Hausbrunnen: Tausende Franken versorgen sich selbst mit Wasser

21.8.2020, 05:38 Uhr
Hausbrunnen: Tausende Franken versorgen sich selbst mit Wasser

© Jens Büttner/dpa

Strom kommt aus der Steckdose und Wasser aus der Leitung. Das ist auch bei Helmut Weiß so. Doch die Wasserleitung beim Landrat des Landkreises Neustadt/Aisch-Bad Windsheim ist ausgesprochen kurz. 34 Meter reicht sie in seinem Hof im Obernzenner Ortsteil Rappenau in die Tiefe. Von dort wird das Wasser nach oben gepumpt und kommt dann direkt aus Weiß‘ Wasserhahn.

Weiß hat einen Hausbrunnen und ist nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Wenn der Landrat Nudel- oder Teewasser aufsetzt, wenn er duscht oder die Badewanne volllaufen lässt, dann benutzt er sein selbst gefördertes Wasser. So ist es bei allen etwa 25 Anwesen im Ort.

Anschlusszwang beim Trinkwasser

Eigentlich gibt es bei der öffentlichen Wasserversorgung einen Anschluss- und Benutzungszwang. Wenn Leitungen neu in einem Dorf verlegt werden, so muss sich auch jeder Haushalt daran anschließen. Doch etliche Orte in Bayern sind noch immer nicht mit der öffentlichen Wasserversorgung verknüpft – und viele davon wollen das auch gar nicht sein. So wie Rappenau, wo Weiß im Jahr 1986 etwas unverhofft zu einem der Vorkämpfer für die private Wasserversorgung wurde.

Damals reichte sein Brunnen wie bei vielen Nachbarn nur 18 Meter in die Tiefe. "Qualität und Quantität waren nicht mehr ausreichend. Das erste Grundwasser-Stockwerk war zu sehr nitratbelastet, wir mussten in ein tieferes Stockwerk bohren", erzählt Weiß.

Bevor man mächtig investierte, fragte man vorsichtshalber bei der Gemeinde nach, ob der Anschluss an eine Fernwasserleitung bevorstünde. Nach der beruhigenden Antwort bohrten Weiß und viele andere auf eigene Kosten tiefere Brunnen. "Doch nur ein Jahr später sollten wir plötzlich doch ans Fernwasser angeschlossen werden. Das war quasi eine Nacht-und-Nebel-Aktion", erinnert er sich.

Brunnenbesitzer protestierten gegen Zwangsanschluss

Der Protest der Brunnenbesitzer war gewaltig. Eine Interessengemeinschaft gegen den Zwangsanschluss wurde gegründet, es gab denkwürdige Versammlungen und hitzige Diskussionen im Gemeinderat und mit dem Bürgermeister. Das Ergebnis: Die etwas größeren Orte wurden angeschlossen, die kleineren wie Rappenau aber konnten weiter selbst ihr Trinkwasser aus der Tiefe holen.


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"Mit einem Hausbrunnen hat man ein ganz anderes Verhältnis zum Wasser. Da schaut man ganz genau, was im Einzugsgebiet passiert und passt auf, dass der Brunnen nicht gefährdet ist", verdeutlicht Weiß. Und auch finanzielle Vorteile hat man trotz der Unterhaltskosten natürlich, schließlich muss man keine Wassergebühren zahlen.

Letztmals landesweit statistisch erfasst wurde die Zahl der Hausbrunnen im Jahr 2004. Damals gab es im Freistaat laut Landesamt für Statistik noch 33932 Hausbrunnen. Ganz klarer Schwerpunkt war dabei Niederbayern mit 19417 Brunnen. In Mittelfranken wurden im Jahr 2004 noch 3385 Brunnen gezählt.

150 Ortsteile mit Hausbrunnen im Kreis Ansbach

Seither hat sich vor allem im Landkreis Ansbach viel getan. Von damals 2009 Hausbrunnen sind heute nach Angaben des Landratsamtes (bei den Kreisbehörden liegen immer noch aktuelle Daten vor) noch 884 übrig. Damit werden etwa 950 Haushalte in rund 150 Ortsteilen versorgt.

Im benachbarten Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim gibt es heute immer noch 960 Hausbrunnen (im Jahr 2004 waren es 980). Insgesamt 37 größere Ortsteile werden so versorgt, dazu kommen etliche Aussiedlerhöfe und Mühlen. Hausbrunnen finden sich vor allem im Norden und Osten des Landkreises sowie im Zenngrund.

"Gerade bei sehr abgelegenen Weilern machen Hausbrunnen auch heute noch Sinn. Dorthin kann man kaum eine öffentliche Leitung bringen, ohne dass es aufkeimt", meint Roland Rösler vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach. Problematisch und potenziell gefährdend ist, dass Hausbrunnen immer mitten in bebautem Gebiet liegen und auch keine wasserrechtliche Sonderstellung haben wie öffentliche Trinkwasserbrunnen.

Quelle neu fassen oder Brunnen verlagern

Eine grundlegende Verschlechterung des Wassers ist normalerweise ein sehr langer Prozess, bei dem man rechtzeitig gegensteuern kann. "Dann muss man für jede Situation individuelle Lösungen finden, zum Beispiel eine Quelle neu fassen, den Brunnen verlagern oder ein kleines Schutzgebiet ausweisen", erklärt Roland Rösler vom Wasserwirtschaftsamt.


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Seit er 1986 den Wasserkampf geführt hat, betreut Weiß rund 100 Brunnen in der Gemeinde Obernzenn und organisiert dort die jährliche Wasseruntersuchung. Wer einen Hausbrunnen hat, übernimmt damit auch viel Verantwortung. "Mehrmals im Jahr sollte man eine Desinfektionschlorung machen. Außerdem sollte man immer wieder den Druckkessel reinigen – und natürlich im Umfeld des Brunnens vorsichtig mit Chemikalien umgehen", empfiehlt Weiß.

Mittlerweile beobachtet der Landrat aber, dass sich bei vielen Brunnenbesitzern zunehmend Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit breitmachen. "Die nächste Generation, die den Wasserkampf nicht mehr mitgemacht hat, macht sich’s bequem. Da hätten viele lieber ihr Wasser aus der öffentlichen Leitung und sie selbst damit ihre Ruhe", meint er.

Bußgeldbescheid bei nachlässiger Wartung

Zunächst einmal gefährdet man mit der nachlässigen Wartung natürlich vor allem die eigene Gesundheit, doch wenn auch bei einer Nachuntersuchung noch keine besseren Werte festgestellt werden, kommt ein Bußgeldbescheid vom Landratsamt.

Überschreitungen von Grenzwerten sind gar nicht mal so selten. Im Landkreis Ansbach kommen sie im Schnitt bei etwa einem Drittel der Hausbrunnen vor. "Spätestens nach einem Bußgeldbescheid passiert in der Regel aber auch etwas. Dafür ist er zu soziale Druck in den Ortschaften zu groß", sagt Weiß.

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