Ortstermin mit Politikern

Mückenplage: Windsfelder und Quälgeister überzeugten

1.8.2021, 17:19 Uhr
Zahlreiche Windsfelder waren zum Ortstermin gekommen. Es war warm, feucht vom Regen, und die Schnaken waren sehr aktiv.

© Foto: Wolfgang Dressler Zahlreiche Windsfelder waren zum Ortstermin gekommen. Es war warm, feucht vom Regen, und die Schnaken waren sehr aktiv.

60 Minuten Zeiten hatten Bürgermeister Günter Ströbel, Landtagsabgeordneter Alfons Brandl und Bezirksrat Hans Popp mitgebracht, als sie am Mittwoch Windsfeld besuchten. Bundestagsabgeordneter Artur Auernhammer hatte einen noch volleren Terminkalender und nur 30 Minuten Zeit. Die ganze beziehungsweise halbe Stunde genügte aber vollauf zu der Erkenntnis: Das Schnakenproblem in dem idyllisch an der Altmühl gelegenen Dorf ist immens.

Brandl, der in Herrieden zuhause ist, wohnt selbst nur 200 Meter von der Altmühl entfernt. Wie wohl jeder am mittleren Flussabschnitt weiß auch er in diesem Sommer von einer Häufung von Stechmücken zu berichten. Aber Windsfeld spielt da zum Leidwesen der Bevölkerung in einer ganz anderen Liga. Bei dem kurzen Spaziergang am östlichen Dorfrand waren die Plagegeister sehr aktiv.

"Einfach ekelhaft", meinte Brandl. Die Windsfelder konnten ihn beruhigen: Das sei noch gar nichts, in vielen Stunden werde man noch viel mehr gestochen. Die Mücken seien vom frühen Morgen bis in den späten Abend aktiv. Die Plage führe so zu einem Verlust an Lebensqualität. Und dieses Ärgernis könne so manchen jungen Menschen davon abhalten, sich auf Dauer in Windsfeld niederzulassen.

Erhebliche Erschwernisse für Bürger und Gäste

Die Grenzen des Erträglichen seien längst überschritten, stellte Marion Mayer-Guthmann fest. Sie ist die Initiatorin eines Bürgerbriefs, in dem die Bevölkerung mit Unterschriften Politik und Behörden um Unterstützung bittet. Bei dieser traurigen Zustandsbeschreibung denkt Mayer-Guthmann auch an den Tourismus. Die Zimmervermietung Lüdke und der "Moarhof" seien täglich mit den Klagen ihrer Gäste konfrontiert, so mancher reise früher ab, eine Außenbewirtung sei "schier unmöglich".

Die Dörfler sind genervt, um es milde auszudrücken, weil sie seit nunmehr fünf Jahren erleben, dass die Zahl der Stechmücken zunimmt. Diese sind zum Dauerproblem geworden, und zwar von Mai bis in den Oktober hinein. Dabei liegt der Ort so wunderbar eingefügt in seine Umgebung. Auf den ersten, zweiten und dritten Blick kann das Golddorf in jeder Hinsicht überzeugen und gefallen.

Wer aber hier wohnt und jeden Tag die Schnaken um sich herum hat, der sieht den Ort mit anderen Augen, geht nicht mehr spazieren und ist froh, wenn die Gartenarbeit schnell erledigt ist. Ein Bürger: "Ich gehe raus, und der ganze Hof singt." Der Ortstermin sollte dazu dienen, den CSU-Vertretern das ganze Ausmaß vor Augen zu führen, und dieses Ziel wurde mehr als erreicht.

Ein Problem ist in Windsfeld die Straßenentwässerung. Das Regenwasser landet in offenen Gräben nicht weit entfernt von der Wohnbebauung. Dort steht es lange. Und ist der Graben gerade ausgetrocknet, fällt der nächste Niederschlag. Auch die vielen Hecken und Bäume spielen eine Rolle für das Übermaß an Schnaken, schilderte Elfried Riehl. Er sieht Fehler im Entwässerungsystem. Die Durchläufe seien zum Großteil zugewachsen und teilweise verstopft. Die dichte Bewachsung und unzureichende Pflege verhinderten eine baldige Verdunstung. "So entwickeln sich optimale Bedingungen für Brutstätten."

Larven überleben Jahrzehnte der Trockenheit

Man wisse, dass die Gegend bretteben sei, trotzdem könne und solle für eine schnellere Entwässerung Richtung Altmühl gesorgt werden. Und eine Verrohrung von Gräben im direkten Umfeld des Dorfes könne das Problem mildern, weil sich die Brutstätten dann weiter weg von den Wohnhäusern befänden.

