Plastik-Vorurteile: Gunzenhäuser Firma wehrt sich

15.11.2019, 17:23 Uhr
Plastik-Vorurteile: Gunzenhäuser Firma wehrt sich

© Foto: Micha Schneider

Es sind ziemlich emotionale Debatten, die zurzeit rund um das Thema Umweltschutz geführt werden. Da ist die 16-jährige Greta Thunberg, die zur Ikone der Klima-Bewegung wurde, da sind die "Fridays-for-future"-Demonstrationen wütender Schüler, und da sind aktuell drängende Themen wie die Vermüllung der Weltmeere.

Den Zorn der Umweltschützer bekommt man auch bei "Verpa Folie" zu spüren. Das Unternehmen mit Zweigstelle in der Gunzenhäuser Industriestraße ist Markt- und Innovationsführer für dickenreduzierte Polyethylen (PE)-Folien. Produkte von "Verpa Folie" begegnen einem im Alltag überall: nicht nur als Verpackungsmaterial von Möbeln oder Kühlschränken, sondern auch als Verpackung von Tiefkühlgemüse oder als blickdichte Versandtasche von Online-Einkäufen. Von der Verteufelung von Plastik ist das Unternehmen naturgemäß alles andere als begeistert.

"Täglich werden wir mit neuen Unwahrheiten ,bekehrt‘ und als umweltpolitische Schwerverbrecher bezeichnet", heißt es in einer Mail von Werksleiter Marco Stenglein an unsere Redaktion. "Wir fühlen uns aber nicht schlecht, weil wir wissen, dass das nicht so stimmt", ergänzt Marketingleiterin Susanne Baumann.

Die Emotionalität des Themas ist Stenglein und Baumann auch im Besprechungszimmer im Erdgeschoss ihres Unternehmens deutlich anzumerken – denn letztlich geht es schließlich auch um ihre Existenz. Vor ihnen auf dem Tisch liegen deshalb zahlreiche Bierdeckel – mit Fakten. Denn diese können in einer so emotional aufgeladenen Debatte kaum schaden, finden die beiden. "100 Prozent recyclingfähig", steht auf der Rückseite jedes Deckels. Und vorne: "Eine Papiertüte muss man 43 Mal wiederverwenden, um vergleichbar umweltfreundlich zu sein wie eine aus Kunststoff. Und die Bio-Baumwoll-Tasche gar 149 Mal. Und sogar 20 000 Mal, wenn man den Land- und Wasserverbrauch mitbetrachtet. Oder: "Jedes dritte produzierte Lebensmittel wird weggeworfen. Kunststoff ist da die nachweislich beste Lebensmittelverpackung und reduziert die Abfallrate, beispielsweise bei der Salatgurke von 9,43 Prozent auf 4,6 Prozent."

Gerade an der Salatgurke wird der Plastik-Konflikt deutlich. Viele Supermärkte haben die Plastikfolie nämlich – zur Freude von umweltbewussten Verbrauchern – abgeschafft. Doch der Verzicht auf die Schutzhülle hat ungewollte Folgen: Die Händler müssen jetzt tonnenweise Gurken vernichten, weil diese schneller schrumpelig und gelb werden und sie so niemand mehr kauft. Nachhaltigkeit steht gegen Nachhaltigkeit.

"Die Folie schlechtreden"

"Es gibt einfach viele Leute, die auf einen Zug aufspringen und die Folie schlechtreden", sagt Susanne Baumann, die Marketingleiterin von "Verpa Folie", und ergänzt: "Das Schlimmste ist, wenn es auch noch intelligente Menschen sind, die die Dinge eigentlich hinterfragen müssten". Man werde teilweise auch im privaten Umfeld angegriffen. Ihrer Meinung nach werde oft mit zweierlei Maß gemessen. "Die Menschen beschäftigen sich gar nicht wirklich mit dem Thema", so Baumann.

Die Konsequenzen aus der aktuellen Umwelt-Debatte spürt das Unternehmen jedenfalls unmittelbar: "Man merkt, dass die Großkonzerne abwarten, was politisch passiert", sagt Werksleiter Marco Stenglein.

Plastik-Vorurteile: Gunzenhäuser Firma wehrt sich

© Archivfoto: Jürgen Eisenbrand

Vor allem führende Discounter reagierten sehr abwartend, und auch Verpa-Kunden wie große Fluggesellschaften oder Hersteller von Tiefkühlprodukten, die von "Verpa Folien" beliefert werden, versuchten zunehmend, auf Kunststoff zu verzichten.

