den Start. "Ich fühle mich pudelwohl", erzählt der frühere Lehrer, der seither zwei- bis dreimal die Woche in die Laufklamotten schlüpft und eine feste Größe ist, wenn in Degersheim das Training beginnt.

Dreimal die Woche ist das ehemalige Schulhaus in der Dorfmitte dann Start und Ziel für die Läufer aus Auernheim, Rohrach, Wolfsbronn, Meinheim, Heidenheim, Hechlingen und Degersheim selbst. Gelaufen wird übrigens immer, selbst bei Schnee oder Gewitter, die "Lunkenberger" sind keine Schönwetterläufer.

Ohne Druck und Zwang

Nach gemeinsamen Aufwärmübungen geht es in verschiedenen Gruppen auf die Strecke: es gibt die Walker, die Trippler, langsame, mittlere und schnelle Jogger, erklärt Jutta Mathes und ist sich sicher: "Wir haben für jeden die passende Laufgruppe". Je nach Tagesform kann man auch problemlos zwischen den Gruppen wechseln. Die Etappen steigern sich im Laufe der Wochen von zehn auf schließlich 90 Minuten. Der "Lauf 10"-Trainingsplan sieht außerdem auch für die Tage außerhalb der Treffen eine Fitnesseinheit vor, die dann jeder für sich absolviert.

"Es geht aber nicht um den Leistungsgedanken, sondern darum, dass die Leute sich bewegen und den Sport in ihren Tagesablauf integrieren", erläutert Denise Heinzelmann das Konzept. "Es gibt keinen Druck oder Zwang, mithalten zu müssen. Jeder läuft so, wie er kann", bestätigt Thomas Eschenbacher, der zusammen mit seiner Frau Bruni und Tochter Marie zu den Neueinsteigern bei den Walkern zählt.

In Degersheim gilt: Runter vom Sofa, rein in die Laufschuhe

© Tina Ellinger

Bis vor kurzem radelte der Meinheimer täglich nach Weißenburg zur Arbeit, durch einen beruflichen Wechsel nach Ansbach wurde er zum Bahnfahrer. "Jetzt fehlt mir die Bewegung", meint er und schätzt die festen Termine in Degersheim, die einem einen gewissen Rhythmus vorgeben. Ein dickes Lob spricht er auch der guten Atmosphäre und den "Vorturnern" aus, die das Aufwärmen sowie die Dehn- und Kraftübungen nach dem Laufen anleiten. "Jeder macht es anders und jeder macht es gut." Auch wenn sie wegen ihres Berufs nicht bei allen Treffen mit dabei sein kann, steht für Bruni Eschenbacher fest: "Das Walken ist ein toller Ausgleich zum Job."

Während sie und ihr Mann nun regelmäßig zu den Walking-Stecken greifen, hat sich Tochter Marie unter die Jogger gemischt. Einfach ein bisschen sportlicher und nach einer Fuß-OP wieder fitter werden, war die Motivation der 15-Jährigen, die — da ist sie sich mit ihren Eltern einig — 2018 auf jeden Fall wieder mit dabei sein wird. Mit nach Degersheim gebracht und zum Mitmachen animiert hat sie ihre Freundin Magdalena Zäh, die ebenfalls eine sehr positive Halbzeitbilanz zieht: "Es macht voll Spaß."

Spaß in der Gruppe

Das kann die nächste junge Meinheimerin im Bunde, Maike Schöner, nur bestätigen. Hatte sie im vergangenen Jahr Probleme mit der Wade, klappt es heuer beim zweiten Anlauf richtig gut. "Die anderen ziehen einen mit: Den Berg schaff ich noch!" Bei den mittleren Joggern an ihrer Seite ist ihre Mutter Nadine, die unumwunden zugibt: "Ich bin laufsüchtig." Angefangen hat sie 2016 und "heute freue ich mich, wenn keiner mit dem Hund gehen will", erzählt sie schmunzelnd. "Das ist meine Zeit zum Kraft sammeln und zum Gedanken sortieren."

Meistens eine Einzelkämpferin in der Runde der schnellsten Läufer ist Anita Scherer aus Degersheim, die durch die Aktion vor vier Jahren erst zum Laufen gekommen ist. "Wir wurden von Anfang an super motiviert", lobt die 39-Jährige die Initiatoren und gibt zu bedenken, dass es nicht immer einfach ist, die drei Termine in der Woche einzuhalten.

Das weiß auch Jutta Mathes, die neben ihrer Arbeit auch noch eine Familie mit zwei Kindern managt. "Aber ich bin von dem Konzept total überzeugt, deshalb nehme ich mir die Zeit", betont die 46-Jährige. "Jeder kann mitmachen, jeder kann kommen, wie er ist. Und bis jetzt hat wirklich jeder die zehn Kilometer geschafft — auch wenn sie das vorher nicht glauben wollen." Und sie kann auf Unterstützung zählen, sei es von Denise Heinzelmann oder auch von Anneliese König, die sich von Anfang an der Walking-Gruppe annahm. Vor Jahren hat sie einmal einen entsprechenden Kurs über die Krankenkasse absolviert, dann aber nicht weitergemacht. Erst durch "Lauf 10!" kam 2014 wieder Bewegung in die Sache. "Da war das ganze Dorf motiviert", erinnert sich die 63-Jährige, die ihre Freude vor allem an der Gemeinschaft hat. "Das Miteinander – das ist das Schöne."

Das gilt übrigens nicht nur während der Aktion "Lauf 10!", auch sonst sind die "Lunkenberger" ein lauffreudiges Völkchen, das bei sämtlichen Läufen in der Region an den Start geht. Und eines ist auch klar: die sogenannte "Wand von Wolnzach" beim Abschlusstreffen am Freitag, 30. Juni, ist nach dem "Höhentraining" in Degersheim ein Klacks!

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