Dokumentation für arte

Aus Franken an die Côte d’Azur: Baronin begibt sich in die Welt der Stars und Künstler

21.11.2021, 14:29 Uhr
Hier residierten Stars und Künstler: Das Hotel du Cap-Eden-Roc nimmt im Dokumentarfilm Mythos Côte d’Azur eine zentrale Rolle ein.

© Romain Reglade, NN Hier residierten Stars und Künstler: Das Hotel du Cap-Eden-Roc nimmt im Dokumentarfilm Mythos Côte d’Azur eine zentrale Rolle ein.

Eigentlich müsste die Geschichte beginnen mit „Es war einmal“. Denn es geht es um Fürstentümer, Künstlerlegenden, Stars und die Liebe. Viel Stoff also für bunte Mädchenträumereien in Hochglanz-Magazinen. Los geht es mit der Schlossherrin. Sie wirkt nie abgehoben, vielmehr so bodenständig, nahbar und freundlich, dass man das „von“ in ihrem Namen glatt vergisst.

Sie kümmert sich selbst um ihre Karriere. In Berlin absolviert sie ein Fernseh-Volontariat bei N 24 und arbeitet in der Politikredaktion. „Die Zeit war enorm spannend“, sagt Irina von Gagern. Sie hat live von Wahlen berichtet und durfte den Bundespräsidenten auf einer Reise ins Kosovo begleiten. „Aber es hat mich zunehmend gestört, dass das Medium Fernsehen zu wenig Zeit bietet, Politik zu erklären, zu hinterfragen und nachvollziehbar zu machen. In knapp 60 Sekunden einer Nachrichten Story im TV bleibt da wenig Zeit.“

Marlene Dietrich leistete sich 1939 im Hotel du Cap gleich zwei Affären gleichzeitig. 

Marlene Dietrich leistete sich 1939 im Hotel du Cap gleich zwei Affären gleichzeitig.  © Hotel du Cap-Eden-Roc, NN

Also wechselt sie nach London, arbeitet dort zunächst als freie Journalistin und später für das ZDF Studio London. „Mein tägliches Brot waren die von mir sehr geliebten Reportagen über die ganz normalen Menschen und ihre Schicksale“, erzählt die 50-Jährige. Und: „Wenn ein Interview anstand mit einem besonders bekannten Prominenten, haben meine Kollegen oft gesagt: Komm, mach du das, Irina.“

Wen sie alles getroffen hat? Die Liste ist lang. George Clooney und Matt Damon zum Beispiel. Hugh Grant fand sie „besonders lustig“ und Angelina Jolie „auffallend nett“. Besonders beeindruckt aber hat sie ein Treffen mit Prince Charles in ihrer Zeit als freie Journalistin. „Ich finde ihn in vielen Dingen einen Visionär“, sagt sie. „Er hat zum Beispiel schon vor vierzig Jahren eine Untersuchung zur Verschmutzung der Meere mit Mikroplastik in Auftrag gegeben und wurde dafür nur belächelt.“ In Schottland dreht Irina von Gagern in einem Landstrich, den das Engagement von Prince Charles mit Arbeit, Hoffnung, Bildung und Perspektiven versorgt.

 Irina Freifrau von Gagern bei der Arbeit an ihrem Film "Mythos Côte d'Azur - Liebe, Luxus, Leidenschaft".

 Irina Freifrau von Gagern bei der Arbeit an ihrem Film "Mythos Côte d'Azur - Liebe, Luxus, Leidenschaft". © Claudia Freilinger, NN

Aber natürlich ist die Welt der Stars nicht ihre eigene – auch wenn es da ebenfalls sehr abwechslungsreich zugeht. 2003 heiratet sie Maximilian von Gagern, den sie auf einem Wochenende bei Freunden kennengelernt hat. Die beiden leben in München und bekommen drei Kinder. Er dreht Werbefilme, sie verlegt sich nach der Geburt des zweiten Kindes mehr aufs Schreiben als aufs Drehen. Reisereportagen führen sie unter anderem auf die Seychellen, nach Dubai oder Abu Dhabi, wo sie sie mitten in der Wüste in einer Luxusoase die Rennpferde des Herrschaftshauses erleben darf.

