Das Ende der Petroleumlampen

Herzogenaurach: Vor einhundert Jahren gingen in der Stadt die Lichter an

22.9.2021, 05:45 Uhr
Elektro-Ingenieur Heinrich Leibrecht (mitte links mit Krawatte) und die Mitarbeiter seiner Firma kümmerten sich um die Anlagen für den Strom in Herzogenaurach.

© Manfred Welker, NN Elektro-Ingenieur Heinrich Leibrecht (mitte links mit Krawatte) und die Mitarbeiter seiner Firma kümmerten sich um die Anlagen für den Strom in Herzogenaurach.

In den vorangegangenen Jahrhunderten bestimmte das natürliche Tageslicht die Arbeitsdauer. Künstlich erzeugtes Licht war teuer, Wachs konnten sich nur Begüterte leisten. Der Normalbürger verwendet Öl- oder Talglichter, sowie Kienspäne. Eine Folge davon war, dass die Arbeitszeit im Winter kürzer als im Sommer war.

Erster Versuch scheiterte an den Kosten für den Unterhalt

Die Industrialisierung forderte jedoch einen gleichmäßigen Arbeitstakt, der unabhängig vom Tageslicht sein musste. Auslöser für die Stromversorgung der Stadt Herzogenaurach war jedoch das Anliegen, Straßenlaternen aufzustellen. Bereits um 1858 wurde in der Stadt der Vorschlag gemacht, Herzogenauracher Straßen mit Laternen zu beleuchten. Doch scheiterte dieses Vorhaben an den nötigen Unterhaltskosten.

Heinrich Leibrechts Geschäftsanzeige.

Heinrich Leibrechts Geschäftsanzeige. © Manfred Welker, NN

Erst 1865 wurden die Straßen Herzogenaurachs durch Petroleumlaternen beleuchtet. 1901 wurde eine erste Anfrage an die "Elektro-technische Abtheilung des Bayerischen Gewerbemuseums" in Nürnberg gerichtet. In einem Gutachten sollte geklärt werden, ob sich die Eichelmühle zur Errichtung eines "Electricitätswerkes für die Beleuchtung der Stadt Herzogenaurach" eignen würde.

Die Stadt wurde von zirka 50 Petroleumlaternen beleuchtet

Im Gutachten vom 20. April 1901 heißt es, dass das Einbauen eines neuen Wasserrades in der Eichelmühle für die Betriebsdauer von sieben Arbeitsstunden die Leistung von 6 PS erbringen könnte. Die Stadt würde z.Zt. durch ca. 50 Petroleumlaternen beleuchtet,

"Werden nun diese 50 Laternen durch electrische Glühlampen zu je 16 Hefner-Einheiten Leuchtkraft ersetzt, so ist hierzu eine electrische Energie von rund 3000 Watt nötig, und dieser entspricht wiederum einer Antriebskraft von 5½-6 PS an der Welle des Wasserrades, wobei die Verluste in der Stromleitung, der Dynamomaschine und dem Vorgelege schon berücksichtigt sind. Es geht hieraus hervor, dass es möglich ist, mit der an der Eichelmühle zur Verfügung stehenden Wasserkraft ohne Zuhilfenahme von Akkumulatoren die electrische Beleuchtung der Stadt Herzogenaurach in dem Umfange der jetzigen Beleuchtung mit Sicherheit zu betreiben."

Allerdings würde es der niedrige Wasserstand im Winter und damit die niedrigere Leistung unmöglich machen, weitere Verbraucher wie Straßenbeleuchtung oder gar private Abnehmer anzuschließen. Die Umwandlung der Petroleumstraßenbeleuchtung durch elektrische Lampen wurde mit höchstens 15-20.000 Mark veranschlagt.

Der Stadtmagistrat unter Bürgermeister Valentin Welker wollte jedoch zunächst die Vereinigung der Tuchmacher zu einer Genossenschaft abwarten, um weitere Stromabnehmer zu gewinnen und stellte daher dieses Vorhaben zurück. Im Jahr 1904 entschloss sich jedoch der Stadtmagistrat, ein Gaswerk zu errichten, um damit die Straßenbeleuchtung sicherzustellen.

