Ausverkauftes Haus

Michl Müller in Gunzenhausen: Gut gelaunt, aber manchmal zu ausschweifend

18.10.2021, 06:01 Uhr
 Er sang, er persiflierte gestenreich, er schonte nicht sein Publikum: Michl Müller verstand es mühelos, drei Stunden zu unterhalten.

© Reinhard Krüger, NN  Er sang, er persiflierte gestenreich, er schonte nicht sein Publikum: Michl Müller verstand es mühelos, drei Stunden zu unterhalten.

Er ist das menschgewordene Energiebündel schlechthin. Drei Stunden flitzte der kleine Mann mit einer unglaublichen Kraft über die Bühne der Stadthalle, Gesangs- und Tanzeinlagen inklusive. Michl Müller, der Comedian aus dem unterfränkischen Garitz bei Bad Kissingen, ist seit Veitshöchheim und vielen Fernsehauftritten längst über die Grenzen Frankens bekannt.


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Obwohl der selbst ernannte "Dreggsagg" inzwischen mühelos große Hallen füllt, kommt er besonders gern in die heimische Provinz. Hier ist er aufgewachsen, hier hat er seine Karriere begonnen, hier genießt er die Nähe zum Publikum, und hier erkennt er seine treuen Fans. Und das Wichtigste: Hier versteht jeder seinen Dialekt. So war das auch bei seinem Auftritt am Samstag in Gunzenhausen.

"Ausverkaufte Stadthalle" verkündete der Security-Mann am Eingang. Man musste schon zweimal hinschauen, um den völlig ungewohnten Blick in die brechend volle Halle auf sich wirken zu lassen. Auch wenn die Lautsprecher-Durchsagen unmissverständlich auf die permanente Maskenpflicht während der gesamten Veranstaltung hinwiesen, tat das der erwartungsvollen Stimmung im Saal keinen Abbruch.

"Hallo Gunzenhausen"

"Hallo Gunzenhausen", schrie der 49-Jährige ins Mikrofon, und schon ging es los mit seinem neuesten Programm "Verrückt nach Müller". Er weiß, wie man ein Publikum führt, er ereiferte sich über Belanglosigkeiten und aktuelle Geschehnisse. Erzählte, wie er die erste Maske aus einer alten Schießer-"Unnerhös" geschnitten hat – und hatte damit schnell sein erstes Thema gefunden: die Pandemie.

Videokonferenzen erinnerten ihn an Allerheiligen auf dem Friedhof, "da verreckt der Lautsprecher a immer. Scheiß Bild, scheiß Ton, so isses, dazu das obligatorische Homeschooling der Kinder". Die politisch Verantwortlichen bekamen naturgemäß auch die volle Breitseite ab – wie Michael Piazolo. Der Nachname des bayerischen Kultusministers stamme aus dem Italienischen und bedeute übersetzt: arme Sau. Und die Bundesministerin Anja Karliczek agiere so unauffällig wie ein Popel an der Raufasertapete. Der Saal johlte.

Wenn Michl Müller auf der Bühne steht, braucht er keine große Inszenierung. Nur bei seinen schrägen Liedern bedient er sich der Nebelmaschinen und Lichteffekte. Er kündigte sie groß an, versprach Schnulze, Schlager und Herzschmerz – und haute dann diesen Satz raus: "Bist immer für mich da, bist mir ganz nah – du bist mei Unnerhos." Die entsprechenden "Feinripp-Liebestöter" segelten parallel die Videoleinwände nach unten. Brüllender Applaus war der verdiente Lohn. "Schießer-Feinripp, ohne dich kann ich nicht sein, nur mit dir fühl ich mich fit", das kam an.

Risiko erste Reihe

Wer sich in die erste Reihe setzt, muss wissen, was ihm oder ihr blühen könnte. Michl Müller suchte sich genüsslich seine Opfer aus. Richard und Gertrud aus Roth hießen die beiden, und Müller führte sie vor: "Ihr könnt ein Volksmusik-Duo machen: Richard und Gertrud, das klingt gut. Besonders dann, wenn er in der Küche steht und seinen Thermomix anwirft. Apfelmus zum Beispiel." Diese Küchenmaschine habe es ihm angetan, und er sprach von drei Religionen: evangelisch, katholisch und Thermomix – "die glauben auch alles, was der ihnen verspricht".


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Mühelos sprang er von Thema zu Thema, plauderte über Wellensittich Hansi, den Eisflutsch-Finger und die Zeiten von früher, also die vor 1990: "Als wir noch richtig Fahrrad fuhren und Fangen spielten und das Holzspielzeug aus China bedenkenlos ablutschten. Es war nicht alles besser, aber wir waren zufrieden." Dass Comedian-Kollegin Monika Gruber in ihren Programm auch die früheren Zeiten auf ähnliche Weise glorifiziert – geschenkt. Das Publikum verzieh es dem Künstler.

Müller widmete sich dann allerdings einem Thema, das zunehmend zäh wie Brei wurde: sein Hausumbau. In sämtlichen Einzelheiten wurde – natürlich komisch und dadurch lustig – erklärt, was er mit seinem Elternhaus alles machen wollte und wie und wer ihn dabei unterstützen sollte. Anfangs wurde noch herzlich gelacht, doch es wurde zunehmend stiller im Saal. Als er nach fast eineinhalb Stunden zur Pause bat, wurde es danach leider nicht besser. Er machte beim Hausumbau einfach weiter. Schade, denn eine so erfahrene "Rampensau" wie Müller müsste wissen, wann der Bogen überspannt ist.

"Der Hausumbau war eindeutig zu lang"

Vier Schulfreundinnen von früher, die im Publikum saßen, waren sich in ihrem Urteil einig: Wir haben sehr wenig in letzter Zeit gelacht und haben uns deshalb auf diesen Abend gefreut. "Es war toll, aber der Hausumbau war eindeutig zu lang", sagte eine 70-Jährige. Eine gefühlte Ewigkeit schwadronierte er über Mörtel, Dübel und Bosch-Hammer.

Deutlich lustiger wurde es immer dann, wenn er gestenreich die größeren und kleineren Schwächen seiner Mitmenschen näher untersuchte. Etwa als er die beiden Geschlechter bei ein und demselben Vorgang verglich: dem Wasserlassen. Oder was Männer denken, wenn sie sagen, sie gehen schwimmen: "Der muss brunzen." Manchmal derb, aber nie unter der Gürtellinie gestaltete Müller sein Programm.

"Egal, was passiert, lasst euch nicht verrückt machen. Seid lieber selber verrückt. Am liebsten nach Müller", lautete sein guter Rat am Schluss an das Publikum, und er ging erst nach einigen erklatschten Zugaben von der Bühne.

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