Hochzeit trotz Corona: Paar streamt live aus dem Trausaal

2.6.2020, 05:52 Uhr
Wegen der Unwägbarkeiten verschieben viele Brautpaare ihre Hochzeit auf 2021.

© pictu Wegen der Unwägbarkeiten verschieben viele Brautpaare ihre Hochzeit auf 2021.

Die Fliege sitzt, als Tobias Reinwald sich hinsetzt, in die Kamera grinst und Zeige- und Mittelfinger in die Höhe streckt, um alle Zuschauer des Livestreams zu begrüßen. Eigentlich hätten die rund 60 Gäste hinter ihm und seiner zukünftigen Frau in der Residenz in Hilpoltstein (Landkreis Roth) sitzen sollen – doch schon bei der standesamtlichen Trauung des jungen Paares vor über zwei Monaten hatte das Coronavirus das öffentliche Leben massiv eingeschränkt.


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Wenige Tage vor der Trauung hatten der 27-Jährige seine jetzige Frau Verena Müller-Reinwald traurige Gewissheit: Nur das Brautpaar, die Trauzeugen und die Standesbeamtin durften den Trausaal betreten. Kurzerhand beschlossen die beiden, dass ihre Mütter als Trauzeuginnen fungieren sollten. "Für unsere Mütter wäre eine Welt untergegangen, hätten sie nicht dabei sein können", erzählt Reinwald.

Zudem verschickten sie an Freunde und Verwandte einen Link "Tobias & Verena: Freitag ab 16:55 Uhr einschalten." So konnten die geladenen Gäste die Trauung wenigstens im Internet verfolgen. Statt mit Sekt stießen die frisch Vermählten dann mit mexikanischem "Corona"-Bier an.

"Das Beste daraus gemacht"

Ein bisschen Humor muss sein: Nach der standesamtlichen Trauung stießen Verena Müller-Reinwald (25) und ihr frisch angetrauter Mann Tobias Reinwald (27) erst mal mit einem "Corona" an.

Ein bisschen Humor muss sein: Nach der standesamtlichen Trauung stießen Verena Müller-Reinwald (25) und ihr frisch angetrauter Mann Tobias Reinwald (27) erst mal mit einem "Corona" an. © privat, NNZ

"Wir haben das Beste daraus gemacht", sagt Reinwald, der seinen Hochzeitstag trotz allem als schön empfand. Doch Humor und Spontaneität lösen die Probleme ihrer ursprünglich für den 20. Juni geplanten freien Trauung nicht, der sich auch eine Feier anschließen sollte. Die aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen, Abstands- und Hygieneregeln lassen eine größere Privatfeier derzeit nicht zu.

Zwar dürfen Kulturveranstaltungen mit bis zu 50 Menschen in Innenräumen und 100 Menschen im Außenbereich stattfinden, doch auch da dürfen nur Personen aus maximal zwei Haushalten an einem Tisch sitzen. "Die Beschränkung auf zwei Hausstände gilt ja im privaten Raum. Anders ist es tatsächlich in einer öffentlichen Gaststätte, denn dort gelten umfangreiche weitere Hygienestandards", erklärt Markus Krajewski, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Letztlich sei der Gastwirt verantwortlich, dass die Regeln eingehalten werden. Deshalb könnte er sogar verlangen, dass sich die Teilnehmer ausweisen.

Tobias Reinwald und seine Frau haben nun einen Ersatztermin im September gefunden, an dem alle Dienstleister können. So handhaben es gerade viele Paare oder weichen gleich auf 2021 aus.

"Aber manche mögen auch gar nicht mehr", sagt Susanne Bischofsberger. Sie betreibt seit Ende 2018 mit ihrem Mann das "Hämmerla" bei Georgensgmünd (Kreis Roth), eine renovierte und in einen Biergarten mit Event-Location verwandelte Hämmerleinsmühle, und wurde ebenfalls erheblich von den Folgen der Corona-Pandemie getroffen.

