Was machen Störche, die immer wieder vertrieben werden?

9.5.2021, 06:08 Uhr
Auf diesem Schlot auf dem Hanselmann-Haus hat das Weißenstorchpaar zuletzt versucht, ein Nest zu bauen.

© Christian Pohler, NN Auf diesem Schlot auf dem Hanselmann-Haus hat das Weißenstorchpaar zuletzt versucht, ein Nest zu bauen.

"Sie machen immer weiter, bis es irgendwann klappt", sagt Langenegger. Allein vom Hanselmann-Haus vertrieb die Stadt die Störche schon dreimal, auch die Sparkasse wollte sie nicht dulden und vom Haus, wo sich im Erdgeschoss Sanitätshaus Stolz befindet, mussten sie auch schon weichen.

Privatpersonen müssen die Nester auf ihren Dächern nicht dulden, im Falle des Hanselmann-Hauses verstopften die Zweige zuletzt einen aktiven Kamin, und zuvor war die Gefahr zu groß, dass die teils doch großen Äste, Passanten treffen könnten. Begattet wurde das Weibchen jedenfalls schon mehrfach, wie gut aus dem Redaktionsgebäude zu beobachten war. Doch wohin mit dem Ei?


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"Sie können die Befruchtung selber steuern", weiß Bernhard Langenegger. Kann ein Weibchen nicht legen, stößt es das Ei ab, erklärt er. "Aber sie sind heiß auf der Suche." Findet das Paar im Mai noch einen passenden Brutplatz, klappt es wahrscheinlich mit dem Nachwuchs. Ein kleines, ausreichendes Nest aus ein paar Zweigen sei innerhalb einer Woche fertig. Später als Mai dürfe es aber nicht werden: "Die Jungen müssen im September so weit sein, um auszufliegen." Gute 30 Tage beträgt die Brutdauer. Die Küken auf dem Storchenschlot bei der Gaststätte Lehner seien schon geschlüpft.

Darum ziehen die Störche nicht weiter

Warum die Vögel nicht einfach auf einen anderen Ort als Gunzenhausen ausweichen? "Weil sie wissen, da gibt's was zu fressen", antwortet Langenegger. Vermutlich haben sie schon letztes das Revier erkundet. Störche kehren häufig in das Gebiet zurück, wo sie geboren wurden, weiß der Fachmann. Andere Störche seien zudem ein Anziehungspunkt: "Da sind Artgenossen, die erfolgreich gebrütet haben." Hinzu komme, dass Meister Adebar vom Brutplatz aus seine Nahrungsflächen sehen will, damit er mitbekommt, wenn der Partner angegriffen wird. "Die Wiesen an der Promenade bieten sich an", so Langenegger.

Schon mehrfach rückte die Feuerwehr Gunzenhausen in den vergangenen Wochen an, um der Stadt beim Entfernen – hier durch zwei Mitarbeiter – der Nester zu helfen.

Schon mehrfach rückte die Feuerwehr Gunzenhausen in den vergangenen Wochen an, um der Stadt beim Entfernen – hier durch zwei Mitarbeiter – der Nester zu helfen. © Marianne Natalis, NN

Ohne Jungen brauchen Weißstörche kein Nest, sie schlafen auf einem Bein stehend auf den Dächern, klärt der Alesheimer auf. Sollte das bauwillige Paar nicht mehr brüten können, wird es dennoch weiter "Stecken durch die Gegend fliegen", um fürs nächste Jahr vorzusorgen. Aber es wird vermutlich auch Artgenossen stören und sich "anders verhalten als die Brutstörche".

Bernhard Langenegger kann es als Tierfreund verstehen, wenn einem die Störche leid tun, doch er ist auch Naturschützer und sieht in diesem Fall keine Notwendigkeit, dem suchenden Weißstorchenpaar nun eine Nisthilfe zu beschaffen. "Der Storch ist in der Lage seine Art zu erhalten ohne Eingriff des Menschen", sagt der Experte. Die Stadt Gunzenhausen plant derzeit keine Nisthilfe für das suchende Paar, prüft jedoch Möglichkeiten, berichtet der Pressesprecher Manuel Grosser. Mit der Renaturierung der Altmühl sollen langfristig in diesem Bereich welche aufgestellt werden.

Tiefpunkt Ende der 1980er Jahre

Im Schnitt kommen zwei Jungen pro Brut durch, das genügt zur Arterhaltung, und das ist das Hauptziel, erzählt Langenegger. Vergangenes Jahr zählte der LBV über 750 Weißstorchenpaare im Freistaat. 1988 erreichte die Population laut Bayerischem Landesamt für Umwelt ihren "Tiefpunkt" mit nur noch 58 Paaren.


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Bernhard Langenegger verweist an dieser Stelle auf die Wiesenbrüter wie Kiebitz und Großer Brachvogel, die stark vor dem Aussterben bedroht sind. Hier im Wiesmet, den Feuchtwiesen rund um die Altmühl, die zu einem der wertvollsten Wiesenbrütergebiete Süddeutschlands zählen, finden sie noch einen geeigneten Lebensraum. Und auch der Allesfresser Storch bedient sich am Buffet der Wiesen: "Er frisst jeden Käfer, Maulwurf, Fisch, aber auch jedes kleine Küken, das er findet." Heißt, er macht auch vor einem frisch geschlüpften Kiebitz nicht halt und ist somit eine potenzielle Bedrohung für die Wiesenbrüter.

Darin besteht das Dilemma des Tierschutzes, sagt Langenegger: "Der Mensch greift ein, hilft - aber daraus entstehen neue Probleme." So findet im Wiesmet bereits eine "Fuchsentnahme" statt, bedeutet der Fressfeind wird lebend gefangen und um dann getötet. Füchse seien nicht bedroht, die Wiesenbrüter hingegen schon.

Doch zurück zu den Störchen: "Wir unterstützen jeden Hausbesitzer, der die Vögel duldet", möchte Langenegger den Bürgerinnen und Bürger mit auf den Weg geben. Zwar gebe es keine Förderung mehr, doch beratend und helfend stehe der LBV jedem zur Seite, der das möchte. Wichtig zu wissen: Sobald ein Storchenweibchen ein Ei abgelegt hat, darf das Nest nicht mehr entfernt werden, "es ist per Gesetz geschützt". Lediglich die Höhere Naturschutzbehörde kann eine Sondergenehmigung zum Entfernen erteilen.

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