Missbrauch im Yachtclub: Kripo ermittelt weiter

9.6.2020, 16:03 Uhr
Missbrauch im Yachtclub: Kripo ermittelt weiter

© Jim Albright/Fränkische Landeszeitung

Rückblick: Eine Strafanzeige hatte den Fall ins Rollen gebracht. Am 27. Mai nahm die Polizei einen 56-jährigen Mann fest, der über zwei Jahrzehnte lang als Jugendleiter beim Yachtclub Gunzenhausen-Ansbach (YCGA), der sein Domizil am Altmühlsee hat, tätig war (wir berichteten). Der Vorwurf: Über Jahre hinweg soll der Mann, der in Nürnberg lebte, Jungen zwischen elf und 17 Jahren sexuell missbraucht haben. Die Ermittler gehen derzeit noch von mindestens 30 Opfern aus.

Gut eine Woche lang saß der Mann in der Ansbacher Justizvollzugsanstalt in Untersuchungshaft, bei den Vernehmungen bestritt er die Vorwürfe nicht, sondern zog es vor zu schweigen. Am Morgen des 4. Juni wurde er tot in seiner Zelle entdeckt, die Obduktion ergab, dass er sich mit seinem Gürtel erhängt hatte.

Auf die Frage, warum der Beschuldigte diesen Gürtel mit in die Zelle nehmen durfte, verwies Schrotberger darauf, dass das ein "übliches Vorgehen" sei: "Wenn ein Untersuchungshäftling nicht suizidal erscheint, wird ihm die Kleidung belassen." Anfangs sei er zwar "besonders überwacht worden", habe sich aber "ganz normal" verhalten.


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Nach mehreren Gesprächen und auch bei der Haftvorführung (Schrotberger: "Eine Extremsituation für jeden Häftling.") sei aber nichts Besonderes aufgefallen. Die Entscheidung, ob einem JVA-Insassen Gürtel oder auch Schnürsenkel abgenommen werden, träfen die Mitarbeiter im Gefängnis: "Die haben den besseren Eindruck von der jeweiligen Person", so Schrotberger.

Trotz des Suizids des mutmaßlichen Täters klappen die Ermittler die Akte nun nicht zu, wie Justiz-Sprecher Schrotberger betont, sondern werden mit allen bislang bekannten Opfern sprechen. Man müsse wissen, wann die Taten passiert seien, ob es noch mehr Betroffene gebe und vor allem, "ob jemand davon gewusst hatte und den Beschuldigten trotzdem hat weitermachen lassen".

Für diese unterlassene Hilfeleistung gebe es zwar derzeit "keine Anhaltspunkte, aber es muss weiter untersucht werden". Denn: Wenn ein Sexualtäter über Jahrzehnte hinweg seine Verbrechen begehe, müsse man kein Jurist sein, um zu bezweifeln, dass niemand von diesem Treiben etwas mitbekommen haben will: "Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand, dass man da noch mal nachschauen muss."

Schrotberger räumt ein, dass diese Befragungen womöglich bei den – inzwischen wohl meist erwachsenen – Opfern und deren Eltern "neue Verletzungen erzeugen können". Aber er sagt auch: "Viele Opfer tragen solche Taten ganz tief in sich mit herum. Vielleicht ist es sogar gut, wenn das aufgebrochen wird."

Auch Mitglieder des Yachtclubs will die Kripo noch befragen. Sie will herausfinden, ob tatsächlich niemand in all den Jahren, in denen der Jugendleiter dort tätig war, etwas von seinem üblen Treiben bemerkt hat. Eine offizielle Stellungnahme des YCAG gibt es nicht, die Website des Vereins wurde vom Netz genommen, für Nachfragen des Altmühl-Boten war der Verein gestern auf mehreren Telefonnummern nicht erreichbar.

Eventuelle weitere Opfer des beschuldigten Jugendleiters werden gebeten, sich beim Kriminaldauerdienst, Telefon 0911/ 2112-3333, zu melden.


Anmerkung der Redaktion: Generell berichten wir nicht über Selbsttötungen und Suizidversuche, außer sie erfahren durch die gegebenen Umstände besondere Aufmerksamkeit. Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800/ 1110111 oder 0800/1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.