Nach 45 Jahren Elektro Höhn in Gunzenhausen: "Mit 70 hört man auf"

26.1.2021, 06:01 Uhr
Nach 45 Jahren Elektro Höhn in Gunzenhausen:

© Foto: Jürgen Eisenbrand

45 Jahre ist das her; viereinhalb Jahrzehnte, in denen Höhn mit seinem kleinen Handwerksunternehmen, mit dem er in die Räume des elterlichen Foto-Geschäfts einzog, mehrere technische Revolutionen erlebt – und überlebt – hat. Zum Jahresende hat der Gunzenhäuser, dem man seine 70 Lebensjahre wahrlich nicht ansieht, den Phasenprüfer und die Lüsterklemme endgültig aus der Hand gelegt.

Noch sehen seine Werkstatt und sein kleines Büro in der Bahnhofstraße so richtig nach Arbeit aus: Überall liegen Kartons, Plastiktütchen und Fachbücher herum, allerlei elektronische Gerätschaften blinken, die Wände schmücken der Meisterbrief und eine stattliche Anzahl von Fortbildungsurkunden: Messtechnik, Antennentechnik, Satellitentechnik. "Ich war immer begierig darauf, die neuen Techniken zu erlernen", sagt Höhn. Und fügt schmunzelnd hinzu: "Etliche von diesen Urkunden hab’ ich auch schon weggeschmissen."


Jobs nicht mehr gefragt: Das Handwerk wirbt schon in der Kita


Sein "breites Spektrum" nennt der gebürtige Gunzenhäuser, der mit 14 Jahren seine Lehre als Elektriker begann, als einen Grund dafür, warum er sich über all die Jahre hinweg am Markt behaupten konnte. "Wer bei den neuen Techniken mitzog, der hatte die Nase vorn. Wer geistig stehen blieb, wer Innovationen ablehnte, der war irgendwann weg vom Fenster", sagt Höhn.

Die Zeit des Dorfelektrikers

Als er 1976, nach einigen Jahren in Oberbayern, in die Altmühlstadt zurückkam, habe es hier rund ein Dutzend Elektriker-Betriebe gegeben. "Fast jeder Ortsteil hatte seinen eigenen Dorfelektriker", erinnert er sich. Und stellt nicht ohne Bitterkeit fest: "Heute sind es noch drei." Deshalb täten ihm auch seine Kunden leid, denn die hätten kaum eine Möglichkeit, Ersatz zu finden.

"Der Transistor hat die Welt verändert", sagt Höhn beinahe andächtig, wenn er an die 1970er-Jahre zurückdenkt, in denen das gute alte Röhrenradio von der Halbleitertechnik verdrängt wurde. "Das hat unsere gesamten Arbeitsprozesse fundamental verändert", erinnert er sich. Schon zuvor, in den Boom-Jahren der 1960er, sei das "Elektrohandwerk ein expandierender Beruf gewesen", die Technik allerdings habe nicht viel Neues gebracht.

Aber ab Mitte der 1970er-Jahre hielt die Elektronik Einzug – und traf auf einen jungen Elektrikermeister "mit einem unheimlichen Wissensdurst", so Höhn. "Ich habe viel gebastelt", erinnert er sich. Die Messgeräte seien damals mit 6000 bis 7000 Mark "immens teuer gewesen, also habe ich sie mir selber zusammengebaut". Heute sei das kein Thema mehr, heute seien die Geräte billig, die jungen Berufskollegen kauften sie sich ganz einfach. "Wir mussten uns damals die Einzelteile zusammenschnorren und haben sie aus alten Geräten ausgebaut. Das war auch eine harte Zeit."

13 Azubis ausgebildet

Aber dank seiner Leidenschaft für die Technik, die ihn immer wieder antrieb, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben, erwarb er sich ein auch in seiner Branche nicht alltägliches Know-how – an dem er zu gern auch die 13 Azubis, die bei ihm in die Lehre gingen, hätte teilhaben lassen. "Aber da hat sich leider kein Einziger leidenschaftlich für die Elektronik interessiert", sagt Höhn beinahe traurig. "Das hat mir richtig wehgetan, die hätten viel lernen können, aber das Einzige, was die meisten interessiert hat, war, wann Feierabend ist."

In den letzten 20 Jahren, seit einer kräftigen Krise am Bau zu Beginn des Jahrtausends, hat Höhn, der vorher zumeist zwei Gesellen und zwei Azubis beschäftigt hatte, alleine gearbeitet: "Damals fingen die Baufirmen an, Subunternehmen zu Dumpingpreisen zu engagieren; das wurde dann uninteressant für uns Handwerker." Damals aus der Arbeit am Bau ausgestiegen zu sein, bezeichnet Höhn als "meine beste Entscheidung".