Marion Mayer-Guthmann wies auch auf die wiederkehrenden Überschwemmungen in regenreichen Jahren hin. Das Wasser stehe nicht nur in den Gräben, sondern auch in den Feldern, was für die Larven, die Jahrzehnte in Trockenheit überleben könnten, ideale Bedingungen zur Vermehrung biete. Eine Massenvermehrung setze ein. Genau darüber wurde 2018 mit regionalen Behörden gesprochen, doch zu konkreten Maßnahmen kam es nicht.

Windsfeld zeichnet sich wie gesagt durch eine wunderbare Eingrünung aus. Um das Dorf herum gibt es viele geschützte Bereich von hohem ökologischem Wert. Das weiß man auch im Landratsamt (Untere Naturschutzbehörde/UNB). Der Gemeinde sind, wenn es hier um "technische" Eingriffe an oder in Biotopen geht, weitgehend die Hände gebunden, weiß Bürgermeister Ströbel. Und es gefällt ihm nicht besonders, wenn aus der Bevölkerung, für die die Gemeinde aktiv sein will, sofort Hinweise an die UNB gehen, wonach die Gemeinde gerade wertvolle Natur beeinträchtige alles schon vorgekommen. Das beginne, wenn Reste eines Baumes entfernt werden sollen.

Die Experten im Ministerium sollen überzeugt werden

Was also tun? Am Ende des Ortstermins war man sich einig, dass der Schlüssel im bayerischen Umweltministerium liege. Dort liefen die Zuständigkeiten von Wasserwirtschaft und Naturschutz zusammen. Dort sei auch bekannt, wie das Problem anderswo im Freistaat angegangen werde. Der Bürgermeister wusste etwa von Maßnahmen am Starnberger See.

Jedenfalls brauche man eine Art Gesamtkonzept. Darin müsse die Situation aufgezeigt, analysiert und berichtet werden, welche Orte beziehungsweise Gemeinden besonders stark betroffen seien. Das könne ja vielleicht auch für Trommetsheim und Ehlheim gelten. Und aus Unterasbach sei berichtet worden, dass auch dort die Plage schier unerträglich sei, wurde beim Ortstermin angemerkt.

Die Hoffnungen richten sich jetzt auf den anerkannten Experten Professor Dr. Norbert Becker aus Speyer. Er könnte eine Kartierung und ein Grundlagengutachten für Windsfeld und Umgebung erstellen. Bürgermeister Ströbel zeigte sich für eine Auftragsvergabe aufgeschlossen. Im weiteren Verlauf könnte man dann entscheiden, an welchen Stellschrauben zu drehen sei.

Eine gewisse Ungeduld ist spürbar

Die mittlere Altmühl könnte somit den Weg gehen, den der Verein KABS (Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage) vorgezeichnet hat. Dessen Ziel: die Schnakenplage im Bereich der Oberrheinebene unter Schonung der Umwelt mit ökologisch vertretbaren Maßnahmen eindämmen. Bei dem Windsfelder Treffen fiel der Name Bti. Es handelt sich um ein Eiweißkristall. Es lagert sich bei den Zielorganismen an Rezeptoren von Darmzellen, bringt die Zellen zum Zerplatzen. Die Stechmücken sterben.

Ob überhaupt großflächige Maßnahmen - da denkt wohl jeder an den Einsatz von Hubschraubern - in den Bereich des Möglichen und Zulässigen rücken, bleibt abzuwarten. Eine Schlüsselrolle nimmt MdL Brandl ein. Er sicherte zu, den Fachleuten im Umweltministerium den Handlungsbedarf zu verdeutlichen. Ohne ein Ja dieser Behörde sei eine Genehmigung nicht denkbar. Die Argumente und Nöte der Windsfelder hätten ihn überzeugt. Und dass so viele am Ortstermin teilnahmen, spreche für sich. Die Leute am Oberrhein hätten sich zusammengeschlossen, um Gehör zu finden. Das könnte als Vorbild dienen. Und möglicherweise kann MdB Auernhammer über das Umweltbundesamt neue Erkenntnisse beisteuern.

Gesamtkonzept, Abstimmung mit den Behörden, das klingt nach Mühlen, die sehr langsam mahlen. Ein junger Bürger merkte an, dass ihm das nicht genüge. Er meinte: "Es sollen nicht Jahre vergehen, bis was passiert." Die Windsfelder werden genau hinschauen, ob der Ortstermin tatsächlich die Politik in Bewegung setzte oder ob man die 60 Minuten in den Bereich der Wahlkampfveranstaltungen verorten muss.

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