Anschluss an das Fränkische Überlandwerk in Nürnberg

Die Folgen des ersten Weltkrieges erforderten am 23. August 1917 eine Eingabe an die Königliche Regierung von Oberfranken. In der Entgegnung aus München vom 18. September 1917 befürwortete das Staatsministerium des Innern den Anschluss Herzogenaurachs an das Fränkische Überlandwerk in Nürnberg.

Grund dafür war, dass durch Kohlemangel die Herstellung kriegswichtiger Güter in der Fabrikfiliale der Vereinigten fränkischen Schuhfabriken Nürnberg im Zweigwerk Herzogenaurach gefährdet war. Jedoch brachten diese Bemühungen der Stadtväter von Herzogenaurach zunächst keinen Erfolg.

Auch Versorgung der ganzen Stadt mit Strom scheiterte am Geld

Die fortschreitende Stadtentwicklung forderte aber die Elektrifizierung. In einem Schreiben an das Elektrotechnische Laboratorium in München vom 13. Februar 1919 wurde daher um eine Beratung nachgesucht.

Die Stadt besaß zu diesem Zeitpunkt rund 3400 Einwohner und wurde mit Azetylengas versorgt. In einem Brief an die Schuhfabrik J. Weil in Fürth, am 10. Januar 1920, wurde deren Anfrage jedoch abschlägig beurteilt:

"Die Elektrizitätsversorgung des gesamten Stadtgebietes wurde durch einstimmig gefassten Beschluss des Stadtrates wegen der erdrückenden Teuerung zurückgestellt."

Der Beschluss, Herzogenaurach an die Elektrizitätsversorgung anzuschließen, erfolgte dann am 27. September 1920. Bürgermeister Wilhelm Bausch konstatierte am 16. November 1920 den schlechten Zustand des Gaskessels, ein Schaden sei bereits vorprogrammiert.

Hohe Kosten für den Ortsnetzausbau

Die schlechte Qualität des Karbids, die nur noch 70 Prozent Ausbeute erlaube und der hohe Preis würden daher den Wechsel zu Strom als Energieträger nahelegen. Ebenso empfahl der Beamte des Bayerischen Revisions-Vereins nach einer Überprüfung, die Versorgung Herzogenaurachs mit Elektrizität tatkräftig in die Hand zu nehmen.

Vorrangiger Zweck war es, die Entwicklung der Stadt, besonders der zahlreich entstandenen Kleinindustriebetriebe, zu fördern. Da das Deutsche Reich am Anfang einer Inflation stand, wurden die Kosten des Ortsnetzausbaues am 28. Januar 1921 bereits mit ca. 1.000.000 Mark veranschlagt.

Den Auftrag zur Ausführung des Ortsnetzausbaues erhielt die Zweigniederlassung der Firma Eisenbahnbaugesellschaft Fa. Becker & Co. in Bamberg, für 671.000 Mark. Für die Einrichtung des Stromnetzes in Herzogenaurach zeichnete Heinrich Leibrecht verantwortlich, der in Landau a.d. Isar 1897 geboren wurde, aber familiäre Wurzeln in Herzogenaurach hatte.

Nach dem Abitur in Ingolstadt folgten ein Studium der Elektrotechnik und ein Praktikum in Nürnberg. Durch seine Ausbildung war er der geeignete Mann für die Erstellung des Stromnetzes in der Aurachstadt. Die Stadt Herzogenaurach gewährte dem Jungunternehmer einen Kredit, so dass er eine Elektrofirma gründen konnte, eine Werkstatt richtete er im Elternhaus seiner Mutter ein, im Anwesen Hauptstraße 73.

Stromlieferung durch das Überlandwerk Oberfranken

Das "Fränkische Elektrizitäts-Unternehmen", an dem auch Heinrich Reichelsdorfer beteiligt war, übernahm die Einrichtung für die Stadt Herzogenaurach und das Umland. Verhandlungen wegen der Stromlieferung wurden mit dem oberfränkischen Überlandwerk, dem Überlandwerk Thalermühle und dem Bauernkraftwerk Wellerstadt geführt.

