Schwammspinner-Plage: "Das Schlimmste ist vorbei"

14.6.2018, 16:51 Uhr
Schwammspinner-Plage:

© LWF

"Die Aktivität der Raupen hat abgenommen", sagt Stemmer, "der Fraß ist weitgehend vorbei, die meisten Tiere haben sich in Ritzen oder Baumschuppen verkrochen, um sich dort zu verpuppen." Etwa zwei bis drei Wochen dauert nun die Puppenruhe, dann schlüpfen die Falter, deren einziger Zweck es ist, sich zu paaren und zu vermehren.

Etwa 300 bis 1000 Eier legen Weibchen des Nachtfalters, vorzugsweise in Ritzen von Baumrinden, und tarnen sie anschließend mit bräunlicher Afterwolle aus Haaren, die sie auf dem Hinterleib tragen. Bis zum Herbst entwickeln sich darunter, gut geschützt, kleine Räupchen, die in den Eiern überwintern, Ende April schlüpfen — und dann wieder hungrig über die frischen Eichenblätter und -triebe herfallen.

Für Jürgen Stemmer wird es spannend, zu beobachten, wie sehr die jetzige Nahrungsknappheit — die Raupen haben sich quasi die eigene Lebensgrundlage weggefressen — die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt. "Wenn sich Raupen nicht sattfressen können, können sie sich auch nicht voll entwickeln", sagt der Leiter der Forstabteilung des Amtes für Ernährung Landwirtschaft und Forsten (AELF). Dann seien die Falter entweder gar nicht fortpflanzungsfähig — oder es schlüpfen überproportional viele Männchen, was die Reproduktionsrate naturgemäß ebenfalls senkt.

Völlig unklar ist übrigens noch, warum der Schwammspinner am Burgstall und in einem weiteren betroffenen Waldgebiet zwischen Taubenhalle und Unterasbach heuer derart massiv aufgetreten ist. "Das war letztes Jahr nicht absehbar", sagt Stemmer. Die Experten der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft (LWF) rätseln vor allem deshalb, weil "wir hier relativ wenig Eichenwälder haben". Der Anteil des deutschen "Symbolbaums" liegt in Altmühlfranken bei lediglich vier bis fünf Prozent, weiß Stemmer: "Dem LWF ist nicht klar, wie sich auf der Grundlage so weniger Eichen eine solche Population an Schwammspinnern entwickeln konnte." Zwar sei die Eichen-Dichte am Burgstall höher, aber ein derartiger Befall sei für eine "Insellage", wie diese, untypisch.

Wissenschaftlich interessant ist für die Forscher des LWF auch, dass es gar nicht weit weg von Gunzenhausen, zwischen Pleinfeld und Dorsbrunn, ein Waldstück gebe, in dem im Winter ähnlich viele Gelege entdeckt worden waren wie am Burgstall: "Aber dort hat es kaum Raupenbefall gegeben", sagt Stemmer. Die Ursache für die so unterschiedliche Entwicklung ist ebenfalls unklar.

Vorbeugend jedenfalls könne man derzeit gegen die Schwammspinner nichts unternehmen, man müssen jetzt zunächst "abwarten, wie stark der Befall mit Nestern sein wird", sagt Stemmer. Die Forstbehörde werde die Entwicklung beobachten und im Winter eine Prognose erstellen. Und wenn man dann erneut viele Gelege entdecke, müsse man "im Februar oder März überlegen", ob man dem Schädling nicht doch mit der Giftspritze zu Leibe rückt.

Schwammspinner-Plage:

© Jürgen Eisenbrand

Das Mittel der Wahl ist dann wohl das Hormon "Mimic", das — rechtzeitig auf die frischen Eichenblätter ausgebracht — von den Raupen mitgefressen wird, ihre Häutung beschleunigt und sie somit absterben lässt. In Unterfranken, wo das noch relativ neue Insektengift heuer bereits angewandt wurde, habe es gut gewirkt, weiß Stemmer: 70 bis 80 Prozent der Raupen seien getötet worden.

Allerdings: "Mimic" muss vom Hubschrauber aus großflächig ausgebracht werden — und ist deshalb für die Anwendung am Burgstall alles andere als ideal. Das Areal ist als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet besonders geschützt, zudem grenzten gleich zwei Kliniken unmittelbar an den Wald, das Freibad und die Wohnbebauung sind eigentlich ebenfalls nicht weit genug entfernt, um das Gift wenig zielgenau aus der Luft zu verteilen.

Was den traurigen Zustand der Eichen betrifft, setzt Stemmer gewisse Hoffnungen auf den sogenannten "Johannistrieb", der in diesen Tagen einsetzt und den Bäumen frisches Grün verleihen soll. Da die Schwammspinnerraupen ihre Fraßperiode etwas früher als erwartet beendet haben, könnten die jungen Eichentriebe, anders als noch vor zwei Wochen befürchtet, den haarigen Fressmaschinen gerade noch einmal entkommen sein.

Allerdings — und das ist nun eine weitere schlechte Nachricht, die Stemmer überbringen muss: Dank des feucht-schwülen Wetters der vergangenen Wochen lauert schon der nächste Feind: "Wir haben jetzt Angst vor dem Eichenmehltau."

Blätter werden grau

Der Pilz befällt die noch ganz jungen Blätter, schmarotzt an ihren Nährstoffen und färbt sie grau. Normalerweise schadet Microsphaera alphitoides aus der Gattung der Echten Mehltaupilze den Bäumen nicht, er ist eher ein "lästiger Schnupfen", erläutert ein Experte des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). "Nur bei mehrfach kahlgefressenen und damit stark vorgeschädigten Eichen kann der Mehltau ausnahmsweise zum entscheidenden und letzten ‚Sargnagel‘ werden."

Ein weiterer Eichenschädling, der wegen seiner Allergien auslösenden Behaarung auch für den Menschen höchst unangenehm sein kann, treibt in Altmühlfranken übrigens ebenfalls sein Unwesen: der Eichenprozessionsspinner. Jürgen Stemmer weiß von einem "Fraßschwerpunkt zwischen Dittenheim und Sammenheim", kommentiert das Auftreten der zumeist an Waldrändern oder an Einzelbäumen auftretenden Raupen allerdings professionell gelassen: "Das ist eben die Natur."

Dem LWF sei der Befall gemeldet, und man könne sich überlegen, ob man die Prozessionsspinner "im nächsten Jahr bei einer möglichen Bekämpfung des Schwammspinners gleich mit einbeziehen" wolle. Das Hormon "Mimic" jedenfalls wirke bei beiden Schädlingen.

 

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