SPD-Bundestags-Direktkandidat Harry Scheunstuhl: "Es fehlt die Geschlossenheit"

14.2.2021, 17:10 Uhr
SPD-Bundestags-Direktkandidat Harry Scheunstuhl:

© Jürgen Eisenbrand

Dass es in der Politik – auch und gerade unter Parteifreunden – mitunter eiskalt zugeht, ist kein Geheimnis. Doch so frostig wie bei der Wahlkreiskonferenz der Genossen aus Stadt und Landkreis Ansbach sowie dem Kreis Weißenburg-Gunzenhausen dürfte es nur ganz selten gewesen sein: Bei minus acht Grad Außentemperatur saßen die winterlich gekleideten Delegierten im ungeheizten Altmühlsee-Informationszentrum – mit FFP2-Maske im Gesicht und bei Corona-bedingt weit geöffneten Schiebetüren. Einige besonders Vorsichtige standen sogar draußen im Hof – und verfolgten das Geschehen ebenso frierend wie die drinnen.

Immerhin: Unterbezirks-Vorsitzender Norbert Ringler hatte das Procedere der Versammlung, die Ende Oktober in Treuchtlingen wegen der Pandemie abgesagt worden war, in seiner Einladung angekündigt. Und seine Parteifreunde vor den "winterlichen Temperaturen" gewarnt.

Ringler war es denn auch, der die Versammlung leicht verspätet eröffnete, der stellvertretenden Bezirkstagspräsidentin Christa Naaß zum am Vortag gefeierten 66. Geburtstag gratulierte ("Dein Leben fängt jetzt erst richtig an!") und einen Verzicht auf sämtliche Grußworte verkündete: "Wir wollen die Versammlung so schnell wie möglich durchziehen."

Ehemaliger Bürgermeister von Wilhermsdorf

Nach einigen von Versammlungsleiter Bernd Lober schnell abgehakten Formalien und der Feststellung, dass Scheuenstuhl keinen Gegenkandidaten bekommen werde, erklomm der ehemalige Bürgermeister von Wilhermsdorf (1996 bis 2013) und Landtagsabgeordnete (2013 bis 2018) das Podium, um sich und seine politische Agenda zu präsentieren.

Der gelernte Umwelt-Ingenieur und Vater dreier Kinder verwies zunächst auf die vielen Erfolge, die die SPD in der Großen Koalition habe erringen können: die Erhöhung des Kindergeldes, die Entlastung von Pflegekosten, Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, die Grundrente, Entlastungen bei der Krankenversicherung, der Wegfall des "Soli" und Fortschritte bei der Klimapolitik und beim Ausbau des Mobilfunknetzes.

Warum der Juniorpartner der Groko angesichts dieser Bilanz beim Wähler nicht mehr Zuspruch finde, wollte ein Delegierter wissen. Was Scheuenstuhl mit einer gehörigen Portion Selbstkritik beantwortete: "Wir schaffen es nicht, einfache Worte zu gebrauchen." Die SPD versuche stets, "gut zu antworten", ihre Mitglieder "denken nach und formulieren keine einfachen Botschaften", so wie es andere Parteien machten. "Wir müssen direkter werden", forderte Scheuenstuhl, "klarer, einfacher in der Ausdrucksweise."

SPD-Bundestags-Direktkandidat Harry Scheunstuhl:

© Jürgen Eisenbrand

Ein Slogan wie "Den Sozialstaat sichern" gefalle ihm da gut, zumal den "Berufspolitiker", wie er sich selbst bezeichnet, der gerade auf der Suche nach einem neuen Mandat ist, eine große Sorge umtreibt: "Ich befürchte einen Anschlag auf den Sozialstaat. Wenn Corona vorbei ist, wird hier die Axt angelegt", prophezeiht er. "Und dann sind wir wichtig!", rief er seinen Parteifreunden zu – was ihm prompt freundlichen Applaus eintrug.

