„Kampfballett“ im Rollstuhl

26.9.2010, 23:00 Uhr
„Kampfballett“ im Rollstuhl

© Niko Spörlein

Aber nicht nur, denn auch eine nicht mehr zu überschauende Zahl an „VIPs“ mussten vor dem eigentlichen Wettkampf begrüßt werden. Der Präsident des Deutschen Olympischen Komitees, der Weisendorfer Thomas Bach, sei genannt, der Präsident des Bayerischen Landessportverbandes, Günther Lommer, der mittelfränkische Regierungspräsident Thomas Bauer, der Präsident des Bayerischen Karatebundes, Wolfgang Weigert, auch.

Und natürlich diejenigen, denen es sozusagen zu verdanken war, dass die „Bavarian Open“ nach Hemhofen kamen, Ebru Shikh Ahmad und Ismael Salah, die beiden Inhaber der Hemhofener Karateschule. Ebru Shikh Ahmad ist bekanntlich auch Integrationsbeauftragte des Deutschen Karatebundes. Und nicht zuletzt deshalb wurde das Paar von Weigert für seine Verdienste um den Sport und die Integration mit der Silbernen Ehrennadel des Bayerischen Karatebundes ausgezeichnet. „Hier wird gezeigt, was Sport alles bewegen kann“, betonte Thomas Bach bei seinem Grußwort. Auch Bach dankte der Familie Ahmad, die „sich in der ganz Bundesrepublik sportlich um die Integration bemüht“.

Regierungspräsident Bauer schließlich bestätigte Joachim Wersals Einschätzung und meinte „hier wird Sportgeschichte geschrieben“. Landrat Eberhard Irlinger warf dann ein: „Ja, wer steht denn hier im eigentlichen Mittelpunkt?“

Die behinderten Sportler natürlich. Die Rollstuhl-Karate-Kämpfer, die geistig und psychisch Behinderten, die Sehbehinderten, die Taubstummen, die Amputierten und die „stehende Klasse“. Man kämpft im Prinzip gegen maximal acht „imaginäre“ Gegner, erläuterte der Wettkampfleiter Walter Sosniok die Wertungskriterien.

„Kampfballett“ im Rollstuhl

Die Sportler mussten „Kampfbilder“ zeigen, so wie sie der 46-jährige Thomas Winkler aus Traunreut zeigte. Winkler ist seit seinem 16. Lebensjahr im Rollstuhl. Nach einer Viruserkrankung war er ab den Knien gelähmt, berichtete der erst seit einem halben Jahr täglich im Training stehende Mann. Auf den Karatesport sei er bei einer seiner Beschäftigungen in der Traunreuter Lebenshilfe gekommen, seither eifert der Gelbgürtelträger den Farben Orange, Grün und Blau hinterher.

„Nach diesem Wettbewerb melde ich mich für die Deutschen Meisterschaften im Frühjahr nächsten Jahres in Baden-Württemberg an“, schaute er nach vorne. Qualifizieren müsse man sich dafür nicht, denn derzeit gäbe es noch zu wenig Karate-Kämpfer im Rollstuhl. „Wir zeigen vor der Jury Kampf- und Verteidigungsbilder“. In Insiderkreise sage man auch „Kampfballett“ dazu.

Die ersten bayerischen Meisterschaften für Menschen mit Handicap (keine internationalen) fanden vergangenes Jahr in Sonthofen statt. Damals habe man einen Vertrag zwischen Karatebund und dem Behinderten- und Rehabilitations-Sportverband Bayern unterzeichnet und die erste Internationale Begegnung ins Leben gerufen, so Weigert.

Thomas Winkler übrigens wurde laut Melanie Müller, der Medienbeauftragten der „BKB“ nicht gelistet, weil er nicht unter die ersten Drei gekommen war. Sieger bei den „Rollis“ wurde Fatah Sebbak aus Frankreich. Bei den geistig behinderten Damen siegte Andreas Novak aus Traunreut. Marvin Nöttge aus Emmendingen tat sich bei den geistig behinderten Herren hervor; bei den Sehbehinderten siegte der Australier Morcomb Raymond; Mansour Baraa aus Palästina (taubstumm) stieg aufs Treppchen; Jasmin Glock (Wolfskehlen) bestach in der stehenden Klasse; Achim Haubennestel vom KC Vaihingen beeindruckte die Jury in der Klasse der psychisch Behinderten und Rudolf Transler aus Frankenthal war Champion bei den Amputierten.

Übrigens trat bei der Premiere in Hemhofen der aus der Türkei stammende und weltbekannte Sänger „Efe“ mit dem Titel „Karam“ vor ein großes Publikum. „Karam“, erklärte der Karatemeister Ismael, stehe für „Großzügigkeit“. Musik sei eben neben Sport auch bestens geeignet für eine gute Integrationsarbeit, meinte Ismael.