Wenn Klein-Allgäu in Nordstetten liegt

21.7.2019, 07:11 Uhr
Wenn Klein-Allgäu in Nordstetten liegt

© Babett Guthmann

Diesmal war Nordstetten an der Reihe, und Ortssprecher Alfred Pirling führte zuerst zu einem Aussichtspunkt am Rand des Waldes beim Unterwurmbacher Berg. Hier eröffnet sich eine Postkartenaussicht auf die Dorfkulisse: Sattgrüne Wiesen und Weiden mit zufriedenen Mutterkühen bestimmen das Bild im abseits der großen Verkehrsadern gelegenen Wurmbachtal. Der Ausblick nach Gnotzheim und zum Spielberg runden das Bild ab.

Hier liegt also Gunzenhausens Klein-Allgäu versteckt! Dieser Vergleich liegt gar nicht so fern, denn die Viehhaltung und die Milchproduktion sind schon ein wichtiger Faktor im kleinsten Gunzenhäuser Ortsteil – und dabei spielt auch die Landwirtsfamilie Pirling eine gewichtige Rolle. Das Wahrzeichen von Nordstetten ist der 1899 geweihte Glockenturm mit Turmuhr. Steht man vor dem schmalen, dreigeschossigen Türmchen, möchte man unwillkürlich außen herumlaufen: Irgendwo muss doch die dazugehörige Kirche sich verstecken…

Wenn Klein-Allgäu in Nordstetten liegt

© Babett Guthmann

Aber nein, der Turm war stets nur als Glockenturm geplant und wurde von den Gemeindegliedern gestiftet. Besonders tat sich da die Brauersfamilie Rosenbauer hervor. Adam Rosenbauer stifte ganz allein eine Glocke und trug auch zum Bau noch sein Scherflein bei. Der Turmbau war jedoch insgesamt ein Projekt der Ökumene, denn ein Teil der Nordstettener machte sich seit jeher zur Messe ins katholische Gnotzheim auf, während der größere Teil zum protestantischen Sonntagsgottesdienst nach Stetten ging.

Günther Koch, der sich mit der Häusergeschichte Nordstettens intensiv befasst und auch eine Veröffentlichung plant, kann sogar den Betrag nennen, den die Gemeindemitglieder vor genau 120 Jahren aufgebracht hatten: 2080 Mark haben Bau und Glockenstiftung damals gekostet. Und wenn es schon einen Glockenturm gibt, dann wird dort seither zünftig geläutet: Start ist um 5.30 Uhr, dann um, 11 und um 12, nachmittags je nach Jahreszeit um 15 oder um 16 Uhr und dann noch zum Abendläuten um 20 Uhr. Heutzutage erledigt das ein Automat, aber das sonntägliche Läuten eine Stunde vor dem Kirchgang nach Stetten und bei besonderen Anlässen hat seit einigen Jahren Friedrich Rosenbauer übernommen, wobei dieser nun die Glocke von Großvater Adam zum Klingen bringt.

Weit hat er es ja nicht: Gegenüber vom Turm steht sozusagen das zweite Wahrzeichen des Orts, das Gasthaus Rosenbauer. Hier ist noch alles so eingerichtet wie zu jener Zeit, als Friedrich Rosenbauers Mutter Anna die Gläser noch auf Original-Bierfilze platzierte, also solche aus echtem Filz – waschbar, nachhaltig, praktisch, aber ohne Werbeaufdruck.

Erinnerungen an Kirchweih

Das heutige Wirtsehepaar Rosemarie und Friedrich erinnert sich gerne an die Kirchweihfeste, die man bis vor einigen Jahren in der Wirtschaft zur Weihe der Kirche in Stetten gefeiert hat, sogar eine Kirchweih-Speisekarte halten sie in Ehren, wo von Festtagssuppe übers Krautfleisch und Knöchle die fränkische Spezialitätenliste rauf- und runtergekocht wurde. Wenn die Gesundheit mitspielt, möchten die Rosenbauers, die ja beide schon im Rentenalter sind, wenigstens eine "Bratwurstkirchweih" in ihrer Traditionswirtschaft feiern.

Wenn Klein-Allgäu in Nordstetten liegt

© Babett Guthmann

Ansonsten ist das gesellige Leben in Nordstetten überschaubar: Zwei eigenständige Vereine gibt es – die Freiwillige Feuerwehr Nordstetten um Kommandant Bernd Weydringer und den Dorfverschönerungsverein mit der Vorsitzenden Karin Stahlfänger. Ansonsten sind – so formuliert es Ortssprecher Alfred Pirling – Stetten und Nordsteten "eng miteinander verbunden". Die beiden Feuerwehren agieren und üben oft gemeinsam, Nordstettner machen im Stettner Schützenverein mit, und über die Kirchengemeinde gibt es ebenfalls enge Bindungen.

Früher gab es für diese Bindung auch einen festen Weg, den Kirchenweg, der durch das Ebenholz von Nordstetten nach Stetten führt. Eine malerischer Ortsverbindungswegführt zudem ins nahe Maicha, man spaziert oder radelt dabei an einer langen, langen Reihe von Ahornbäumen entlang.

Und ganz so ab vom Schuss liegt der kleine Ort Nordstetten dann doch wieder nicht: Einmal im Jahr erweist sich der Rosenbauer’sche Sommerkeller als Mekka für die Abiturenten des Simon-Marius-Gymnasiums und deren Freunde: Hier wird seit Jahrzehnten die Abi-Fete mit Open-End gefeiert!

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