Laubenzedel: Brandschutz wird großgeschrieben

5.12.2012, 16:16 Uhr
Laubenzedel: Brandschutz wird großgeschrieben

© Marianne Natalis

So ein schreckliches Unglück wie in Titisee-Neustadt, wo vergangene Woche 14 Menschen in einer Werkstatt für Behinderte bei einem Brand ihr Leben ließen, hält Werkstattleiter Friedrich Burkhard in Laubenzedel für nicht möglich. Natürlich wurden auch in Titisee-Neustadt alle Brandschutzbestimmungen eingehalten, doch Laubenzedel hat einen großen Vorteil: Alle Räume sind ebenerdig und haben einen eigenen Zugang nach draußen. Deshalb kann das Gebäude blitzschnell evakuiert werden, wie entsprechende Übungen, die zweimal im Jahr stattfinden, immer wieder zeigen. „Die Hütte ist innerhalb von drei Minuten leer“, erläutert Burkhard im Gespräch.

In den sieben Arbeitsgruppen ist immer eine Fachkraft vor Ort, die im Notfall auch den Überblick hat. Zusätzlich gibt es einen genauen Plan, wer sich dann um die Rollstuhlfahrer kümmert, hier wird das Personal aus der Küche und den Büros mit hinzugezogen.

Natürlich ist man gegen Unfälle nie gefeit; um solche allerdings zu vermeiden, wird in Laubenzedel – wie in allen anderen Werkstätten der Diakonie Neuendettelsau auch – alles Menschenmögliche getan. So findet beispielsweise dreimal im Jahr eine Begehung mit dem Betriebsarzt und einer externen Fachkraft für Arbeitssicherheit statt, viermal im Jahr tagt der Arbeitssicherheitsausschuss zusammen mit der Polsinger Einrichtung, von der die Laubenzedler Werkstatt eine Außenstelle ist. In der Werkstatt gibt es einen eigenen Sicherheitsbeauftragten, und von den beschäftigten Behinderten haben zwei eine entsprechende Zusatzausbildung absolviert. Schließlich werden auch die Brandschutzmelder einmal im Jahr auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft.

Aus den kleinen Anfängen in Gunzenhausen, als die Lebenshilfe in den 70er-Jahren eine Werkstatt für Behinderte gründete, ist mittlerweile eine stattliche Einrichtung geworden, die von der Diakonie Neuendettelsau betreut wird. Das wäre ehrenamtlich gar nicht mehr möglich, weiß Burkhard, der, wie auch mancher seiner Schützlinge, von Anfang an dabei ist. Menschen mit Behinderungen haben einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz ineiner Werkstatt wie in Laubenzedel. Deshalb finden dort Jahr für Jahr mehr Behinderte eine Beschäftigung.

Längst reicht der Raum im vorhandenen Gebäude nicht mehr aus, mit einem Container im Hof wurde hier eine provisorische Lösung gefunden, die auch den Sicherheitsanforderungen entspricht. Doch nun hat Burkhard vor Kurzem gute Nachrichten erhalten. Für den Erweiterungsbau stehen seitens des Trägers der Einrichtung alle Ampeln auf Grün, auch die notwendigen Grundstücke wurden bereits gekauft. Im hinteren Bereich der bestehenden Werkstätte sollen ab dem kommenden Jahr 45 weitere Arbeitsplätze entstehen. Der Bauantrag wurde bereits bei der Stadt eingereicht.

Für die Menschen mit Behinderung ist ihr Arbeitsplatz, erläutern Burkhard und Sozialpädagogin Gerlinde Winter vom Sozialdienst, weit mehr als eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Auch die Sozialkontakte spielen eine wichtige Rolle. Die Menschen erhalten hier eine „Tagesstruktur“, so Winter. So gibt es auch eine Arbeitsgruppe, wo weniger die Produktion als vielmehr die Pflege im Vordergrund steht. Denn „wir sind für den ganzen Menschen da“, formuliert es Burkhard.

Deshalb gibt es mit Gerlinde Winter auch einen Sozialdienst im Haus. Sie hilft bei organisatorischen Fragen ebenso weiter wie sie die arbeitsbegleitenden Maßnahmen betreut. Diese Kurse sind als Ausgleich zur Arbeit gedacht und reichen von Nordic Walking oder Fitness bis hin zu Lesen, Schreiben und Trommeln. Die Boccia-Gruppe beispielsweise nimmt regelmäßig an den Special Olympics teil. Über die Diakonie Neuendettelsau können zudem zahlreiche Dienste in Anspruch genommen werden.

Doch daneben „müssen wir auch produzieren“, hebt der Werkstattleiter hervor. Wie jedes andere Unternehmen muss die Einrichtung Termine einhalten und zur Zufriedenheit der Kunden arbeiten. Die Nördlinger Firma Fujitsu will den Beipack zu den Laptops (hier werden Kabel und Beschreibungen eingetütet) genauso pünktlich geliefert bekommen, wie Schwan Stabilo die eingepackten Textmarker oder das Gunzenhäuser Werk von INA-Schaeffler die Federbeinlagerscheiben. Bosch gehört ebenso zu den Auftraggebern wie Pressmetall Gunzenhausen, Hering oder das Schwabacher Unternehmen Deutsche Technoplast. Für Valeo aus Nördlingen werden Wandler verpackt, für Jost aus Wolframs-Eschenbach Lkw-Teile montiert.

Burkhard muss immer wieder die Gratwanderung bestehen, auf der einen Seite genügend Aufträge zu akquirieren, damit die Beschäftigten ausgelastet sind. Andererseits darf er auch nicht zu viel Arbeit an Land ziehen, denn der Werkstattleiter kann sich nicht mit Leiharbeitern aushelfen. Zur Not müssen auch mal Sonderschichten gefahren werden, aber das geht nur in einem gewissen Rahmen.

Um 7.30 Uhr geht der Betrieb in der Laubenzedler Werkstatt los, die Arbeitszeit der Behinderten ist von 8 bis 16 Uhr, wobei eine Stunde Mittagszeit und zweimal 15 Minuten Pause beinhaltet sind. Selbstverständlich haben die Beschäftigten auch Anspruch auf Urlaub, aber da muss Burkhard manchmal ein bisschen drängen, damit der auch genommen wird. Denn der Großteil der Mitarbeiter kommt laut Winter „sehr gerne“ auf die Arbeit, Urlaub wird da fast schon als Strafe, weil Ausschluss vom sozialen Leben, angesehen.

Ganz normal bis zum Alter von 65 Jahren ist die Lebensarbeitszeit auch für Menschen mit Behinderung festgelegt. Doch auch hier kommt das gleiche Problem wie mit dem Urlaub zum Tragen: Nicht alle wollen in den Ruhestand gehen. So arbeiten derzeit noch zwei Rentner in Laubenzedel.

Hier fehlen weiterführende Angebote, doch von der Diakonie ist bereits Abhilfe geplant. In der Spitalstraße in Gunzenhausen sollen ein Wohnheim und Räume für tagesstrukturierende Maßnahmen entstehen. Dort könnten dann unter anderem behinderte Senioren tagsüber betreut werden.

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