Beratung in ERH: "Ihr werdet gehört und gesehen"

3.4.2021, 12:00 Uhr
Beratung in ERH:

© Foto: Jeanette Seitz

Mit Corona habe sich "eine bis dahin kaum vorstellbare Dimension von Unvorhersehbarkeit für uns alle eröffnet", schreibt die Leiterin der Beratungsstelle in Herzogenaurach, Simone Steiner, in ihrem Vorwort des Tätigkeitsberichtes 2020. Dennoch sei es gelungen, den Beratungsbetrieb aufrecht zu erhalten und erreichbar zu bleiben für Ratsuchende sowie die wichtige Netzwerkarbeit fortzusetzen.

Mehr denn je hätten die Beraterinnen und Berater gemerkt, "wie wichtig es ist, als Mensch mit Bedürfnissen und Möglichkeiten gesehen zu werden", sagt Steiner im Gespräch. Und vor allem auch, wie wichtig die Fürsorgeleistung von Beratungsstellen für die Gesellschaft sei.

Die Gesamtzahl der Klienten ist mit 1046 im Vergleich zum Vorjahr (1112) zwar recht stabil geblieben, doch gab es mit 6493 Beratungskontakten durchaus deutlich mehr als im Vorjahr (5498). Das liegt vor allem an der Telefonberatung, bei der ein Kontakt häufig kürzer dauert als bei der Präsenzberatung. Laut Steiner waren aber vor allem Familien durch die Coronakrise einem gewissen zusätzlichen Leidensdruck ausgesetzt.

Die Gründe für die Inanspruchnahme einer Beratung indessen haben sich im Laufe der Jahre nicht signifikant verändert. Die drei häufigsten Gründe sind nach wie vor Beziehungsprobleme, Trennung/Scheidung sowie besondere Belastungssituationen.

Mehr Überlastung/Überforderung

Bei letzterem ist mit 25,4 Prozent die häufigste Nennung im Jahr 2020 Überlastung/Überforderung. "Das kann man durchaus als Ergebnis von Corona mit Homeoffice, Homeschooling und der damit verbundenen Verdichtung von Aufgaben werten", erklärt Simone Steiner. Weitere "besondere Belastungssituationen" können etwa schwere körperliche oder psychische Krankheiten, Alleinerziehenden-Problematik, Wohnungswechsel oder drohende Arbeitslosigkeit sein. Eine Zunahme an häuslicher Gewalt hingegen konnte zumindest die Caritas-Beratungsstelle nicht verzeichnen.

Der Zugang zur Beratungsstelle sei ihnen "gar nicht schwer" oder nur "etwas schwer" gefallen, antworten 79 Prozent in dem Fragebogen nach Beendigung der Beratung.

Und sogar 92 Prozent bewerten das Anmeldeverfahren und die Terminvergabe positiv. Viele sagen auch, die Erziehungsberatungsstelle sei nach eigenen Lösungsversuchen ihre erste Anlaufstelle gewesen. "Das spricht für unsere Bekanntheit und unsere leichte Zugänglichkeit", betont Steiner. Denn man wolle ja ein möglichst niederschwelliges Angebot bieten.

Hemmschelle sinkt

In der Tat kommen 34,6 Prozent auf Eigeninitiative, weitere 16,8 Prozent auf Empfehlung von Verwandeten/Bekannten. "Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, ist niedriger geworden", freut sich Steiner. Einzig für Jugendliche sei es noch ein Problem, um Hilfe zu bitten. "Das lässt sich oft schwer mit ihrem Selbstwertgefühl vereinbaren."

In diesem Zusammenhang verweist Steiner nochmals auf das kostenfreie und anonyme Online-Beratungsangebot (www.caritas.de/onlineberatung).

Dennoch habe man im vergangenen Jahr versucht, die Präsenzberatungen für Jugendliche soweit möglich aufrecht zu erhalten. "Denn wenn Jugendliche ohnehin schon mit Isolation und Einsamkeit zu kämpfen hatten, hat Corona das nur noch verstärkt."

Laut Simone Steiner waren das auch Fragen, die das Team im vergangenen Jahr besonders beschäftigten: "Wie können wir auf die Not aufmerksam machen, die durch Corona für Kinder und Jugendliche entsteht? Mit was für Ängsten und Einschränkungen haben sie künftig zu kämpfen, wenn ihr Leben und ihre Erfahrung von Gesellschaft so geprägt von Vorsicht und Abstand ist?" Deshalb hängt im Eingangsbereich der Beratungsstelle in Herzogenaurach eine Pinnwand für die Gedanken und Gefühle der Kinder und Jugendlichen. "Damit wollen wir zeigen: Ihr werdet gehört und gesehen", so Steiner.

Ausdrücklich möchte sie auch die Leistung der Eltern in dieser schwierigen Zeit würdigen und wertschätzen. "Einfach da zu sein, sich zur Verfügung zu stellen und auch mal Wutanfälle auszuhalten, ist wichtig und wertvoll."

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