Martin Grau "fliegt", der Trainer geht baden

8.8.2010, 00:00 Uhr
Martin Grau

© Theo Kiefner

"Der Junge macht mir Angst. Ich weiß selbst nicht, wo er das her holt", staunte Mönius. Der WM-Auftritt in Kanada scheint dem 18-jährigen Biengartener noch mehr Selbstbewusstsein verliehen zu haben. "Martin war lange ein eher ängstlicher und nervöser Typ, aber im vergangenen Jahr ist er enorm gewachsen", freut sich der Trainer, der in Ulm eine Wette einlöste. "Wenn der Martin zur WM fährt, spring ich in den Wassergraben", hatte er angekündigt und setzte dies in die Tat um - zur Freude seiner Schützlinge.

Ziemlich fest eingeplant war Martin Graus Medaille über 2000 Meter Hindernis. Bis zum letzten Wassergraben war es ein Dreikampf mit seinem WM-Kollegen Stefan Abisch (Halle) und dem ein Jahr älteren Daniel Krüger (Dorsten). Abisch patzte dann am Graben und fiel deutlich zurück, während das Spitzenduo dem Ziel entgegen jagte. Am Ende hatte Krüger (5:46,03) etwas mehr zuzusetzen als Grau (5:47,02), der aber seine bisherige Bestzeit über diese Distanz um über dreieinhalb Sekunden verbesserte und hoch zufrieden sein darf.

Doch einer Sensation gleich kam das zweite Silber des jungen Mannes vom TSV Höchstadt. Er wollte nach dem Aufstehen "aus dem Bauch heraus" entscheiden, ob er auch noch über die 3000 Meter starten will. Er fühlte sich bestens und ging an den Start. Die meisten Langstreckler scheuen vor solchen Doppelstarts zurück, auch bei seinem Rivalen Abisch ging es schief: Der wurde Elfter und Letzter in indiskutablen 9:18,96.

Doch Grau läuft derzeit nicht nur auf einer Welle der Euphorie, sondern er besitzt offenbar genug Substanz, um diese Belastungen auszuhalten. Taktisch klug, lief er immer am Ende der vierköpfigen Spitzengruppe, die sich früh abgesetzt hatte. Das zahlte sich aus, als erst Jens Alban (Uerdingen/Dormagen) einbrach und auch Tom Gröschel (Rostock) dem Schlussspurt von Timo Benitz (Stockach) und Grau nicht mehr standhalten konnte. Der ältere Benitz (8;31,39) hatte etwas mehr "Körner" als Grau (8:32,50). Kaum nötig zu erwähnen, dass auch dies neue Freiluftbestzeit für ihn war.

Der Schnellste seines Jahrgangs war auch sein Teamkamerad Marco Kürzdörfer, doch er kam haarscharf ohne Medaille nach Hause. Denn drei 800m-Läufer waren knapp schneller als der Höchstadter, der nach einem etwas hektischen Vorlauf mit Gerangel und Beinahesturz im Finale laut Mönius taktisch wieder "alles richtig" gemacht hat.

Wie erwartet, gab es eine eher verhaltene erste Runde und eine enorm schnelle zweite, in der sich das Quartett um über zwei Sekunden von den Verfolgern absetzte. 200 Meter vor dem Ziel musste er ein kleines Loch zulaufen, und möglicherweise war das ausschlaggebend dafür, dass er im Schlussspurt hinter Michel Berning (Neubrandenburg/1:51,16), Andreas Lange (Reinbek/1:51,18) und Florian Bader (Schwäbisch Hall/1:51,69) in 1:51,91 undankbarer Vierter wurde. "Im ersten Moment war er enttäuscht, aber jetzt kann er nächste Woche bei der Junioren-DM ohne taktische Zwänge versuchen, die 1:50 zu knacken", so Mönius.

Noch nicht die Tempohärte wie sein Bruder kann Bastian Grau aufweisen. Im Vorlauf über 1500 Meter rannte er couragiert und qualifizierte sich als Drittschnellster für das Finale. Mit 3:59,01 war er sieben Zehntelsekunden schneller als seine Meldezeit.

Im anderen Vorlauf hingegen setzte Tobias Budde die Vorgaben seines Trainers nicht um: Statt zu versuchen, für Tempo zu sorgen, um über die Zeit den Sprung ins Finale zu schaffen, versteckte er sich trotz guter Form im Feld und kam dann nicht mit, als vorne die "Musik" abging. Mit 4:06,56 lief er etwa eine Sekunde langsamer als in seinem bisher schnellsten Rennen.

So war Bastian Grau allein im Endlauf und merkte bald, dass Waden und Oberschenkel "dicht" waren. Als die Spitzenleute antraten, kam er nicht mehr mit und wurde in 4:06,98 Zwölfter und Letzter. Mönius: "Er ist körperlich noch nicht in der Lage, zwei so harte Läufe in kurzem Abstand mit Topresultaten hinzulegen."HOLGER PETER