Niedliche Rassehunde? Wenn das Atmen zur Qual wird

19.1.2021, 06:03 Uhr
Niedliche Rassehunde? Wenn das Atmen zur Qual wird

© Foto: Fredrik von Erichsen/dpa

Mit ihren platten Nasen und den großen Kulleraugen sind die kleinen Hunde auch wirklich zu putzig. Nicht zuletzt ihr großer Niedlichkeitsfaktor macht sie zu beliebten Fotomotiven in den sozialen Netzwerken. Zudem haben gerade die französischen Bulldoggen meist ein sehr einnehmendes, freundliches Wesen.

Das wissen auch die beiden Tierärzte Dr. Heinz Guthmann und Dr. Barbara Auinger aus Theilenhofen. Der Mensch, sagt etwa Guthmann, kann seiner biologischen Prägung nicht entkommen. Das "Kindchenschema" der kurzköpfigen Hunde mit ihren Kulleraugen und dem breiten Gesichtchen wirkt auf uns einfach unglaublich anziehend.

Ein hoher Preis

Doch die Tiere zahlen für den kurzen Kopf, die platte Nase, die großen Augen mit dem seelenvollen Blick einen hohen Preis: Sie leiden oft unter furchtbarer Atemnot und vor allem können sie ihre Temperatur nicht regulieren.

Niedliche Rassehunde? Wenn das Atmen zur Qual wird

© Foto: privat

Hunde, erklärt es Guthmann auf Anfrage des Altmühl-Boten, können nicht schwitzen, ihre "Klimaanlage" ist die Nase. Mit ihrer Hilfe regulieren sie ihre Körpertemperatur. Züchtet man nun die Schnauze quasi weg, wie beim Mops oder den französischen und englischen Bulldoggen geschehen, so laufen die Tiere im Sommer Gefahr, zu überhitzen, nicht selten kollabieren sie. Besitzer dieser Hunde gehen deshalb im Sommer meist vor Sonnenauf- oder nach Sonnenuntergang spazieren.

Gar nicht niedlich und schon gar kein Ausdruck von Wohlbefinden sind ihre schnarchenden Atemgeräusche, darauf weist auch Professor Dr.Gerhard Oechtering von der Universität Leipzig hin. Der Leiter der universitären Tierklinik ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Brachyzephalie, also Kurzköpfigkeit bei Hunden. Das Schnarchen, führt er auf der Homepage der Klinik aus, wird durch die Einengung der oberen Atemwege verursacht und weist schlicht darauf hin, dass der Vierbeiner unter Atemnot leidet – und das empfinden auch Tiere als lebensbedrohlich, sagt Oechtering.

Immer mehr Hunde in der Stadt

Der Trend zum Hund ist selbstverständlich auch längst in Gunzenhausen angekommen. Die Zahlen steigen langsam aber stetig, bestätigt Christoph Dietlein von der städtischen Steuerstelle. Waren 2014 noch 728 Vierbeiner angemeldet, so wurden im vergangenen Jahr bereits für 900 Fellnasen Hundesteuer gezahlt. Derzeit verzeichnet die Stadt 889 Hunde in ihrem Gebiet.

Und es gibt auch mehr kurzköpfige Hunde: Bestimmt doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren behandeln Heinz Guthmann und sein Team mittlerweile. Nicht selten landen die Tiere wegen ihrer Atemprobleme auf dem OP-Tisch. Dort werden die Nasenlöcher erweitert, das Gaumensegel gekürzt, damit der Hund künftig besser Luft bekommt. Die beiden Veterinäre empfehlen, Vertreter dieser Rassen bei Vollnarkosen grundsätzlich zu intubieren, um die Sauerstoffversorgung während eines operativen Eingriffs sicherzustellen. Auch Stunden nach dem Eingriff ist eine intensive Überwachung der Patienten notwendig.

Endlich mal können sie frei durchatmen

Wie sehr die Tiere unter ihrer Atemnot leiden, wird meist erst nach der OP so richtig deutlich: Immer wieder können Barbara Auinger und Heinz Guthmann beobachten, dass die Hunde in der Aufwachphase keinerlei Anstalten machen, den Tubus abzustreifen – wie es jede andere Fellnase machen würde. Im Gegenteil: Endlich mal können sie frei durchatmen!

Viele Menschen, die sich Hunde aus sogenannter Qualzucht anschaffen, sind sich über die schweren gesundheitlichen Schäden, unter denen ihre Haustiere leiden, gar nicht bewusst, ist die Erfahrung von Auinger und Guthmann. Deshalb stehen für die Tierärzte vor allem die Zuchtverbände in der Kritik, denn sie legen die Zuchtstandards fest. Allerdings gebe es mittlerweile auch unter Züchtern schon eine Gegenbewegung, viele versuchten, ihren kurzköpfigen Hunde wieder etwas mehr Schnauze anzuzüchten.


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Denn es würde schon viel helfen, wenn die Hunde "nur zwei Zentimeter mehr Nase hätten", betont Auinger. Noch vor 100 Jahren, darauf verweist auch Professor Oechtering, hatten "diese Tiere eine richtig schöne Nase", ein Mops galt im vorletzten Jahrhundert "sogar als ausgesprochen athletisch und belastungsfähig". "Mopsfidel" eben, sagt Guthmann. Gerade bei den kurznasigen Hunden habe sich die Zucht "in die falsche Richtung entwickelt", findet Auinger.

Möpse oder die kleinen Bulldoggen sind übrigens längst nicht die einzigen Qualzucht-Rassen. So werden immer noch Tiere mit übermäßiger Hautfalten-Bildung wie beispielsweise Shar-Pei oder mit Haarlosigkeit wie Chinesische Nackthunde gezielt gezüchtet. Gerade in den extremen Hautfalten können sich schwere Hautkrankheiten bilden.

Schlimme Missbildungen bei den Zuchttieren

Völlig unverständlich ist es für Guthmann, wenn offensichtlich missgebildete Tiere zur Zucht verwendet werden. So bilden sich bei Möpsen als Folge des fehlenden Schwanzes – der wurde weggezüchtet – oft Keilwirbel, eine laut Guthmann schlimme Missbildung. Anstatt diese Hunde aus der Zucht zu nehmen, werde vom Verband eine Anzahl festgelegt, bis zu der die Keilwirbel toleriert werden.

Und nicht nur Hunde sind betroffen, auch Katzen werden scheinbar niedliche Merkmale angezüchtet. So verdanken etwa die so in Mode gekommenen Faltohrkatzen ihren Knick im Ohr einer Erbkrankheit, die schwere Knorpel- und Knochenschäden mit sich bringt. Zudem können diese Katzen nicht mehr mit ihren Artgenossen auch über die Ohren kommunizieren.

Das Problem ist eigentlich erkannt, sagen Guthmann und Auinger. Sie sehen hier den Gesetzgeber in der Pflicht, den Zuchtverbänden strengere Auflagen zu machen.

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