Breite Sympathie für Protestaktionen

9.11.2010, 17:39 Uhr
Breite Sympathie für Protestaktionen

© dpa

„Es ist unfair“, sagt die Erlanger Schülerin Jessica Azevedo (19). „Die Generation vor uns hat‘s beschlossen – und wir dürfen es ausbaden.“ Die Protestaktionen könne sie gut nachvollziehen, die Demonstrierenden haben ihre Unterstützung. Statt weiter auf die Kernkraft zu setzen, hätte man den Ausbau alternativer Energien vorantreiben sollen, findet die 19-Jährige. In der Schule sei das Thema bisher nicht diskutiert worden, ihren Freundeskreis beschäftig es durchaus.

„Ein schwieriges Thema“, meint Anna Makowski, eigentlich mache man sich nicht wirklich Gedanken darüber. „Aber“, sagt die 29-jährige Studentin aus Herzogenaurach, „der Müll ist da und wegzaubern geht leider nicht.“ Grundsätzlich findet sie den Protest wichtig, „um auf die Problematik aufmerksam zu machen“.

„Tschernobyl hat gezeigt, wie gefährlich es ist, sorglos mit Atomkraft umzugehen. Tschernobyl war allerdings ein Spaziergang im Vergleich zu dem, was passiert, wenn die Menge, die in Gorleben lagert, hochgeht“: Für Lutz Schmutte (45), Pensionär aus Veitsbronn, steht die Ablehnung der Kernenergie außer Frage, nicht nur, „weil es nach wie vor kein Endlager für den Atommüll gibt“. Gorleben sei ja nur ein Zwischenlager. Für die Protestaktionen hat er „seit 30 Jahren Verständnis“. Die Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern, hält er für katastrophal. „Wir können doch nicht einfach hochgefährlichen Müll produzieren und nicht wissen, wohin damit.“ Auch halte die Politik nur deshalb am Standort Gorleben fest, weil sich heute kein Bundesland mehr finden würde, das bereit wäre, den Atommüll aufzunehmen. „Stünde Herzogenaurach als Standort zur Debatte würden alle aufschreien.“ Andere Länder, wie etwa die Schweiz, gingen mit der Problematik vernünftiger um, findet er. Die deutsche Politik jedoch trage bei dem Thema „Sonnenbrille mit Scheuklappen“.

Auch der Herzogenauracher Albert Kemnitzer (68) findet die Protestaktionen „völlig richtig“. Denn die Entscheidung, die Laufzeiten zu verlängern, sei unverantwortlich gewesen, sagt der Rentner. „Bei der Vertragsverlängerung ging es dieser Lobby-Regierung doch nur ums Geld.“ Um am Standort Gorleben festzuhalten, stünden inzwischen sogar Grundstücksenteignungen zur Disposition. „Das ist wirklich eine Schweinerei, was da passiert.“ Kemnitzer ist sich sicher, dass Union wie auch Liberale bei den nächsten Wahlen eine „Riesenschlappe“ einstecken werden.

„Der Transport war eine Riesenaktion, von den Kosten mal ganz abgesehen“, sagt Petra Scheer (44), medizinische Fachangestellte. Die Herzogenauracherin sympathisiere durchaus mit den Demonstranten. Das politische Vorgehen in der Sache findet sie „schon fast diktatorisch“. Unter Rot-Grün sei der Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen worden, die große Koalition habe nicht daran gerüttelt, aber mit der FDP habe die Union ja den ,richtigen‘ Koalitionspartner erwischt. S. STRICKSTROCK