Stenglein und Baumann bleiben skeptisch. "Plastikstrohhalme und Kunststoffgeschirr werden verboten, und die Mehrheit der Bevölkerung glaubt, einen Großteil zur Verbesserung der Umwelt erreicht zu haben. 1,5 Prozent des gesamten Erdölaufkommens geht in die Verpackungsbranche… und darüber unterhalten wir uns. Das Thema ist doch weitaus tiefgründiger." Mittlerweile gebe es auch weniger Bewerber für eine Ausbildung, und die Studiengänge wie "Kunststoff-Technik" würden ebenfalls unattraktiver.

"Langsam mal was machen"

Baumann würde sich nicht nur deshalb mehr Unterstützung durch die Politik wünschen. Der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen beschäftigt fast 4500 Arbeitsplätze im kunststoffproduzierenden Gewerbe und gilt – unterstützt durch den hiesigen Kunststoffcampus – als Hochburg. "In der Automobilindustrie geht es ja auch schon bergab. Man muss da doch auch langsam mal was machen und sagen: Stopp."

Susanne Baumann und Marco Stenglein sind, dass machen sie deutlich, natürlich nicht gegen Umweltschutz, im Gegenteil: "Wir hier alle am Tisch müssen was für die Umwelt tun", sagt Baumann, und Stenglein ergänzt: "Wir sagen ja auch gar nicht, dass alles an der Plastikfolie gut ist. Aber so, wie es dargestellt wird, ist es definitiv nicht."

Aber wie ist es dann? "Wir müssen in der Zukunft für die jeweilige Anwendung die ökologisch sinnvollste Verpackungslösung finden, und da sind wir mit unserer Verpalin-Folie immer vorne dabei", so die beiden.

Benutzte PE-Folie lasse sich nahezu beliebig oft wiederverwerten. "Die Recylingquote liegt in Deutschland bei 99 Prozent. Bisher werden aber erst 16 Prozent für neue Produkte verwendet. Da muss man ansetzten", sagt Marco Stenglein. Weil bei der Verbrennung Strom erzeugt wird und auch der Export als Verwertung gilt, erreicht Deutschland laut Umweltbundesamt auf dem Papier diese Verwertungsquote von 99,7 Prozent. Tatsächlich aber wird das meiste verfeuert. Der große Rest landet also in Verbrennungsöfen oder wird ins Ausland verschifft, wie  aus dem "Plastikatlas 2019", ein Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), hervorgeht.

"Verfeuern ist aber nicht schlecht, denn ein Kilogramm Polyethylen verbrennt wie ein Liter Öl, und solange Öl und Gas noch direkt zur Energiegewinnung verbrannt werden, kann auch ein Teil des Kunststoffabfalls dazu genutzt werden. Aktuell verlässt nur noch 0,43 Prozent des deutschen Verpackungsmülls die EU und wird nicht mehr für die Recyclingquote anerkannt", sagt Stenglein.

"Beitrag zur Nachhaltigkeit"

Das Unternehmen "Verpa Folie hat" sich jedenfalls schon bei seiner Gründung durch Joachim Baumann, dem Schwiegervater von Susanne Baumann, im Jahr 1979 zum Ziel gesetzt, die dünnsten und damit ressourcenschonendsten Polyethylen-Folien auf dem Markt herzustellen. "Unsere Verpalin-Produkte sparen jedes Jahr mehr als 40 000 Tonnen Grundstoffmaterial und bieten so einen messbaren Beitrag zur aktiven Nachhaltigkeit, sowohl in der wirtschaftlichen als auch ökologischen Gesamtkette" heißt es auf der Unternehmens-Homepage.

Zudem hat die Firma das "Verpa Release System" entwickelt, das laut den beiden Mitgliedern der Geschäftsleitung zunehmend von Unternehmen europaweit genutzt wird. Das Unternehmen stellt seinen Kunden eine Ballenpresse zur Verfügung. Damit werden gebrauchte Folien oder auch Folienreste komprimiert, wieder zu "Verpa Folie" verfrachtet – und auch wieder verarbeitet. So entstehe laut den beiden ein geschlossener Materialkreislauf.

"Und von uns schmeißt auch keiner die Folien ins Meer", sagt Susanne Baumann und ergänzt: "90 Prozent des Kunststoffmülls in den Weltmeeren kommen aus nur 10 Flüssen in Asien und Afrika". Auch das steht auf einem der Fakten-Bierdeckel.

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