In diese Reihe passt ein Besuch an der Côte d’Azur, jenen Teilabschnitt der französischen Mittelmeerküste, der bekannt ist für seinen Prunk und seine Filmfestspiele. Irina von Gagern besucht das Hotel du Cap-Eden-Roc in Antibes, das später für die Journalistin zum Ausgangspunkt wird für ihr bislang längstes Filmprojekt, die Dokumentation „Mythos Côte d’Azur“.

Die Erfindung der Sommersaison: Pablo Picasso und die Murphys feierten 1923 exzentrische Partys am Strand.

Die Erfindung der Sommersaison: Pablo Picasso und die Murphys feierten 1923 exzentrische Partys am Strand. © Beinecke Libary, NN

Das private Archiv des glamourösen Hauses wird zum Schatzkästchen für die Baronin. „Ich habe mich einfach sehr gut mit den Menschen dort verstanden“, erzählt sie, „und einige Zeit später waren wir das erste Fernsehteam, dem sie für eine Doku die Türen geöffnet haben.“ Das Archivmaterial zeigt die schillernd-bunte Welt der Stars, als sie die Bilder noch schwarz-weiß waren. Denn das Hotel du Cap-Eden-Roc beherbergt seit 150 Jahren Künstler, Könige, Diven und Stars. König Edward VIII fand hier diskreten Unterschlupf mit seiner Geliebten Wallis Simpson. Marlene Dietrich dagegen scherte sich wenig um Diskretion bei ihrer Affäre mit Joseph Kennedy. Pablo Picasso feierte exzentrische Partys am Strand und auch Autor Ernest Hemingway gab sich die Ehre. Für ihre Dokumentation hat die Regisseurin hinter die Fassade geschaut und neue Räume betreten. Denn der Blick in die Geschichte zeigt, die französische Riviera ist viel mehr als Prunk

Seit 1969 ist das „Hotel du Cap“ im Besitz der deutschen Industriellenfamilie Oetker. Maja Oetker schildert in ihrem ersten TV-Interview ihre persönlichen Erinnerungen an die vergangenen 50 Jahre. Sie erzählt zum Beispiel von dem Segeltörn, den sie mit ihrem Mann kurz nach der Hochzeit unternahm, und sich vom Wasser aus in das Hotel verliebte. „Damals sind sie weitergefahren, weil ihm die Übernachtung zu teuer erschein, fünf Jahre später haben die das Haus gekauft“, verrät Irina von Gagern.

Anderthalb Jahre lang hat die Dokumentation die Freifrau beschäftigt, die sich 2011 fest mit ihrer Familie in Schloss Neuenbürg niedergelassen hat. Von dort ist sie zweimal zu Dreharbeiten an der französischen Riviera aufgebrochen, die jeweils eine Woche lang dauerten und sie an viele bekannte Orte führten. An ihrer Seite, der bekannte Münchener Regisseur Hannes Schuler, der schon sehr viele Filme für arte gedreht hat.

"Die schönste Frau der Welt"

„Es war für mich eine tolle Erfahrung, meine Interviewpartner länger zu begleiten und tiefer zu befragen, als das bei kürzeren TV-Reportagen möglich ist“, sagt die Journalistin. Die Corona-Pandemie hat bei ihrer Arbeit vieles verzögert, aber auch Außergewöhnliches möglich gemacht – zum Beispiel in St. Tropez. Dort erzählt Patrice de Colmont, Besitzer des legendären Strand-Clubs 55, von seiner Kindheit. Seine Eltern waren Dokumentarfilmer. Als Patrice acht Jahre alt war, kam die seiner Meinung nach „schönste Frau der Welt“. Brigitte Bardot spielte die Hauptrolle in „Und immer lockt das Weib“.

Die Mutter von Patrice de Colmont hat das Filmteam acht Wochen lang bekocht, nachdem der Regisseur fälschlicherweise davon ausgegangen war, die Strandhütten der Colmonts seien ein Restaurant. Hieraus entstand 1955 der wahrscheinlich bekannteste Strand-Club der Welt. Und Irina von Gagern und ihr Team konnten dank Corona Bilder zeigen von einem menschenleeren Strand, die erahnen lassen, wie der Küstenabschnitt früher gewirkt haben könnte. Das Wasser zeigt sich dabei in seiner schönsten Farbe: azurblau.

Der Film Mythos Côte d’Azur - Liebe Luxus, Leidenschaft läuft am Donnerstag, 25. November, um 20.15 Uhr auf arte. Vorab ist er bereits in der Mediathek zu finden.