500 Jahre Reformation: Martin Luther mal anders

13.10.2017, 17:40 Uhr
500 Jahre Reformation: Martin Luther mal anders

© F.: Max Danhauser

"Martin Luther. Närrlein & Nachtigall. Streifzüge durch Leben, Werk, Theologie. Jenseits von Rechtfertigung" heißt Doliwas heuer erschienenes Werk zum Reformator. Dabei handelt es sich um keine Biografie oder Porträt, sondern um eine kritische Auseinandersetzung mit dem Reformator auf verschiedenen Ebenen. Ob politisch, psychologisch oder theologisch: Günther M. Doliwa hat genauer hingesehen.

Vor etlichen Jahren habe er sich für den Rundfunk schon einmal mit der "Materie Luther" auseinandergesetzt, erklärt der Autor gegenüber den Nordbayerischen Nachrichten. Das Thema wollte er sich noch mal vorknöpfen. "Auf eine eigene Art" wollte der Autor ihn präsentieren, kritisch anpacken. Dass Doliwa das gelungen ist, davon konnte man sich in Niederndorf überzeugen. Wer eine Lesung erwartete, lag falsch. Der Theologe las nämlich nicht aus seinem aktuellen Werk, sondern stellte Luther vor.

"Was zurzeit aus dem Luther gemacht wird, da tut er einem fast leid", meinte auch der Diplom-Theologe. Gemeint war von Doliwa unter anderem die Kommerzialisierung von Luthers Person. Über eine Million Mal hat sich eine in Fürth produzierte Spielzeug-Figur des Kirchen-Revoluzzers mittlerweile verkauft, zahlreiche andere Marken haben die wirtschaftlich lukrative Marketing-Wirkung des ehemaligen Mönches erkannt und für sich genutzt.

Sogar die NPD habe bei der vergangenen Wahl mit Luther auf Plakaten geworben. "Luther würde NPD wählen" sei dort zu lesen gewesen. Und so mancher empörte sich darüber. Doliwa lieferte auch die geschichtlichen und politischen Hintergründe zur Thematik: Luther kam zu Zeiten eines Tiefpunktes der Kirche, drei Päpste gab es kurz zuvor, die Institution Kirche war auf einem Weg nach unten.

Luther, der "Rebell", wie ihn Doliwa auch nennt, schaffte es, die Kirche zu drehen, Menschen zu bewegen. Freilich nicht immer auf positive Weise. Luther kann teilweise durchaus als "Hass-Prediger", wie es Doliwa formuliert, gesehen werden. Er war zwar nicht der erste religiöse Aufrührer seiner Zeit. Dennoch hetzte Luther unter anderem gegen Juden und gegen Hexen. Bei den Bauernkriegen von 1525 spielte er eine tragende Rolle, "auch wenn das nicht unbedingt sein Ansinnen gewesen war", so Doliwa.

Einen "Angst-Schuld-Komplex" habe Luther gehabt, meint der Autor. Kämpfe trug der Reformator nämlich nicht nur auf kirchlicher Ebene aus, sondern auch in seinem Inneren. Tiefe Zerrissenheit, der Kampf mit sich selbst, dem Gewissen und dem Teufel. "Luther hatte einen Keil im Herzen", soll auch sein Beichtvater Johannes Bugenhagen über ihn gesagt haben, wie Doliwa schildert

Unbeugsam und rebellisch

Das Pro und Contra beim Thema Luther abzuwägen, erscheint schwierig, Doliwa wagte sich dennoch daran: An den unbeugsamen, rebellischen Charakter, der den Anstoß zu Reformen gab. An den Revoluzzer, in dem viele andere Talente schlummerten. So zum Beispiel Wortgewalt und Sprachfülle. Zahlreiche Worte und Wendungen sind im heutigen Sprachgebrauch fest verankert. Metaphern und Sinnsprüche, die der Mann erfand, der als erster die Bibel ins Deutsche übersetzte und sie so für die, die lesen konnten, zugänglich machte. Ein "Geschenk an die Menschen und an die Kirche", meint Doliwa.

Doch auf der anderen Seite fand der Autor ein mittelalterliches, abergläubisches Denken in Luther, der die Bibel oft viel zu wörtlich nahm, Juden verachtet habe und historisch "blind" gewesen sei.

Über die Jahrhunderte hinweg wurde Martin Luther ganz verschieden betrachtet, wie Doliwa mit Bildern zeigen konnte. Einmal als Herkules, einmal als Engel, einmal als Lichtbringer. Feindbild und Anführer, Luther war und ist viel: "Licht- und Schattengestalt" (O-Ton Doliwa) trifft es wohl ganz gut.

Schwierig sei es, den Versuch anzustellen, Luther aus heutiger Sicht zu verstehen, ergänzt einer der Zuhörer. Die Ansichten hätten sich geändert, weltlich wie geistlich.

Luther und die Reformation im Wandel der Zeit: Das ein oder andere kritische Wort über die heutige Kirche und deren Strukturen fiel auch in Niederndorf, vor 500 Jahren ein Unding. Der Wandel der Zeit eben. Vieles aus der Reformation kann heute noch einen Denkanstoß für die katholische Kirche darstellen. Auch die Auflösung des Zölibates wurde angesprochen. Dialog und Kommunikation seien wichtig. Sogar von einer Einheit der christlichen Kirche war die Rede.

Günther M. Doliwa setzt sich sehr kritisch mit dem Reformator auseinander – aber ohne polemisch zu werden. Eine ehrliche Betrachtung des Mysteriums Martinus Luther, das so manchem Protestanten und auch Katholiken zu Denken geben durfte.

ZGünther M. Doliwa: "Martin Luther. Närrlein & Nachtigall. Streifzug durch Leben, Werk, Theologie. Jenseits von Rechtfertigung", 16,50 Euro. Mehr Infos unter www.doliwa-online.de

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