Schlungenhof: Wohnen direkt an der Bundesstraße

31.8.2019, 17:19 Uhr
Schlungenhof: Wohnen direkt an der Bundesstraße

© Wolfgang Dressler

Der Alltag indes sieht seit Abschluss der Baumaßnahme wieder ganz anders aus. An einem ganz normalen Nachmittag rauscht der Verkehr quasi endlos an dem Haus vorbei. Die Fenster sind geschlossen, man kann sich gut unterhalten. Rainer Beißer wohnt im ersten Stock – und sozusagen im Brennpunkt von Schlungenhof: direkt vor dem Gebäude die B 13, gegenüber der Gasthof Jungmeier und die Einmündung der Laubenzedler Straße, einer Kreisstraße; auf der eigenen Straßenseite die Wassergasse, nicht zu vergessen die Oil-Tankstelle. Auf den Punkt gebracht: Da kommt einiges zusammen! Von täglich 12 000 Fahrzeugen in der Ortsdurchfahrt ist die Rede, aber für den Schlungenhöfer ist die genaue Zahl Nebensache.

Vergangene Zeiten ...

Er kann sich gut erinnern an die 70er-Jahre. Der Verkehr war gering, das Ein- und Ausfahren nicht schwierig. Gerade die Wochenenden waren eher ruhig. Sohn Rainer half gerne in der damals noch bestehenden Landwirtschaft der Eltern mit, später wurde er selbst Eigentümer des stattlichen Bauernhauses. Dieses wurde Ende der 90er-Jahre umgebaut und modernisiert. An einen Wegzug wegen der Bundesstraße dachte Rainer Beißer, von Beruf Industriekaufmann und bei der Firma Bosch Industriekessel beschäftigt, damals nicht. Die Eltern waren noch da und sollten ihr Zuhause behalten. Und Beißer versteht sich als Ur-Schlungenhöfer, der Heimatort liegt ihm am Herzen.

Diese Einstellung hat sich nicht geändert, die Verkehrsbelastung aber umso mehr. Sehr viele Lkw passieren das Haus, seit der Einführung der Maut hat ihre Zahl noch deutlich zugenommen. Das Feriengebiet Fränkisches Seenland hat der Region gut getan, den Menschen an der Schlungenhöfer Ortsdurchfahrt aber auch Nachteile gebracht. Samstags setzt ab etwa 10 Uhr ein massiver Ausflugs- und Urlaubsverkehr ein. Am Sonntagnachmittag wird dann ab 15.30 Uhr ein neuer Höhepunkt erreicht, dann merkt man die vielen Autos, die vom Brombachsee herüberkommen und deren Fahrer zur Autobahn bei Ansbach streben. Wenigstens ist es in den Wintermonaten etwas ruhiger, erzählen Rainer Beißer und seine Partnerin Sabine Fischer-Kugler. So ganz nebenbei erwähnen sie jedoch die Sportauspuffe an manchen Autos, den Fußgängerüberweg mit Ampelschaltung, an dem viele Autos lautstark anfahren müssen, und einen Kanaldeckel, der zu tief lag und deshalb enormen Krach machte, wenn ein Lkw darüber fuhr. Immerhin: Der Kanaldeckel wurde vor einigen Jahren versetzt, dieses Lärm-Ärgernis ist passé.

Die Erfahrung zeigt, dass der Lärm sich bei trockener Straße in Grenzen hält. Ganz anders sieht es bei Regen aus. Die nasse Fahrbahn verstärkt die Geräusche ernorm. Das ist dann "eine ganz andere Hausnummer".

Doch im Grunde will Rainer Beißer nicht jammern und klagen, da ist er auch nicht der Typ für. Er sieht die Situation nüchtern, obwohl er, wie auch andere Schlungenhöfer, massiv Betroffener ist. Er ist wie seine Partnerin berufstätig. Nach Feierabend ist man froh, in den eigenen vier Wänden zu sein. Die Fenster sollte man nur mal kurz aufmachen, ansonsten geschlossen halten. Und wenn draußen, im Hof, etwas zu tun ist, dann achtet man darauf und eben nicht auf den Verkehr. "Man gewöhnt sich an die Situation", betont der Hausherr mehrmals. Er sagt auch: "Ich ignoriere die Straße, soweit es geht. Ich nehme sie meistens nicht wahr."

