Bereicherung an Hauswänden

Wenn in Herzogenaurach die Sonne die Zeit anzeigt

Manfred Welker

12.8.2022, 05:55 Uhr
An der Herzogenauracher Stadtpfarrkirche ist diese imposante Sonnenuhr angebracht.

© Manfred Welker An der Herzogenauracher Stadtpfarrkirche ist diese imposante Sonnenuhr angebracht.

Bei der Betrachtung von Sonnenuhren, die aus Zahlen, Linien und einem Zeigestab bestehen, kann sich heute kaum jemand vorstellen, dass es sich dabei ehemals um modernste Zeitmessinstrumente handelte. Die Berechnung ihrer Stundenlinien war hochkompliziert, in der Antike dienten Obelisken als Gnomon (= Schattenstab), das Liniennetz war auf dem ebenen Boden aufgebracht.

In Rom ließ Kaiser Augustus eine riesige Sonnenuhr mit einem eigens aus Ägypten herangeschafften Obelisken als Gnomon errichten. Dieses "Solarium Augusti" mit imperialem Anspruch war zusätzlich mit der Ara Pacis (Altar des Friedens) und dem Mausoleum des Augustus kombiniert. Die Grundfläche auf die der annähernd 30 Meter hohe Obelisk seinen Schatten warf, maß über 150 mal 75 Meter. Ein Liniennetz aus Bronze, gegliedert in die Abschnitte der Tierkreiszeichen, hatte zur Folge, dass die Uhr stets korrekt abzulesen war, wenn die Benutzer die Jahreszeit richtig einzuordnen verstanden.

Es genügt also nicht, einen senkrechten Stab in den Boden zu stecken und den Schattenwurf als Zeitmesser zu verwenden. Augustus hatte seinerzeit den berühmtesten Mathematiker mit der Ausarbeitung des Liniennetzes beauftragt, um dergleichen zu vermeiden. Gegen diese Sonnenuhren zu ebener Erde, setzten sich allmählich die uns bekannten an senkrechten Wänden durch. Auch in Herzogenaurach gibt es einige Sonnenuhren, die der Öffentlichkeit zugänglich angebracht sind, so in der Goethestraße 20, der Hauptstraße 20 und zwei an der Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena, außerdem ehemals in der Schillerstraße.

Auf den Betrachter wirkt meist verwirrend, dass die Uhren nie richtig zu gehen scheinen. Dies liegt aber an mehreren Faktoren. Eine Sonnenuhr hatte zum Zeitpunkt ihrer Entstehung immer die Aufgabe, die jeweilige Ortszeit anzuzeigen. Heutzutage gehen die Uhren in Mitteleuropa nach Greenwicher Zeit MEZ (= Mitteleuropäische Zeit), wofür der Nullmeridian von Greenwich bei London ausschlaggebend ist. Außerdem herrscht im Augenblick die Sommerzeit (MESZ), wodurch sich eine zusätzliche Zeitverschiebung um eine Stunde ergibt, die hinzugezählt werden müsste.

Da Kirchen in den allermeisten Fällen geostet wurden und daher immer mit einer Breitseite nach Süden wiesen, konnten die dort angebrachten Sonnenuhren nahezu das gesamte Tageslicht ausnutzen. Ob es bei der Konstruktion um eine ganz genaue Anzeige ging, ist fraglich, die Zeit wurde früher ohnehin nicht im Minutentakt abgerechnet wie heute bei den Telefongesellschaften (bei einigen sogar im Sekundentakt). Man richtete sich vielmehr nach der Dauer des Tageslichtes, die Handwerker arbeiteten meist von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, das heißt im Sommer länger, dafür im Winter etwas kürzer. Die Gläubigen richteten ihren Gang zur Messe nach den Kirchenglocken aus, benötigten also keine eigene Uhr.

Wenn in Herzogenaurach die Sonne die Zeit anzeigt

© Manfred Welker

Am genauesten gehen Sonnenuhren, wenn ihr Schattenstab genau auf den Himmelsnordpol gerichtet ist. Aber selbst dann geht die Sonnenuhr zu einigen Zeiten etwas vor, zu anderen Zeiten dagegen etwas nach. Diese Differenz zwischen wahrer und mittlerer Zeit bezeichnet man als Zeitgleichung. Das liegt zum einen daran, dass der Sonnentag nicht stets 24 Stunden beträgt. Außerdem ist die Erdbahn um die Sonne elliptisch und die Erdachse im Vergleich zur Erdbahnebene um 23 Grad geneigt. Um alle diese Faktoren auszugleichen, wäre eine aufwendige Konstruktion notwendig. Viel zu teuer für eine einfache Sonnenuhr an einer Kirchenwand. Und dennoch fanden Sonnenuhren lange Zeit Verwendung, erst als die mechanischen Uhren immer genauer wurden, verloren sie ihre Bedeutung.

Eine Sonnenuhr ist an der Südostecke des Langhauses der Stadtpfarrkirche St. Maria Magdalena in Herzogenaurach angebracht. Die Zeiten sind durch römische Zahlzeichen von sieben (morgens) über zwölf (mittags) bis fünf (nachmittags) auf einer gemalten, aufgerollten Buchrolle angebracht, ein eiserner Zeigestab wirft den Schatten. Zusätzlich sind vier Jahreszahlen angebracht. Die erste, 1649, bezieht sich auf eine Renovierung durch einen Nürnberger Maler. Ebenso verweist die Jahreszahl 1870 mit der Beischrift Kurr auf eine Kirchenrenovation durch die Baufirma des Johann Kurr in Herzogenaurach. Weitere Renovierungen sind für die Jahre 1930 und 1982 an der Kirchenwand vermerkt. Eine weitere, einfacher gestaltete, befindet sich an der Südwestecke der Kirche. Eine Sonnenuhr neueren Datums findet sich in der Hauptstraße 20. Der Initiator ließ zusätzlich einen Sinnspruch anbringen, der zeigt, dass Gott der Schöpfer der Zeit ist: "Die Zeit Gottes ist unendlich. Deine Zeit ist das, womit du sie anfüllst."

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