Theatersaison-Eröffnung
Adelsdorf: Annäherung an das Genie Mozart
19.6.2021, 07:55 UhrMüsste man nicht von der Kasse bis zum Sitzplatz in bukolischem Parkambiente noch eine Schutzmaske tragen - man könnte diese Premiere für einen ganz normalen vorpandemischen Theaterabend halten. Gut besucht, aber nicht allzu voll, mit einem verständigen, aber nicht übereuphorischen Publikum. Und mit einem Stück, das auf den unwiderstehlichen Zauber jener Wunschkonzert-Klassikschlager setzt, die Mozart beinahe wie am Fließband produzierte.
Ein modernes Märchen
Dass Lutz Backes, mittlerweile 83-jähriger Romancier und Journalist, sein Werk eine "Science-Fiction-Komödie" nannte, führt in die Irre. Denn was da als Zwei-Frau-Inszenierung vom Theatersommer-Intendanten Jan Burdinski auf die Miniaturbühne gebracht wurde, ist eher ein modernes Märchen. Und eine Parabel über den Popstar-Kult, der keine Erfindung des 20. beziehungsweise 21. Jahrhunderts ist. Im Mittelpunkt steht eine junge Musikerin und Sängerin, die einen Mozartfimmel hat. Den Starkomponisten des ausgehenden 18. Jahrhunderts vergöttert sie dermaßen, dass sie ihn sich als Wachsfigur nach Hause geholt hat. Ein stummer Geliebter, den frau ohne Sorge um Risiken und Nebenwirkungen anhimmeln kann wie Teenager die Jungs auf dem Bandposter.
Alles wird gegoogelt
Zum Fangirl-Sein gehört, alles über den vermeintlich unerreichbaren Schwarm per Internet-Suchmaschine Google herauszufinden. Als die von Gitti Rüsing mit Witz und ganz viel Selbstironie verkörperte Protagonistin in den Tiefen des Netzes eine Anleitung findet, wie sich die Mozart-Wachsfigur mit Hilfe von Sternenstaub zum Leben erwecken lässt, setzt sie ihren Traum in die Tat um.
Präsent und schrill
Schnell wird klar, dass der so gerufene Geist wenig mit der vorab imaginierten Idealfigur zu tun hat. Auferstanden aus der Gruft hungert es Wolfgang Amadé nach Wachteln, Hühnchen - und weiblicher Gesellschaft. Ninette Hofmann mutiert von der Pianistin zur Schauspielerin und sogar zur Sängerin und füllt ihre Hosenrolle mit selbstverständlicher Präsenz und jener Schrillheit, die man dem historischen Mozart nicht erst seit Peter Schaffers "Amadeus" beiordnet.
Unsterbliche Arien und Instrumentalstücke
Die Hauptrolle spielen freilich Mozarts unsterbliche Lieder, Arien und Instrumentalstücke von der "Zauberflöte" bis zum "Rondo alla Turca", das Ninette Hofmann flinkfingerig den Tasten des E-Pianos entlockt. Dass die in der Region als Musicaldarstellerin bekannt gewordene Gitti Rüsing eigentlich ein hochdramatischer Opernsopran ist, zeigt sie mit der "Königin der Nacht" aus Mozarts "Zauberflöte" - zunächst in der völlig neben den Noten seienden Florence-Foster-Jenkins-Version, danach "richtig" mit sicher gesetzten Spitzentönen. Auch die Verwandlung in den Querflöte spielenden Vogelfänger Papageno gelingt Gitti Rüsing unverkrampft.
Am Ende verschwindet Mozart wieder im Mahlstrom der Zeit - und hinterlässt ein Lächeln in den Zuschauer-Gesichtern. Die Widrigkeiten der Corona-Krise, sie sind mit einem Mal ganz weit weg.
Nächste Vorstellungen des Fränkischen Theatersommers: "Höchste Zeit - Vier Heldinnen im Hochzeitsrausch", Sonntag, 20. Juni, 18 Uhr, Schlosspark Adelsdorf; "Der fliehende Hollaender", Mittwoch, 21. Juli, 18 Uhr, Schlosspark Adelsdorf, Samstag, 7. August, Kirchplatz Herzogenaurach; "Don Quijote und Sancho Pansa", Donnerstag, 22. Juli, 20 Uhr, Schlüsselfeld, Hof der Zehntscheune, Sonntag, 25. Juli, Schlosspark Adelsdorf, Sonntag, 29. August, Schlosshof Höchstadt; Shakespeare, "Ein Sommernachtstraum", Freitag, 6. August, 19 Uhr, Kirchplatz Herzogenaurach; "Augustine will tanzen" (Kinderstück), Sonntag, 22. August, 15 Uhr, Schlosspark Adelsdorf; "Mondsüchtig" mit Florian Kaplick, Sonntag, 22 August, 19 Uhr, Schlosspark Adelsdorf; "Der Traum von Las Vegas", Sonntag, 5. September, Schlosspark Adelsdorf.
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