Feuer und Eisen: Wie ein Treuchtlinger altes Handwerk hochhält


Fortan konzentrierte er sich auf "anspruchsvollere Sachen", war über Jahrzehnte hinweg Betriebselektriker und Mädchen für alles im Gunzenhäuser Schlachthof, bei der BayWa und bei OBI. "Ich hatte viele große Kunden", sagt er, wirkt dabei aber keinesfalls aufschneiderisch, sondern eher etwas wehmütig.

Dennoch: "Strich ist Strich!", sagt Höhn, gefragt, ob er nicht auf kleiner Flamme weiterköcheln wolle, mit fester Stimme. Fast 56 Jahre im Beruf seien genug, zumal die Handwerkerknie nach dieser langen Zeit "kaputt" seien. "Früher bist du als Lehrling auf der Baustelle den ganzen Tag auf den Knien rumgerutscht", erzählt er. Und auf die zaghaft-naive Frage, ob es denn nicht sinnvoll gewesen wäre, sich ein Schaumstoffkissen unterzulegen, lächelt er fast ein wenig mitleidig und sagt: "Da hätten sie dich alle ausgelacht."

Von 40 Stunden war nie die Rede

Nein, es tue ihm jetzt gesundheitlich gut, sich auf den geschundenen Körper zu konzentrieren, ihm fehle nichts, und es falle ihm auch nicht schwer aufzuhören. Besondere Pläne habe er keine, er wolle sich lediglich etwas "Freiraum schaffen" und sich vom Beruf, der ihm viele Opfer ("die Familie leidet immer") und deutlich mehr als eine handelsübliche 40-Stunden-Woche abverlangt habe, "mental distanzieren".

"Mit 70 hört man auf", sagt der Mann, den ein plötzlicher Herztod vor acht Jahren schon um ein Haar auf dramatische Weise und endgültig dazu gezwungen hätte. "Das hat mich damals eigentlich nicht belastet", antwortet er auf eine erstaunte Nachfrage. Deswegen habe er nach seiner Reanimation damals auch nicht aufgehört, "aber irgendwann geht eben alles zu Ende".

Mit sich, seinem Berufsleben und seinem Entschluss, nach viereinhalb Jahrzehnten nun in Rente zu gehen, ist Rudolf Höhn, so scheint es, völlig im Reinen. Doch sein Berufsstand, genauer: dessen Image und dessen Nachwuchssorgen, bedrücken ihn trotzdem.

Es sei nie sein "Traumberuf" gewesen, gesteht er überraschend nach zweieinhalb Stunden Gespräch, in denen er immer wieder leuchtende Augen bekam, wenn von seiner Arbeit die Rede war. Eigentlich habe er nämlich Medizintechniker bei Siemens in München werden wollen, "aber die haben ausschließlich ihre eigenen Leute ausgebildet und übernommen".

"Elektrotechnik ist das Sprungbrett in die Zukunft"

Und heute könne er jungen Menschen seinen Beruf zwar immer noch empfehlen: "Die Elektrotechnik ist das Sprungbrett in die Zukunft", vorausgesetzt, man sei "begeistert und lerngierig". Aber obwohl die jungen Menschen heute nicht mehr schlicht "Elektriker" lernten, sondern beispielsweise "Elektroniker Fachrichtung Automatisierungstechnik" oder "Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik", leide die Branche unter einem schlechten Ruf und unter einem Strukturwandel.

Zwar seien die Löhne zuletzt etwas gestiegen, der wenig schmeichelhafte Ruf des bloßen "Strippenziehers" hafte seinen Kollegen dennoch immer noch an. Da hätten auch die neuen Berufsbezeichnungen, die in der Tat besser klängen und auch dem anspruchsvollen Job eher gerecht würden als der alte, wenig geändert.


Darum wird Corona zum Problem für handwerkliche Berufe


Hinzu komme, dass ein Elektriker, der sich selbstständig machen wolle, auf einen völlig anderen Markt treffe als er damals: Vieles, was der Kunde einst beim Elektriker kaufen musste, biete heute jeder Baumarkt an: "Die graben den Elektrikern das Wasser ab." Hinzu komme, dass die großen Hersteller von Wasch- und Spülmaschinen sowie Kühlschränken, die "Kleinen" mit "Knebelverträgen und Mindestabnahmemengen" unter Druck setzten.

Dank seines breiten Wissens und seiner vielfältigen Kenntnisse habe er das "nie mitmachen müssen", erinnert er sich und klingt selbst heute darüber irgendwie erleichtert: "Ich hab dann zum Glück zu deene soong kenner: Nou lass mers hald", sagt er grinsend. Und wirkt dabei, nach 56 Jahren im Beruf und zwei Wochen in Rente, rundum zufrieden.

Keine Kommentare