Flucht vor der Polizei

Wilde Verfolgungsjagd: Mit 260 Sachen über die A 3 gerast

4.8.2021, 14:23 Uhr
Eine wilde Verfolgungsjagt führte über die A 3.

© dpa Eine wilde Verfolgungsjagt führte über die A 3.

Die Liste der Vorwürfe, die die Staatsanwältin vor dem Erlanger Amtsgericht verliest, ist lang: verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Sachbeschädigung, unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Fahren ohne Fahrerlaubnis. Gleich vorweg: Der Angeklagte räumt alle diese Vorwürfe vollumfänglich ein. "Es tut mir sehr leid, ich bereue es sehr", sagt er mehrfach, auch nochmal in seinem Schlusswort.

Was er sich allerdings geleistet hat, ist heftig. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagt denn auch die Staatsanwältin fassungslos.

Mit Blaulicht und Martinshorn

An einem Abend im Mai 2020 war der Angeklagte mit seinem Mercedes auf der A 3 in Richtung Regensburg unterwegs - wohl wissend, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war; die war ihm bereits 2017 entzogen worden. Und ebenso wohl wissend. dass er erst zwei Monate zuvor schon einmal von der Polizei erwischt worden war, als er ohne Fahrerlaubnis einen Linienbus ausgebremst, einen Auffahrunfall provoziert und sich dann aus dem Staub gemacht hatte. Als er also an diesem Abend bei Randersacker wiederum von der Polizei kontrolliert werden sollte, gab er Gas. Die Polizei setzte mit Blaulicht und Martinshorn hinterher.

Mit Vollgas raste der Angeklagte über die Autobahn, 84 Kilometer bis zur Anschlussstelle Frauenaurach in 22 Minuten und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 230 km/h. Wer ihm in die Quere kam, wurde per Lichthupe genötigt, die Bahn frei zu machen. Kurz vor Schlüsselfeld gelang es den Polizeibeamten beinahe, den Wendelsteiner zum Anhalten zu zwingen, doch dieser beschleunigte wieder und quetschte sich zwischen der Mittelschutzplanke und dem Polizeifahrzeug hindurch, wobei er den Polizeiwagen streifte und einen Schaden von 8800 Euro anrichtete. Dann raste er weiter die A 3 entlang mit Spitzengeschwindigkeiten von 260 km/h. Erst in der Baustelle auf Höhe Frauenaurach bremsten ihn zwei nebeneinander fahrende Lkw aus, die Polizisten konnten ihn auf den Standstreifen drängen und festnehmen. Später stellte sich noch heraus, dass er zudem leicht unter Drogeneinfluss gestanden hatte.

Falsche Entscheidung getroffen

Einen wirklichen Grund für sein Verhalten kann der Angeklagte nicht nennen. "Als er das Blaulicht gesehen hat, hat er mit der Flucht eine falsche Entscheidung getroffen", sagt sein Verteidiger und attestiert seinem Mandanten ein "Augenblicksversagen, das eben 22 Minuten gedauert hat". Schließlich habe er sich dann ja aber widerstandslos festnehmen lassen. Generell sei "das Geschehen als solches" natürlich nicht hinnehmbar.

Auf Nachbohren von Richter Henry Eckhardt erklärt der Angeklagte, er habe zu dieser Zeit massive Schwierigkeiten mit seiner Frau gehabt. Aber schon am gleichen Abend in der Polizeizelle sei ihm bewusst geworden, was er alles verlieren könnte. Er sei seitdem nicht mehr gefahren, habe auch den Mercedes zurückgegeben. "Ich bereue es zutiefst, es wird nicht mehr vorkommen." Der Wendelsteiner bittet um eine "letzte Chance".

Letzte Chance deshalb, weil er schon sieben einschlägige Vorstrafen wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auf dem Konto hat. Und für den Vorfall zwei Monate zuvor hat ihn das Amtsgericht Schwabach bereits zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Diese Verurteilung wird in das aktuelle Urteil mit einbezogen.

"Immens gefährliches Verhalten"

Die Staatsanwältin wird in ihrem Plädoyer ganz deutlich: "Das war ein immens gefährliches Verhalten, es ist ein schieres Glück, dass nicht mehr passiert ist." Außerdem verweist sie auf die vielen Vorstrafen und die hohe Rückfallgeschwindigkeit. "Der Angeklagte ist unbelehrbar", meint sie und fordert eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten.

Der Verteidiger allerdings meint, sein Mandant habe eine "innere Umkehr" vollzogen und man sollte jetzt ein bisschen Vertrauen in ihn setzen. Er plädiert für eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Warum noch nichts getan?

Richter Henry Eckhard ist sich nicht so sicher, dass es beim Angeklagten tatsächlich "klick" gemacht hat. Denn wenn das vor einem guten Jahr in der Polizeizelle so gewesen sei, warum habe sich dann noch nichts getan? Regeln seien dem Angeklagten offensichtlich egal, außerdem könne er nicht mit Problemen umgehen und habe wohl auch eine Störung der Impulskontrolle, werde also leicht aggressiv. All das hätte der Angeklagte nach des Richters Meinung bereits therapeutisch angehen können. "Aber seit über einem Jahr ist nichts passiert."

Auch er hält den Angeklagten für "unbelehrbar". Er sei "wie ein Wahnsinniger" gefahren und hätte während seiner Flucht permanent andere Menschen gefährdet. Für Eckhardt kommt deshalb nur eine Gefängnisstrafe in Betracht. Zudem erlegt er dem Angeklagten eine Sperre von zwei Jahren und sechs Monaten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis auf. Er habe sich als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs erwiesen.