Tag der Trauer und des Dankes

9.4.2020, 07:13 Uhr
Tag der Trauer und des Dankes

© Günter L. Niekel

"O Haupt, voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, o Haupt zum Spott gebunden mit einer Dornenkron ...". Man hört fast den Passionschoral von Paul Gerhardt, wenn man vor dem Altar steht und zum Gekreuzigten aufblickt, auf dessen Haupt eine Krone aus echten Dornen ist, und man scheint die Worte des Propheten Jesaja aus ferner Zeit zu hören, die bis heute zu uns herüber klingen: "Fürwahr, der trug unsre Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen ...".

Der Karfreitag, ein schrecklicher, ein furchtbarer Tag. "Der höchste evangelische Feiertag", wird oft behauptet. Aber was gibt es da zu feiern? Kein Feiertag im herkömmlichen Sinn, aber der wichtigste Gedenktag!

"O Mensch, bewein’ dein Sünde groß!", fordert ein Passionslied auf. Die Sünde der Menschen hat das angerichtet, was am Karfreitag geschehen musste. Einmal im Jahr werden wir ganz besonders darauf hingewiesen, welche Auswirkung die Sünde hat. Sünde ist Auflehnung gegen Gott und sein Gebot. Ein Gebot sollte die ersten Menschen, Adam und Eva, im Paradies davon abhalten, vom "Baum des Lebens" zu essen. "An dem Tag, da du davon isst, musst du des Todes sterben", hatte Gott warnend gesagt. Die Menschen aßen trotzdem und wurden sterblich. Die Sünde führt unweigerlich zum Tod.

Gott wollte die Menschen, sein Ebenbild, aber nicht dem Tod überlassen. Am Karfreitag fiel die Entscheidung: Tod oder Leben! Weil Gott aber ein Gott des Lebens ist, hat er für das Leben entschieden, aber dafür musste sein Sohn auf grausame Art sterben.

Als nachösterliche Christen wissen wir aber, dass Jesus nicht bei den Toten blieb. Wir dürfen freudig bekennen und glauben: "Auferstanden von den Toten" und "Auferstehung der Toten und das ewige Leben!" Unser Christsein ist kein "Karfreitagschristentum", sondern ein Osterchristentum.

Trotz des Karfreitags ist beim Christsein Freude nicht verboten, und Christsein äußert sich bestimmt nicht darin, stets mit ernster Miene herumzulaufen. Jeder Christ sollte sich einmal fragen: Wie wirke ich auf meine Mitmenschen, auf meine Umgebung? Der Karfreitag ist ein furchtbarer Tag, aber auch zugleich der Tag der Erlösung und Befreiung. Das dürfen wir nicht übersehen, und das ist die Botschaft, die die Christen weitergeben sollen.

Der Philosoph Friedrich Nietzsche, ein großer Gottesleugner, wollte das Christentum wohl verspotten, wenn er sagte: "Die Christen müssten erlöster aussehen!" Aber das hat er doch mit Scharfsinn beobachtet: "erlöster". Das Christentum ist kein Karfreitagschristentum, und der Karfreitag auch nicht nur ein Tag voll großer Trauer, nicht nur ein Tag des Gedenkens an ein schreckliches Ereignis, sondern ein Danktag: "Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du für uns gestorben bist und hast uns durch dein teures Blut gemacht vor Gott gerecht und gut!"

Der Karfreitag, ein Gedenk- und Danktag einmal im Jahr? Nein! An jedem Freitag erinnert uns das volle Geläut von den Türmen der evangelischen Kirchen daran, das anstelle der täglichen Elfuhrglocke ertönt. Es erinnert an den Karfreitag und ruft auch zum Dank auf: "Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du für uns gestorben bist!" Aber gerade deswegen und aufgrund des Karfreitag können wir Ostern feiern, und jeder Sonntag, der erste Tag der Woche, erinnert uns in ganz besonderer Weise, dass der Karfreitag nicht das Ende war und nicht der Tod das letzte Wort hat, sondern dass das Leben gesiegt hat, weil Christus den Tod besiegt hat.

Noch einmal zurück zum Altarkruzifix der Neuenmuhrer Kirche. Groß und schrecklich stellt es das Karfreitagsgeschehen dar, aber hinter dem Kruzifix ist ein großes Farbglasfenster, das in leuchtenden Farben den auferstandenen, siegreichen Christus zeigt.

Wenn die Sonne am Ostermorgen auf dieses Fenster scheint, wird der Kontrast zwischen Tod und Leben besonders deutlich, und mit den Worten, mit denen das Passionslied beginnt, dürfen wir das Osterlied anstimmen: "Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du vom Tod erstanden bist und hast dem Tod zerstört sein Macht und uns das Leben wiederbracht!"

 

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