Erst wenn man die beiden gezielt auf die Wohnqualität anspricht, merken sie, dass sie eingeschränkt leben. Gerade wenn sie zu Hause Urlaub haben, wird ihnen bewusst, dass die Umgebung ihre Tücken hat, dass sie sich oft von der Umgebung abschließen müssen. Die Abgase machen die Fenster im Übrigen schon bald dreckig. Im Umfeld des Hauses gibt es zwar eine Art Terrasse, aber richtig gemütlich kann es dort bei dem Verkehrslärm nicht sein. Besucher sprechen das zuweilen richtig deutlich aus. Als letztens ein Handwerker kam und am Haus einiges zu bereden war, konnte man sich kaum verständigen. Und Beißer selbst kümmert sich regelmäßig vor dem Haus um eine kleine städtische Grünfläche. Wenn er sie mäht, darf er sich keinen Fehltritt erlauben: Unmittelbar daneben fließt der Verkehr.

Schwierige Verkehrssituation

Schlungenhof: Wohnen direkt an der Bundesstraße

© Wolfgang Dressler

Dieser bringt auch unabhängig vom Lärm Probleme für die Schlungenhöfer mit sich. Die Linksabbieger haben es extrem schwer, sei es aus der Wassergasse, der Laubenzedler Straße oder von der Tankstelle aus. Ein Nachbar betreibt Landwirtschaft. Wenn er in der Erntezeit mit seinem Gespann die Hauptstraße überqueren will, hat er schlechte Karten. Und zu Fuß in der Hauptverkehrszeit vom Haus Nr.17 zum Anwesen Jungmeier auf der gegenüberliegenden Seite zu gehen, sollte man sich zweimal überlegen. Es kommt im Umfeld immer wieder zu haarsträubenden Verkehrssituationen, hat Rainer Beißer beobachtet. Er ist zugleich froh, dass nur ganz wenige Unfälle passiert sind.

In den 80er-Jahren war einige Zeit die Holzbauer-Trasse im Gespräch, also eine Verlegung der B 13 entlang der Bahnlinie, weg von Schlungenhof. Da keimte Hoffnung auf. Von dieser Idee hörte man später nichts mehr, das Thema Umgehung Schlungenhof schien für immer "gegessen", zumal die Straßenbrücke über die Bahnlinie bei Neuenmuhr gebaut wurde. Als mit der Novellierung des Bundesverkehrswegeplans jetzt die Umgehung zur allgemeinen Überraschung hohe Priorität erhielt, da tat sich für Schlungenhof doch noch eine Chance auf. "Wenn die nicht genutzt wird, dann kommt nie mehr eine Umgehung", betont der Schlungenhöfer, der selbst in der Arbeitsgruppe im Rahmen der Bürgerbeteiligung aktiv ist. Immer wieder hört er den offenen oder indirekten Vorwurf, dass die Schlungenhöfer das Thema wieder aufs Tapet gebracht hätten – mit den bekannten Verwerfungen im Verhältnis zum Nachbarort Laubenzedel. Dem hält Beißer entgegen: "Wir haben das nicht initiiert. Kein Schlungenhöfer hat die Umgehung gefordert."

Stirnrunzeln wegen der Nullvariante

Ihm ist klar, dass die Frage der Trassenfindung zwischen den beiden Orten schwierig ist und sich keine Ideallösung anbietet. Und da bestehe ja auch noch das Problem des Bahnübergangs bei Laubenzedel.

Ob der Traum von einer Umgehung überhaupt wahr wird? Sabine Fischer-Kugler glaubt fest daran, ihr Partner Rainer Beißer wiegt den Kopf hin und her, da ist Skepsis zu spüren. Es sei halt noch nichts spruchreif, im Herbst seien konkrete Vorschläge des Staatlichen Bauamts zu erwarten, und die Nullvariante sei ja auch noch nicht vom Tisch. Damit ist gemeint, dass die B 13 wie bisher durch den Ort verläuft und bauliche Veränderungen (Lärmschutzwände) zum Nutzen der Anwohner entstehen. Genau das kann und will sich Rainer Beißer nicht vorstellen, denn dann "wäre ich wie im Gefängnis". Und überhaupt: Vor seinem Haus wäre überhaupt kein Platz für eine Lärmschutzwand.

Der Schlungenhöfer weiß: Eine Umgehung würde immer noch Verkehr im Ort bedeuten. Von einer Art Spielstraße träume hier niemand. Der Durchgangsverkehr wäre weg, darauf komme es an. "Wir hätten eine Linderung, und das muss das Ziel sein!"

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