Entspannung im Grünen

Wie sich beim Waldbaden die Seele freischwimmt

23.11.2021, 12:10 Uhr
Kordula Schneider aus Gremsdorf hat sich zur Leiterin von Waldbade-Kursen ausbilden lassen.

© Matthias Kronau, NN Kordula Schneider aus Gremsdorf hat sich zur Leiterin von Waldbade-Kursen ausbilden lassen.

Kordula Schneider aus Gremsdorf hat sich 2019 zur Kursleiterin für Waldbaden ausbilden lassen. Dann kam Corona, und so ist der Nachmittag im Herzogenauracher Dohnwald, den sie für Familien mit Kindern anbietet, immer noch einer ihrer ersten Kurse, den sie halten kann.

"Keine Eile, wir haben Zeit"

Das Interesse an diesem Tag ist überschaubar, zwei Kinder sind gekommen, eines mit der Mutter, ein anderes mit der Oma. Aber das ist egal, umso ruhiger geht es zu. Und genau darum geht es: die Stille genießen, Achtsamkeit lernen, runter mit Tempo und Hetze. "Keine Eile, wir haben Zeit", sagt Kordula Schneider irgendwann zu einem Kind, das "noch schnell mal" zu einem bestimmten Baum rennen will.

Einfach mal schauen

Eineinhalb Stunden lang geht es in ruhigem Schritt ab dem Parkplatz Schlaffhäusergasse in einer kleinen Runde durch den Wald. Einmal fordert Kordula Schneider dazu auf, einfach stehen zu bleiben. "Schauen wir uns alles an. Welche Blickrichtung ist euch am liebsten?" Das dauert ein paar Minuten. Tatsächlich, im Wald gibt es genug zu sehen, gerade wenn man den Blick ruhig streifen lässt.

Der Wald im Postkartenformat: Großmutter, Mutter und Kinder zeigen ihre kreative Entspannungsarbeit.

Der Wald im Postkartenformat: Großmutter, Mutter und Kinder zeigen ihre kreative Entspannungsarbeit. © Matthias Kronau, NN

Trotz Ruhe und Achtsamkeit, ein bisschen Aktivität muss auch sein. Blätter, Äste und Zapfen werden auf weißen Karton geklebt. Ein schönes Mitbringsel für zu Hause. Und mit einem breiten Stift versuchen die Kinder, die Rinde nachzumalen auf Papier, das an die Bäume gelegt wird.

"Wenn man mit Kindern unterwegs ist, muss man manches anders machen, als wenn man nur mit Erwachsenen unterwegs ist", weiß die 68-jährige Kordula Schneider. So manche fachkundige Erklärungen über die Gründe, warum der Wald so beruhigend und gesundheitsfördernd ist, erspart sie sich an diesem Nachmittag.

Das heilsames Waldtrio

Katja Lerch aus Kammerstein (Landkreis Roth) hat hingegen an einem Sommertag eine Gruppe von Erwachsenen um sich scharen können. Im Wald beim Heidenberg kann sie ein bisschen in die Tiefe gehen. Sie spricht von einem "heilsamen Waldtrio", das das Waldbaden zu einem erholsamen Genuss macht. Dazu gehören das Mykobakterium Vaccae, das im Waldboden zu finden ist und positiv auf den Darm wirkt, außerdem die sogenannten Terpene (Pflanzenbotenstoffe, die die Immunabwehr stärken sollen) und als drittes überall dort, wo es feucht ist, negativ geladenen Anionen, die positiv auf Lungen und Bronchien wirken können.

Kraftquelle Wald - bei einem Waldbade-Nachmittag mit Katja Lerch fühlen sich die Teilnehmer schnell weit weg vom Alltag. 

Kraftquelle Wald - bei einem Waldbade-Nachmittag mit Katja Lerch fühlen sich die Teilnehmer schnell weit weg vom Alltag.  © Privat

Katja Lerch weiß, dass Waldbaden von vielen geringschätzig betrachtet wird. Doch Probieren geht über Studieren, und Lerch weiß auch, dass man Anfänger im Waldbaden nicht überfordern sollte. Als sie gegen Ende des Waldgangs dazu einlädt, einen Baum zu umarmen, sagt sie: "Am Anfang ist das gewöhnungsbedürftig. Bitte macht das nur, wenn ihr euch wohl dabei fühlt." Es ist wohl die ungewöhnlichste Übung bei dieser Tour.

Das Gesunde schnüffeln

Bei den anderen Stationen wird Entspannungsgymnastik angeboten oder werden Naturmaterialien auf dem Boden ausgelegt. Neben der kreativen Arbeit, die alleine schon Spaß macht, kommt man so dem Wald noch näher und "schnüffelt" im besten Falle noch intensiver die gesunden Waldstoffe ein. Das Schöne: Niemand der Teilnehmer verlangt an diesem wunderbaren Waldtag einen wissenschaftlichen Beweis dafür, wie und warum der Wald auf gerade diese Weise guttut. Der Beweis ist - zu spüren.

Katja Lerch (3.v.l.) hat schon beim Probekurs den Dreh raus: Die Teilnehmerinnen machen ihr zweistündiges Angebot zum Waldbaden begeistert mit.   

Katja Lerch (3.v.l.) hat schon beim Probekurs den Dreh raus: Die Teilnehmerinnen machen ihr zweistündiges Angebot zum Waldbaden begeistert mit.    © Privat

Wie Kordula Schneider hat Katja Lerch einen Intensivkurs über das Waldbaden mitgemacht, und als die 54-Jährige mit ihrer Erwachsenengruppe durch den Kammersteiner Forst streift, übt sie gerade für den Abschluss des Kurses. Geschickt verbindet sie ihren Badeausflug ins Waldgrüne mit ihrem profunden Wissen über Kräuter und Pflanzen, so dass die Testteilnehmer nach zwei Stunden beseelt zum Parkplatz zurückkehren - mit entschleunigter Seele, einem Lächeln auf dem Gesicht und manch spannenden Tipps für die Kräuterzubereitung. Selbst begeistert von den positiven Auswirkungen von Wald, Kräutern und Entspannung in der Natur, hat sich Katja Lerch mittlerweile eine Homepage (www.nakaja.de) erarbeitet.

In Japan heißt Waldbaden "Shinrin Yoku" und ist dort ein eigener Forschungszweig an der Nippon Medical School in Tokio. Professor Qing Li ist einer der bekanntesten Waldbadeforscher. In Japan ist Waldbaden fester Bestandteil von Therapien und gleichzeitig Prophylaxe. Krankenhäuser sind dort an Wälder gebaut.