Diese ergaben, dass nur ein Anschluss an das oberfränkische Überlandwerk in Betracht kam. Probleme bereitete besonders die Aufnahme von Kapital zur Finanzierung. Im Stadtratsbeschluss vom 14. Juni 1921 wurde beschlossen, die Transformatorenstation 1 auf dem Holzplatz bei der Bieg zu errichten. Erbaut werden sollte diese auf Kosten des oberfränkischen Überlandwerkes.

Stromlieferungsvertrag mit Überlandwerk Oberfranken

Die zweite Transformatorenstation, oder auch Nebenstation, sollte auf Kosten der Stadtgemeinde westlich des Schießhauses errichtet werden. Bedingt durch den Wegfall der Gasversorgung, ging man in Herzogenaurach an die Einrichtung des elektrischen Ortsnetzes. Der Stromlieferungsvertrag mit dem Überlandwerk Oberfranken wurde durch den Stadtrat am 14. Juni 1921 überprüft. Die Stromlieferung durch das Überlandwerk Oberfranken startete am 24. September 1921.

Zwischen Herzogenaurach und dem Überlandwerk Oberfranken A.G. Bamberg wurde ein Stromlieferungsvertrag abgeschlossen. In § 2 wurde festgelegt, dass ein elektrisches Drehstromverteilungsnetz für die Spannung von 220 bzw. 380 Volt eingerichtet werden sollte.

"Akzeptanz für die neue Energie noch nicht überall vorhanden"

Ein Passus des Vertrages befasste sich mit der bisherigen Stromabnahme durch die Vereinigten Fränkischen Schuhfabriken, "Auf die Dauer des vorliegenden Vertrages der Stadtgemeinde mit der Vereinigten Fränk. Schuhfabrik vom 9. und 24. September 1917, das ist bis September 1922, bezieht Ver.fränk.Schuhfabriken ihren Strom vom fränkischen Überlandwerk weiter." Der Vertragsentwurf vom 19. Juni 1921 wurde am 29. Juni 1921 ratifiziert.

Ein Stadtratsbeschluss vom 29. August 1921 legte fest: "Am 17. September 1921 soll das Ortsnetz erstmals unter Strom genommen werden." Da die Akzeptanz für die neue Energie noch nicht überall vorhanden war, wurde am 2. November 1921 eine Aufklärungsversammlung über die Elektrizitätsversorgung für die Bürger abgehalten.

Erst am 24. September 1921 floss der Strom nach Herzogenaurach

Aus unterschiedlichen Gründen ergab sich eine zeitliche Verzögerung, erst am 24. September 1921 floss der Strom nach Herzogenaurach. Allerdings nicht in der gewünschten Qualität, in einem Brief an das oberfränkische Überlandwerk Bamberg vom 13. Oktober 1921 wurde moniert: "Das Ortsnetz Herzogenaurach ist nunmehr seit 24. IX. unter Strom gesetzt. Die Versorgung jedoch gibt zu lebhaften Klagen Anlass. Abends bei Einschaltung der Beleuchtung ist das Licht nur mangelhaft und kann weder zur Arbeit noch sonstwie gebraucht werden." Aus diesem Grund führte die Stadt am 8. November 1921 Beschwerde an die Regierung von Oberfranken, dass das oberfränkische Überlandwerk nur mangelhaft Strom liefere. Als Entschuldigung wurde vorgebracht, dass die Dieselmotorenanlage in Hirschaid nicht rechtzeitig zum 1. Oktober fertig gestellt werden konnte und daher Schwierigkeiten aufgetreten seien.

Einige Zeit später besserten sich die Bedingungen: Immer mehr Straßenlaternen wurden mit Strom versorgt, das Ortsnetz wurde immer länger - und der Stromverbrauch der Hezogenauracher höher. Über die Zeit ab Mitte der 1920er Jahre berichten wir im nächsten Teil.

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