Neue Leiterin für die Fachakademie

19.10.2014, 22:00 Uhr
Neue Leiterin für die Fachakademie

© Eisenbrand

„Den Gedanken daran hatte ich schon zu Abitur­zeiten, aber ich dachte immer, sie hindert mich daran, mit anderen über Gott zu reden.“ Heute ist die 37-Jährige nicht nur seit 16 Jahren Schwester im Gemeinschafts-Diakonissen-Mutterhaus Hensoltshöhe, sondern seit Mitte September dort sogar die neue Leiterin der Fachakademie für Sozialpädagogik. Und sie hat auch schon längst realisiert: „Es geht nicht um das Textil, sondern um das, was drinsteckt.“

Schwestern in Tracht gelten bei vielen Menschen als „konservativ und bieder“, hat sie erkannt – „und dieses Label wollte ich nicht haben“. Und in der Tat sind das wohl die letzten Attribute, die einem einfielen, wenn man mit Tanja Brandl – oder Schwester Tanja, wie sie in der Gemeinschaft genannt wird – ins Gespräch kommt.

Im Gegenteil: Die gebürtige Nürnbergerin ist humorvoll, schlagfertig, voll am Puls der Zeit – und wenn sie für ein Bild posieren soll, was ihr „gar keinen Spaß macht“, dann kann es schon mal sein, dass sie dem Fotografen grinsend eine Grimasse schneidet. Aber vor allem brennt Schwester Tanja für ihre Aufgabe und ihre Schüler, denn sie ist überzeugt: „Sie lernen einen der wichtigsten Berufe der Welt. Denn wir legen den Nachwuchs unseres Landes in ihre Hände.“

Passt „Erzieher“ überhaupt noch?

Entsprechend viele Gedanken macht sich die neue Chefin von 25 Lehrkräften und rund 260 Studierenden. Passt die Ausbildung zum Markt? Welchen Personen muss sich die Ausbildung angesichts der demografischen Entwicklung der Gesellschaft – immer weniger Kinder, immer mehr Senioren, Flüchtlinge und Menschen mit Migrationshintergrund – künftig öffnen? Und ganz grundlegend: Passt die Bezeichnung „Erzieher“ da überhaupt noch zum Berufsbild? Oder müsste es besser „Begleiter“ heißen?

Schnell wird klar, was Schwester Tanja auch über sich selbst sagt: Sie sei „keine Verwalterin, sondern eher eine Gestalterin. Meine Philosophie ist: Wir müssen sehen, was die Gesellschaft braucht und was wir dazu beitragen können. Und was wir unseren jungen Menschen mitgeben können, damit sie nicht gleich im Burnout landen“.

Dabei weiß die neue Akademie-Leiterin sehr genau, wovon sie spricht. Denn sie hat, nach dem Abitur in Lauf, den Erzieher-Beruf einst im Haus „Silo“ in Gunzenhausen selbst erlernt, was sie heute als „eine gute Grundlage“ für ihre Arbeit bezeichnet. Danach studierte sie Soziale Arbeit in Nürnberg und Erziehungswissenschaften in Marburg, ehe sie nach Gunzenhausen zurückkam, um das Konzept des Familienzentrums in der Lindleinswasenstraße zu entwickeln und dieses dann selbst ein Jahr lang zu leiten.

Danach ging’s wieder zurück nach Nürnberg, wo sie ein Jahr lang an der Evangelischen Hochschule unterrichtete, sich die durchaus realistische Aussicht auf eine Professur erwarb – und nebenbei immer in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin arbeitete. „Ich habe das immer als Bereicherung empfunden, Theorie und Praxis miteinander vereinbaren zu können.“

Vor wenigen Monaten nun bekam sie das Angebot, die Leitung der Gunzenhäuser Akademie zu übernehmen – und sie griff, obwohl sie nebenbei noch an ihrer Promotion schreibt, beherzt zu: „Manche haben mich gefragt, ob das nicht ein beruflicher Rückschritt sei. Aber ich sehe das nicht so, es ist einfach ein anderer Weg, der zudem gut in meine Biografie passt.“
Zumal Schwester Tanja dabei quasi von ihrer eigenen Vorarbeit profitieren kann.

Denn noch in ihrer Nürnberger Zeit hat sie eine Kooperation zwischen der Evangelischen Hochschule und der Akademie in Gunzenhausen eingefädelt und zu einem bayernweit einmaligen Modell entwickelt: eine duale Ausbildung, die zum Teil an der Altmühl und zu einem anderen an der Pegnitz stattfindet – und an deren Ende der Studierende sich nicht nur Kindheitspädagoge oder Erzieher nennen, sondern auch einen Bachelor-Titel führen darf. Ein bisschen stolz wirkt sie schon auf das Konzept, das „in einem vierjährigen Prozess“ von ihr mit geschaffen wurde. Zumal sich schon erste Kandidaten melden, die an einer Nachahmung interessiert sind: „Das spricht für die Qualität unseres Angebots.“

Wer mit der neuen Akademie-Chefin länger spricht, spürt viel Begeisterung für ihre Berufung („Ich hatte schon in der Jugend immer wieder Gott erlebt.“) und ihren Beruf. Bei einem Punkt allerdings auch eine tiefe Unzufriedenheit: Geld. Angesichts ihrer langen, anspruchsvollen Ausbildung (siehe Kasten) würden Erzieher einfach zu schlecht bezahlt: „Die Belastung, die dieser Beruf mit sich bringt, spiegelt sich – vor allem in Kindergärten und Kitas – nicht im Gehalt wider“, kritisiert sie.

Mit sich selbst und ihrer neuen Aufgabe ist die schlanke Frau mit den rotblonden Haaren, der rahmenlosen Brille und dem herzlichen Lachen derzeit jedenfalls rundum zufrieden: „Ich werde das hier in Gunzenhausen vermutlich nicht für den Rest meines Lebens machen“, sagt sie, nach ihren Zukunftsplänen befragt. „Aber momentan mache ich mir darüber keine Gedanken. Ich bin hier zurzeit am richtigen Fleck.“

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