Hat sich Peggy am Telefon bei ihrer Freundin gemeldet?

21.11.2013, 08:39 Uhr
Hat sich Peggy am Telefon bei ihrer Freundin gemeldet?

© David Ebener

Bei Gudrun Rödel, der Betreuerin des geistig behinderten Ulvi K., ist die Freude „riesengroß“. Seit acht Jahren kämpft sie dafür, dass ihr Schützling noch einmal vor Gericht kommt — um freigesprochen zu werden. Rödel, eine frühere Rechtsanwaltsgehilfin, ist überzeugt, dass der heute 35-Jährige die quirlige Peggy gar nicht ermordet haben kann. Minutiös hat sie Polizeiprotokolle, Briefe, Gutachten und Korrespondenzen zusammengetragen. Und ist auf immer mehr Ungereimtheiten und Widersprüche in dieser unglaublichen Geschichte gestoßen.

Vor sieben Monaten hat sie zusammen mit dem von ihr beauftragten Frankfurter Rechtsanwalt Michael Euler einen mehr als 1000 Seiten umfassenden Wiederaufnahmeantrag bei der Justiz in Bayreuth abgegeben. Seitdem brüten Staatsanwaltschaft und Gericht über dem Aktenberg.

Am Mittwoch nun gab es das erhoffte erste Signal, das allerdings weniger klar ausfiel als erwartet. Der Leitende Oberstaatsanwalt Herbert Potzel teilte mit, zumindest ein Punkt des Euler-Antrags rechtfertige die Wiederaufnahme des Verfahrens: Der Anwalt habe eine Zeugin benannt, die das Gericht bei der Verurteilung von Ulvi K. noch nicht gekannt habe.

Die Mutter befragt

Weitere Angaben wollte Potzel nicht machen. Er bestätigte aber, dass die Staatsanwaltschaft unabhängig davon ihre eigenen Ermittlungen durchführt. Eine Arbeitsgruppe „Peggy“ bei der Kripo in Bayreuth geht neuen Spuren nach. In Kürze wird Anklage gegen einen Mann aus Halle erhoben, der mit Peggys Familie befreundet war und jetzt zugegeben hat, sich auch an Peggys Freundin sexuell vergangen zu haben. Er ist bereits wegen Kindesmissbrauchs an seiner Tochter zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Ob er etwas mit Peggys Verschwinden zu tun hat, ist weiter unklar.

Rund 150 Zeugen hat die Staatsanwaltschaft inzwischen vernommen, nach Informationen unserer Zeitung wurde vor kurzem auch Peggy Mutter neuerlich befragt.

Rechtsanwalt Michael Euler zeigte sich enttäuscht. Er habe sich mehr erwartet, sagte er, denn sein Wiederaufnahmeantrag stütze sich nicht auf diese eine Zeugin, die die Staatsanwaltschaft nun erwähnt. Euler geht davon aus, dass es sich dabei um Peggys Freundin Sarah handelt, die versichert, sie sei einige Wochen nach deren Verschwinden noch von Peggy angerufen worden. Die Kleine habe am Telefon gesagt, sie wisse zwar nicht, wo sie sich befinde, es gehe ihr aber gut.

„Ich habe neue Zeugen genannt, die Peggy noch am Nachmittag gesehen haben“, unterstreicht Euler, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem laut Urteil die Schülerin bereits hätte tot sein müssen.

Jetzt muss das Landgericht in Bayreuth entscheiden, ob der Fall neu aufgerollt wird. Im Januar muss die Strafvollstreckungskammer beurteilen, ob Ulvi K. weiterhin in der Psychiatrie untergebracht wird, wo er derzeit einsitzt, weil er sich mehrfach vor Kindern entblößt hat. Das Urteil wegen Mordes wird bislang nicht vollstreckt. Rechtsanwalt Euler kündigt an, erneut einen Wiederaufnahmeantrag einzureichen, sollte der jetzige abgelehnt werden. Denn ihm liegt seit kurzer Zeit das sogenannte Tatrekonstruktionsvideo vor. In dieser Aufzeichnung stellt Ulvi K. vor den Ermittlern die angebliche Tat nach.

Ulvi erzähle darin aber so viel „Unfug“, findet Euler, dass selbst ein erfahrener Polizist „kopfschüttelnd aus dem Bild läuft“. Alleine Ulvis Schilderung, sein Vater habe Peggys Büchertasche im Auto hin und her gefahren und dann in der Wohnung aufbewahrt, ehe sie in der Mülltonne landete, sei haarsträubend.

Ulvi hätte rennen müssen

Auch die Münchner Autorin Ina Jung („Der Fall Peggy — die Geschichte eines Skandals“), die sieben Jahre lang recherchiert und ihre Ergebnisse der Justiz zur Verfügung gestellt hat, ist über das Video empört. Man habe Ulvi darin nie aufgefordert, zu rennen, klagt Jung. Denn dann hätte man sofort gesehen, dass es dem schwerfälligen Jungen gar nicht möglich gewesen sei, die flinke Peggy einzuholen und sie zu erdrosseln, so wie er es in seinem Geständnis erzählt hatte.

Ulvi hatte dieses Geständnis abgelegt, als sein damaliger Anwalt gerade gegangen war. Anschließend hat er widerrufen, sogar mehrfach. Und ist bis heute dabei geblieben.

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