Kein Wunder also, dass soziale Themen den größten Teil seiner etwa halbstündigen Rede beanspruchten. So wolle er in Berlin erreichen, dass Produkte mit sozialen Mindeststandards gekennzeichnet werden müssen: "Nicht nur Tier-, sondern auch Menschenschutz", sei da seine Devise.

Er strebe 2000 Euro Brutto-Mindestlohn an und sei der Überzeugung, "dass Klimaschutz nur durch soziale Gerechtigkeit weltweit funktioniert. Wir wissen, wie’s geht, wir müssen das konsequent umsetzen und dabei auf die ganze Welt schauen und sie mitnehmen".

Plädiert für eine Reform des Arbeitslosengeldes

Er spreche sich zudem, im Einklang mit dem "Sozialstaatspapier" seiner Partei, für "mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung" aus: Wer lange Jahre gearbeitet habe, müsse länger Arbeitslosengeld I erhalten als "Menschen, die lange nicht oder gar nicht gearbeitet haben". Alles andere sei "zutiefst ungerecht". Deshalb plädiere er auch für das "Arbeislosengeld Q", das bis zu 24 Monate lang gewährt werden könne, wenn sich sein Bezieher beruflich weiterqualifiziere.

Die derzeit bestehende Grundsicherung wolle er mit der SPD "grundlegend hin zu einem Bürgergeld verändern". Dessen vorübergehender Bezug "darf sich nicht sorfort auf den Wohnort auswirken oder Menschen zwingen, das Gesparte aufzubrauchen", so Scheuenstuhl. Das Bürgergeld sei "ein soziales Bürgerrecht", das auf dem Solidaritätsprinzip basiere und "Ausdruck einer partnerschaftlichen Arbeitsweise und eines respektvollen Umgangs miteinander" sei.

Jedoch: Trotz seiner Konzentration auf ur-sozialdemokratische Anliegen und trotz eines leidenschaftlichen Appells des Kreisvorsitzenden Ansbach-Land, Hans Heinrich Unger, den gemeinsamen Kandidaten Scheuenstuhl zu unterstützen – bei der geheimen Wahl reichte es für den Mann, der sich vor einem Jahr erfolglos um den Chefsessel im Rothenburger Rathaus beworben hatte, nur zu einem "ehrlichen Ergebnis", wie es Unterbezirkschef Ringler nannte: 30 Delegierte stimmten für ihn, zwei enthielten sich und immerhin 13 votierten mit Nein.

"Nehme das zur Kenntnis"

Er verstehe, "dass manche sich jemanden gewünscht hätten, der aus dem Stimmkreis kommt", kommentierte Scheuenstuhl nach der Konferenz etwas betreten sein Ergebnis. Und stellte fest: "Was ein bisschen fehlt, ist die übergreifende Geschlossenheit." Er nehme das Resultat "jetzt mal zur Kenntnis" und hoffe, "dass alle demokratisch mitziehen". Denn nun gehe es "nicht mehr um Harry Scheuenstuhl, sondern um die SPD".

Norbert Ringler verwies auf den 13. März, wenn die Sozialdemokraten in Schwabach ihre Landesliste aufstellen wollen. Für den Wahlkreis 241 Ansbach werden drei – ebenfalls am Samstag gewählte – Delegierte teilnehmen: Anette Pappler (Pappenheim), Mathias Hertlein (Markt Berolzheim) und Kathrin Pollack (Ansbach-Stadt). "Wir werden alles tun, um Harry auf einem guten Platz zu positionieren", rief er den frierenden Delegierten im AIZ-Saal kämpferisch zu. "Es geht für die SPD darum, sich wieder nach oben zu kämpfen", versuchte er noch, die sozialdemokratische Seele zu erwärmen.

Doch nach dem ernüchternden Ergebnis für den Kandidaten, schien es im Tagungssaal noch eine Spur eisiger geworden zu sein.

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