Landwirtschaft: Marketing ist totales Brachland

15.12.2016, 18:02 Uhr
Landwirtschaft: Marketing ist totales Brachland

© Foto: ;Martin Lettenmeier

Der Verband für landwirtschaftliche Fachbildung (VlF) Gunzenhausen-Weißenburg hatte die überregional bekannte Landwirtin eingeladen. „Bauern am Pranger. Raus aus der Opferrolle!“ nannte sie ihr über zweistündiges Humor-Seminar. Es war eine einzigartige kabarettistische Infotainment-Show. Die Landwirte durften über sich selbst lachen und gleichzeitig etwas über sich und ihre Zukunft lernen.

Dass Elke Pelz-Thaller der Applaus zuflog, hat damit zu tun, dass sie selbst vom Fach ist. Sie bewirtschaftet mit ihrem Mann einen 50-Hektar-Betrieb am Rande der Hallertau südlich von Ingolstadt. Die gelernte Gesundheitspädagogin, die viel auf der Welt herumgekommen ist, hat sich als Mental- und Persönlichkeitstrainerin ausbilden lassen und versucht nun in Seminaren, ihren Zuhörern zu zeigen, wie sie mit der kritische Situation, in der die Erzeuger von Agrarprodukten stecken, umgehen können.

Ungeheure Arbeitsleistung

Die Lage in vielen Bereichen der traditionellen Landwirtschaft ist dramatisch: Die Erlöse sinken, und gleichzeitig liegt das Image der Landwirtschaft am Boden. „Wir werden als Umweltverschmutzer beschimpft und für fast jedes Problem auf der Erde verantwortlich gemacht“, klagte, Elke Pelz-Thaller. Gleichzeitig arbeiten viele Bauern in den Sommermonaten täglich 14 Stunden und mehr. Trotz dieser ungeheuren Arbeitsleistung und -belastung erleben die Bauern keine Wertschätzung ihrer Waren über den Preis. Sie haben infolgedessen kein Selbstbewusstsein. Und was noch schlimmer ist: sie jammern ohne Ende.

Ein abgewandelter Satz von Albert Einstein bringt für die Mentaltrainerin die heutige Situation vieler Betriebe auf den Punkt: „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, täglich das Gleiche zu tun, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“

Sind die Bauern „wahnsinnig“? Im Moment produzieren viele Betriebe Massenware und machen sich keine Gedanken über das Marketing. „Wir haben die eigene Darstellung, Werbung und Kommunikation komplett verpennt“, schrie die Reichartshoferin in den Saal. Es fehle in der Ausbildung der Landwirte und Bäuerinnen das Fach Verkaufspsychologie und Marketing. „Wenn wir das nicht lernen, werden wir in der illustren Runde in zehn Jahren nicht mehr zusammenkommen“, prophezeite die Referentin und Bäuerin und erntete Kopfnicken.

Hofverkauf bringt mehr

Stichwort Selbstvermarktung: Auf dem Betrieb von Elke Pelz-Thaller und ihrer Familie wurden früher zehn Hektar Kartoffeln angebaut. Heute pflanzen sie nur noch zwei Hektar, und alles wird selbst ab Hof verkauft, was mehr bringt als die Kartoffeln von zehn Hektar für die Fabrik. Außerdem halten sie extensiv Schottische Hochlandrinder. Kunden aus Nürnberg, Ingolstadt und München fahren nach Reichartshofen, um das hochwertige Rindfleisch zu kaufen.

Wer die Verantwortung für die Vermarktung der eigenen Waren abgibt, verliere Handlungsspielräume und Macht, betonte Elke Pelz-Thaller. „Wir müssen raus aus der Opferrolle“, forderte die Bäuerin ihre Standesgenossen auf. Sie seien alle gut ausgebildet, flexibel und könnten Verantwortung für Tier, Landschaft und Gesellschaft übernehmen. Der weltweit gute Ruf der Agrarprodukte liege eben auch an den Auflagen der Landwirtschaft. Diese müssten offen kommuniziert werden, und es dürfe nicht darüber gejammert werden.

Lustige Selbstversuche

Ein Schwerpunkt des Abends war die Kommunikation und der Aufbau einer mentalen Stärke. Hier liegt das eigentliche Arbeitsfeld der Mentaltrainerin. In lustigen und gleichzeitig ernsthaften Selbstversuchen mit den Besuchern führt sie vor, wie die Landwirte sich selbst helfen können und sollen. Sie zeigte ihnen, wie sie sich täglich „positiv einstellen können“. Diese positive Einstellung zum Gegenüber, auch wenn er der schärfste Kritiker ist, sei die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kommunikation, betonte die Bäuerin aus der Hallertau.

Leider blieb nach dem zweieinhalbstündigen Vortrag, der wie im Flug verging, keine Zeit für eine ausführliche Diskussion. Vielleicht wäre die Frage gestellt worden, wie die Mentalbäuerin große strukturelle Probleme im Agrarbereich und in manchen landwirtschaftlichen Betrieben angehen würde oder wie jeder Bauernhof seine Nische und seine Selbstvermarktung organisieren kann.

Viele Zuhörer nahmen von dem informativen und lustigen Abend eine Botschaft mit: Mentale Stärke, Selbstbewusstsein und gute Kommunikation sind heute unverzichtbar. Damit halten die Bauern Angriffe als „Umweltverschmutzer“ auf jeden Fall besser aus und sind in der Diskussion mit den Familie und den Nachbarn gewappnet.

 

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