Suff und Gewalt im Obdachlosenheim

23.4.2015, 13:00 Uhr
Suff und Gewalt im Obdachlosenheim

© Deutsche Presseagentur

Es sitzen erst wenige Zuhörer im Sitzungssaal, als die Jugendkammer des Landgerichts Igor D. (44) als ersten Zeugen aufruft. Der Mann benötigt nur ein paar knappe  Sätze, um seine Personalien und gleichzeitig seine tragische Lebensgeschichte zusammenzufassen.

Der gebürtige Russe stand zwei Jahrzehnte lang in Deutschland als Arbeiter in Lohn und Brot – und hatte es zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Doch dann ging sein Arbeitgeber pleite, Igor D. konnte den Kredit bei der Bank nicht mehr bedienen, verlor seine Eigentumswohnung und landete im Sommer 2014 in der Obdachlosenunterkunft in Gunzenhausen. Dort begegnete er den beiden 36-jährigen  Aleksandr M. und  Viktor H. Er  hoffte auf die Solidarität seiner Landsleute und bat beide, ihm beim Umzug zu helfen, seine Habseligkeiten in die Unterkunft in der Alten Nürnberger Straße zu transportieren. Aleksandr M. schlug ein – und forderte, quasi als Vorauszahlung,  Wodka und Bier.

Einige Tage vor dem geplanten Umzug saßen die Männer auf einer Wiese hinter der Unterkunft, der Alkohol floss, und plötzlich seien Aleksandr M. und Viktor H. aggressiv geworden, erinnert sich der Zeuge. Grundlos hätten ihn die beiden massiv gegen den Kopf getreten und geschlagen. Auch Claudia T. (17, Name geändert), die ebenfalls angeklagte Schülerin, sowie ein weiterer Bewohner der Unterkunft, sollen dabei gewesen sein – doch geholfen habe ihm keiner.

Laut Anklage soll Aleksandr M. (36) in eben dieser Sozialpension am 17. Juni 2014 auf den 54 Jahre alten Obdachlosen Frank G. eingeprügelt haben – für den Tod des Mannes macht Oberstaatsanwalt Alfred Huber allein den  Hauptangeklagten Aleksandr M. verantwortlich.  Er geht von Totschlag aus, die Strafkammer wies jedoch, als sie die Anklage zuließ, darauf hin, dass am Ende auch eine Verurteilung wegen Mordes denkbar sei. Dem ebenfalls angeklagten Viktor H. (36) und der 17-jährigen  Claudia T. legt der Ankläger schwere Körperverletzung, Wohnungseinbruchsdiebstahl sowie Nötigung  zur Last.  Claudia T. schilderte vor Gericht bereits, dass sie das Opfer ebenfalls misshandelte – sie wollte ihren damaligen Freund Aleksandr M. beeindrucken. Der angetrunkene Viktor H. soll ebenfalls zugeschlagen haben, doch während sich die massivsten Übergriffe abspielten, schlief er meist.

Dass vor allem Aleksandr M. in der Unterkunft als einer galt, der regelmäßig für „Stress“ sorgte, berichtet auch Kriminalhauptmeisterin Kerstin S. (33) im Zeugenstand. Nachdem die Bahnleiche entdeckt und der Mann als ehemaliger Bewohner der Unterkunft identifiziert worden war, befragte sie vor Ort Zeugen. Mehrere Hausbewohner charakterisierten M. als aggressiv, immer wieder sorge er für Ärger und zettele Schlägereien an.

Der Prozess geht weiter. Die Jugendkammer des Landgerichts Ansbach will 21 Zeugen und als Sachverständige Rechtsmediziner sowie Psychiater hören, fünf Verhandlungstage sind angesetzt. Die drei Richter und zwei Schöffen wollen das Urteil voraussichtlich am 20. Mai sprechen.
 

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