Vierfachmord in Gunzenhausen: Prozess beginnt heute

7.5.2019, 07:00 Uhr
Vierfachmord in Gunzenhausen: Prozess beginnt heute

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"Am 26.06.2018 vor 5.10 Uhr begab sich der Angeschuldigte zum Anwesen …, um seine von ihm getrennt lebende Ehefrau sowie seine drei Kinder zu töten."

Ein schlichter, in emotionsloser Juristensprache verfasster Satz, hinter dem sich das eines der grausamsten Verbrechen der letzten Jahrzehnte in Gunzenhausen verbirgt: Georg K., damals 31 Jahre alt, verheiratet und dreifacher Vater, löschte laut Anklage seine komplette Familie aus.

Er tötete demnach seine Frau Olesja (29), seine Söhne Maikel (9) und Dima (7) sowie seine dreijährige Tochter Anastasia mit insgesamt mehr als 20 Messerstichen. "Heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen", wie es die Staatsanwaltschaft Ansbach in ihrer nur drei Seiten langen Anklageschrift formuliert. Ab morgen steht Georg K. wegen dieser entsetzlichen Bluttat vor dem Ansbacher Schwurgericht.

Rückblende: Am Abend des 21. Juni, eines Donnerstags, schlug Georg K. wieder einmal seine beiden Söhne. Seine Schwägerin, der die Mutter ein Foto der geröteten Wangen der Jungs geschickt hatte, alarmierte die Gunzenhäuser Polizei, und die verwies den gewalttätigen Ehemann und Vater der gemeinsamen Wohnung im dritten Stock des Hochhauses in der Bismarckstraße 31. Zudem erteilte sie ihm auf Wunsch seiner Ehefrau ein Kontaktverbot.

Der Ehemann kam zurück

Einen Tag vor dem Mord jedoch, in der Nacht zum Montag, tauchte Georg K. erneut vor der Wohnung auf. Seine Frau alarmierte wieder die Polizei, die ihm mit Gewahrsam drohte, falls er seiner Familie weiter nachstellen sollte; er schien zunächst einsichtig. Am frühen Montagmorgen jedoch kam er wieder, wurde aber von seinem Schwager, der seine Schwester beschützte, weggeschickt. Ein Vorfall, von dem die Polizei offenbar nichts erfuhr.

Später am Montag erstattete Olesja K. Anzeige gegen ihren Mann, einen deutschen Staatsbürger mit Wurzeln in Kirgisistan: Er schlage sie seit Jahren, habe sie sogar schon einmal mit einem Messer bedroht, nun wolle sie sich von ihm trennen. Am Nachmittag hatte sie ein Beratungsgespräch beim Jugendamt in Weißenburg, es wurde vereinbart, dass am nächsten Tag weitere Behörden eingeschaltet werden sollten. Doch dazu kam es nicht mehr.

Georg K. meldete sich am Montagabend beim Bruder der Ehefrau und sagte, er brauche noch einige Kleidungsstücke aus der Wohnung. Die Übergabe solle am Hauseingang erfolgen. Ganz früh am Dienstag fuhr der 31-Jährige mit dem Auto nach Gunzenhausen, im Gepäck hatte er zwei Messer; eines davon, die spätere Tatwaffe, hatte er laut Anklage erst tags zuvor gekauft. Sein Plan stand da schon fest, sind sich die Ermittler deshalb sicher.

Er parkte in einiger Entfernung und ging dann zu dem Hochhaus, in dem er noch bis vor Kurzem mit Frau und Kindern lebte. Gegen 5 Uhr verließ ein Nachbar das Haus, und bevor die Haustür wieder ins Schloss fiel, konnte sich Georg K. ins Treppenhaus schleichen. Auf einem Treppenabsatz oberhalb seiner ehemaligen Wohnung bezog er laut Anklage Position; von hier aus hatte er die Wohnungstür seiner Noch-Ehefrau im Blick.

Um 5.36 Uhr rief Georg K. aus dem Treppenhaus seinen Schwager Oleg an: Der könne jetzt – wie tags zuvor besprochen – die Kleidung an die Straße bringen, er werde sie dort in Empfang nehmen. Als Oleg K. sich auf den Weg nach unten machte, schlich Georg K. auf Socken in den dritten Stock und öffnete mit einem Zweitschlüssel die Wohnungstür. Nur zwei Minuten später waren vier Menschen tot, verblutet, mit vielen Messerstichen getötet.

Unten auf der Straße hörte Oleg K. verdächtige Geräusche aus der Wohnung seiner Schwester, rannte nach oben – und stieß auf seinen Schwager. Der hielt das Messer noch in der Hand, beide Hände waren voller Blut. Der 31-Jährige wandte sich ab, rannte zum Balkon, stürzte sich in die Tiefe und landete auf einem Grünstreifen, wo er verletzt liegenblieb und von der Polizei festgenommen werden konnte. Trotz schwerer Verletzungen überlebte er den Sturz und muss sich nun verantworten.

Die Angst vor dem Verlust

Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger wirft Georg K. Mord in vier Fällen sowie Körperverletzung in zwei Fällen (die Ohrfeigen wenige Tage vor dem Mord) vor. Das mutmaßliche Motiv des Angeklagten: Georg K. sei wegen der Trennung von seiner Frau gekränkt gewesen, so der Ankläger. Und weil er seine durch Gewalt erworbene, dominante Stellung in der Familie damit zu verlieren drohte, habe er Frau und Kindern "kein weiteres Leben gönnen" wollen.

Das Gericht hat insgesamt 21 Zeugen und sechs Sachverständige geladen. Fortsetzungstermine sind bestimmt für den 13. und 15. Mai, jeweils ab 9.30 Uhr. Für alle Prozessbeteiligten stehen harte und emotional mitnehmende Verhandlungstage bevor.