Wenn die Mama im Bewerbungsgespräch glänzt

31.8.2010, 19:38 Uhr
Wenn die Mama im Bewerbungsgespräch glänzt

© nr

Am Anfang dachte Franz Huber* (* = Name geändert) noch, die Mutter wolle ihren Sohn nur zum Vorstellungsgespräch bringen. Schließlich kam der 16-jährige Hauptschüler nicht direkt aus Herzogenaurach.

Dann fragte die Mutter jedoch, ob sie nicht zum Gespräch bleiben könne. Abschlagen konnte Huber ihr diese Bitte nicht. Spätestens als die Mutter die Führung des Bewerbungsgesprächs übernahm, war für den Chef klar, dass er den Jungen nicht einstellen würde. Denn auch von einem Auszubildenden im Baugewerbe wird eine gewisse Eigenständigkeit erwartet.

Viele Unternehmen in Herzogenaurach - vor allem in der Industrie - sehen lieber selbstständige Bewerber. Im Handwerk kann die Unterstützung der Eltern jedoch nützlich sein. Rund die Hälfte der Eltern in Herzogenaurach hilft den Kindern in irgendeiner Weise mit den Bewerbungen.

Das schätzen der Elternbeirat der Volksschule Liebfrauenhaus und das Direktorat der Hauptschule am Burgstaller Weg. "Wir sensibilisieren die Betriebe dafür, zuerst auf die Eigeninitiative der Jugendlichen zu schauen", sagt Manfred Siegl, Ausbildungsbetreuer bei der Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken. Bei den meisten Betrieben werde es nicht gerne gesehen, wenn Eltern in den Bewerbungsunterlagen mit "hochgestochenen Formulierungen" glänzen wollen und die Jugendlichen zum Vorstellungsgespräch begleiten.Kinder, deren Eltern sich um alles kümmern, wären einfach zu faul, selbst bei den Firmen vorzusprechen, so Siegl.

Faul war auch der 16-jährige Andreas*. Er spielte gerne Computer und machte sich nur wenige Gedanken um seine Zukunft. Seine Mutter Brigitte Kanz* recherchierte Abende lang, was Firmen von ihren Auszubildenden erwarten und schrieb an die 30 Bewerbungen für ihren Sohn. Nur die Unterschriften setzte Andreas noch selbst darunter. "Den Kindern fehlt es in diesem Alter einfach an Intellekt. Zwar haben sie in der Schule gelernt, wie man sich bewirbt, aber umsetzen können sie es nicht", sagt Kanz.

Bei anderen Eltern hatte sie gesehen, dass Kinder wegen schlechter Bewerbungen keine Lehrstelle bekommen hatten. Viele Eltern würden die Diskussion mit ihren Kindern scheuen, sagt Renate Nagel, Vorsitzende des Elternbeirats der Hauptschule am Burgstaller Weg. Bevor sie sich mit den Jugendlichen darüber streiten, dass sie sich endlich um einen Ausbildungsplatz kümmern sollen, schreiben sie die Bewerbungen lieber gleich alleine. Ihrer Meinung nach ist es die Aufgabe der Eltern, die Kinder zu motivieren, den Lebenslauf und das Anschreiben selbst zu verfassen.

Die Eltern sollten die Bewerbungen danach auf Fehler durchlesen: "Mein Sohn würde es ja nie lernen, wenn ich ihm alles abnehmen würde." Matthias Klar von der Agentur für Arbeit rät Eltern, ihre Kinder zum Bewerbungsgespräch zu begleiten, aber nur wenn Firmen dies ausdrücklich wünschen. Der Sprecher für die Region Nürnberg hat die Erfahrung gemacht, dass besonders kleine handwerkliche Betriebe im Großraum gerne auch die Eltern zu einem Gespräch einladen, bevor sie sich für einen Bewerber entscheiden.

Unterschiedliche Begabung

Bei anderen Firmen - insbesondere im kaufmännischen Bereich - ist diese Praxis jedoch eher die Ausnahme. Für das Bewerbungsschreiben gelte der Grundsatz: "Es ist gut, wenn Eltern ihre Kinder bei Bewerbungen unterstützen, aber man sollte die Jugendlichen in der Bewerbung erkennen." Gleichzeitig wirbt Klar um Verständnis für junge Leute, die die Bewerbungen nicht selbst schreiben. "Die Jugendlichen sind nicht dumm", sie seien nur unterschiedlich begabt. Manches Mathegenie könne sich einfach nicht ausdrücken.

Christian Kindler ist Chef der gleichnamigen Gebäudereinigungsfirma in Herzogenaurach. Er ist einer von denen, die die Eltern gerne zu einem zweiten Vorstellungsgespräch einladen, nachdem er die Bewerber bereits alleine erlebt hat. "Mir ist es wichtig, dass sich das Elternhaus mit dem Beruf der Kinder identifiziert."

Ein Grund für diese Strategie sind Erfahrungen, die Christian Kindler mit einem Lehrling gemacht hat. Ein Auszubildender hatte andauernd vergessen, seine Arbeitsberichte abzugeben. Trotz eines Gesprächs mit der Mutter, die Kindler versicherte, mit ihrem Sohn zu reden, änderte sich sein Verhalten nicht. So musste Kindler den Lehrling nach der Probezeit entlassen.

Auch die Kreishandwerkerschaft Erlangen-Hersbruck-Lauf begrüßt das Engagement von Eltern bei Bewerbungen um den Ausbildungsplatz. "Auf jeden Fall freuen sich Betriebe, wenn Eltern mit zum Bewerbungsgespräch kommen. Die Betriebe merken so einfach, dass die Eltern Interesse haben", sagt Elfriede Schleicher, Mitarbeiterin der Kreishandwerkerschaft.Im Gegensatz zur Industrie sind die Lehrlinge in Handwerksberufen meistens noch sehr jung und daher relativ unselbstständig. Da sei es gut, wenn die Eltern ihre Kinder unterstützen.

Andreas, der mit 16 Jahren lieber Computer spielte als Bewerbungen schrieb, hat durch das Zutun seiner Mutter letztendlich einen Ausbildungsplatz gefunden. Heute ist er 23. Zurückblickend sagt er: "Es war einfach praktisch, dass ich nur meine Unterschrift drunter setzen musste. Ich war einfach zu jung und hatte keinen Bock drauf." Seine Bewerbungen schreibt er heute allerdings doch lieber selbst.