Es gebe zwar noch ein paar "Mutige" (für Ende Juni steht die erste Hochzeit im Terminkalender der Hämmerleinsmühle), doch Bischofsberger kann auch Absagen verstehen. "Welches Paar will schon den Hochzeitswalzer mit Maske tanzen?" Eigentlich wäre die Saison im "Hämmerla" im April losgegangen, doch acht bis zehn Absagen musste die Gastronomin bereits hinnehmen.

"Wir leben vom Sommer", sagt Bischofsberger. Die Feiern sicherten einen großen Teil des Umsatzes, weil sie planbar und wetterunabhängig sind. "Wenn es so weiter geht, steht das Hämmerla auf der Kippe. Irgendwann sind die Reserven aufgebraucht", sagt die Gastronomin. Denn auch die Spontanbesuche im Biergarten fehlten derzeit – "die Menschen sind sehr verunsichert".

Die meisten buchen auf 2021 um

Das hat auch Oliver Kirschner zu spüren bekommen. Er betreibt seit 31 Jahren das "Gelbe Haus" in Nürnberg, ein Catering-Service mit dazugehöriger Bar: "Nachdem wir Gastronomen wieder öffnen durften, dachten wir, die Leute kommen viermal in der Woche und trinken das Zehnfache." Aber das sei nicht Fall. Was das Catering angehe, buchen die meisten Kunden von Kirschner auf 2021 um.

Vor einer Woche belieferte das Gelbe Haus eine kleine Hochzeit mit zehn Personen, die in Privaträumen stattfand. So lange Kirschner keine Rechtssicherheit hat, gebe es aber keinen Service dazu: "Kein Kellner wird auf einer Feier auftauchen und irgendwas machen."


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Geld sei nicht alles. "Wenn irgendetwas passiert, werden Sie Ihres Lebens nicht mehr froh", gibt der erfahrene Gastronom zu bedenken. Er könne nur abwarten, was die Landesregierung sage. Die erste größere Feier beliefert Kirschner erst im August, doch das sei ein Wackelkandidat. Bis zu vier Wochen vor dem Termin können Kunden ihre Bestellungen bei ihm stornieren. So stand es auch schon vor Corona in seinen Geschäftsbedingungen.

Aufgrund der Unwägbarkeiten hat sich Susanne Bischofsberger von der Hämmerleinsmühle für einen sehr flexiblen Weg entschieden: Bis zu einer Woche vor der geplanten Feier können ihre Kunden den Termin zu- oder absagen. Zudem halte sie die Stornierungsgebühren wesentlich niedriger als sonst.

Von kulanten Dienstleistern berichtet auch Jana Wiske. Sie und ihr Mann Klaus-Peter Ritter haben vor knapp drei Wochen standesamtlich in Nürnberg geheiratet. Danach sollte ursprünglich eine Party mit knapp 100 Gästen in einem Nürnberger Hotel stattfinden. "Wir haben uns einfach zusammengesetzt und überlegt, wie wir es machen, dass alle glücklich sind", berichtet die 45-Jährige.

Maskenpflicht für alle Gäste

Obwohl alles anders kam als gedacht, beschreibt Jana Wiske ihren Hochzeitstag als schön und entspannt. Sie und ihr Mann haben ihn intensiv erlebt – intensiver als vielleicht ohne die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Vor der Abfahrt hatte ein Nachbarsjunge Geige gespielt, nach der Rückkehr prosteten ihnen die Nachbarn von den Balkonen aus zu. "Wir waren dankbar, dass wir überhaupt heiraten konnten und acht Leute mit ins Standesamt nehmen durften", sagt die 45-Jährige. Dort mussten alle eine Maske tragen, lediglich das Brautpaar durfte sie abnehmen, nachdem alle Anwesenden einverstanden waren.

Die große Party werden Wiske und Ritter wahrscheinlich nächstes Jahr nachholen, und Tobias Reinwald und Verena Müller-Reinwald haben ihre Eheringe kurzerhand "ausbessern" lassen. Das ursprüngliche Hochzeitsdatum 20. Juni 2020 wurde einfach per Laser durchgestrichen und daneben der neue Termin eingraviert. Es bleibe immer noch so viel Platz, dass ein weiteres Datum hineinpasse, scherzt der 27-Jährige. Allerdings klingt auch ein wenig Sorge in seiner Stimme mit.


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