Bürgerbus lindert Folgen einer verwaiste Innenstadt

7.8.2014, 15:04 Uhr
Bürgerbus lindert Folgen einer verwaiste Innenstadt

© Frank Heidler

Die gelegentlich in luftiger Höhe am Funkmast „turnenden“ Monteure sorgen für die einzige Attraktion an diesem Nachmittag. Heute haben sie sogar einen Autokran mit Riesenausleger mitgebracht. Vom Rathaus hat Bürgermeister Horst Rehder besten Ausblick auf deren Tun.

Weniger erfreulich: Rehders Blick auf leere Schaufenster in der Erlanger Straße. „Die Innenstadt blutet aus“, bedauert der seit heuer hauptamtliche Bürgermeister. Gegen die Geschäftsaufgaben kann er nicht viel machen. „Wir können ja nicht einzelne Geschäfte aus dem Gemeindehaushalt subventionieren, wenn der Umsatz nicht mehr passt.“

Bereits vor über zehn Jahren schloss die alteingesessene Bäckerei Ort die Pforten. Aus Altersgründen. Im Schaufenster zeugen grünlich-zerfledderte Jalousien und liebevoll dekorierte Bronzepokale auf einem Blumendeckchen von früherem Glanz. Dann vor ziemlich exakt vier Jahren die Insolvenz der Bäckerei Maier am Schleifweg, von der auch zwei Dutzend Mitarbeiter betroffen waren (wir berichteten). Heute produziert dort die Adem Bäckerei türkische Backwaren. Sie beliefert Döner-Buden und Restaurants, betreibt aber keine Heßdorfer Verkaufsfiliale mehr.

Die Heßdorfer selbst hatten ihrer Bäckerei bis zuletzt die Treue gehalten. „Wir sind es gewohnt, beim Metzger oder Bäcker zu kaufen und nicht beim Discounter“, lassen sich zwei ältere Heßdorfer vernehmen, die ihren Hund in Sichtweite dieser Back-Zentrale Gassi führen. Bevor der Netto-Markt nach Heßdorf kam, hatten die beiden örtlichen Bäcker im Stil von Tante-EmmaLäden sogar einen Teil der Grundversorgung übernommen.

Notiz an der Tür

Weiteres Heßdorfer Ungemach ereignete sich am 10. Juni, als die Metzgerei Thoman ihre Ortsfiliale in der Erlanger Straße schloss. Ein handgeschriebener, mit „Liebe Kunden“ getitelter Zettel hängt noch als Abschiedsgruß in der Ladentür. Nun sind alle Dorfbewohner auf das 800 Meter entfernte Gewerbegebiet angewiesen.

Für höchstens „mittelalte“ Bürger ist es kein Problem, mit dem Auto oder Fahrrad dorthin zu gelangen. Oder als rüstige Rentner einfach zu laufen. Bürgermeister Rehder: „Der Radweg ist stark frequentiert.“

Das nützt aber längst nicht allen etwas. Etliche Senioren haben keinen eigenen Führerschein (mehr). Vor einem Jahr wurde der Seniorenbeirat um Christine Hartmann ins Leben gerufen. Ihr erstes Projekt schlug voll ein. „Durch den Bürgerbus hat sich die Situation der älteren Mitbürger unheimlich verbessert“, weiß die Beiratsvorsitzende Christine Hartmann. „Das Echo der Senioren ist toll, die waren vorher auf Angehörige angewiesen.“

Manchmal ist der Bus rappelvoll, dann fährt er dieselbe Strecke zwei Mal, um alle Passagiere an den Haltestellen aufzulesen. Diese kennen das Procedere und warten meist geduldig.

Jeweils am Montag und am Donnerstag ist ein neunsitziger Transit-Bus von Klebheim über die Heßdorfer Außenorte wie Dannberg oder Hannberg bis zum Heßdorfer Gewerbepark unterwegs. Und natürlich retour. Das alles zum Nulltarif.

Nicht etwa, weil Heßdorf finanziell auf Rosen gebettet ist. Der Bürgermeister weiß: Entgeltliche Fahrten dürfen nicht ehrenamtlich organisiert werden. dann müssten zahlreiche Verwaltungsvorschriften beachtet werden.

Freiwillige Fahrer

Christina Hartmanns Erfahrung: „Nicht alle Passagiere fahren nur zum Einkaufen, manche wollen auch einfach nur gemeinsam Kaffee trinken.“ Nachgefragt werde dieses Angebot besonders von den Bewohnern der Umland-Orte. Sieben feste Fahrer setzen sich in ihrer Freizeit freiwillig ans Steuer des Transit-Busses. Manchmal springt auch ihr eigener Ehemann Jürgen kurzfristig als Chauffeur ein.

Bürgerbus lindert Folgen einer verwaiste Innenstadt

© Frank Heidler

Sogar die Dechsendorfer haben inzwischen ein Auge auf den Bürgerbus geworfen. Aber eine Ausweitung der Route sei laut Heßdorfs Rathauschef nicht erlaubt. Ebenso wenig, wie eine Vergrößerung der Verkaufsflächen im Gewerbegebiet. Und in der Ortsmitte fehle dafür der Platz. Die Capri-Eisdiele zieht jetzt einfach zwei Häuser weiter in die nun ehemalige Metzgerei Thoman Damit wächst ihre Verkaufsfläche von 60 auf 100 Quadratmetern.

Vorherige Verhandlungen mit den Vermietern der Wiesenapotheke waren gescheitert. Jetzt läuft der Umbau in der aufgelassenen Metzgerei. „Wir wollen bis Oktober fertig sein,“ hofft Eisdielenchef Musa Smakolli.

Nur nebenamtlich

Das Schild „Gabis Blumenwerkstatt“ prangt über dem Zugang zur Depandance der Floristin im Einfamilienhaus. „Ich mache das hier nebenamtlich“, sagt Gabi Marxer.

Für einen Vollzeitjob reiche der Umsatz nicht, „dafür müsste ich den Standort wechseln“. Gefragt sei sie besonders bei Hochzeiten und Beerdigungen — und, leider, auch schon mal an Feiertagen.

Service wird auch im Autohaus Biermann groß geschrieben. Und das bereits in der zweiten Generation. Der Chef und Meister Herbert Biermann hat gerade keine Zeit für Reporterfragen.

Seine Frau Gisela pflegt den Kontakt zu Kunden: „Werkstattkunden sind treue Kunden, das macht den Unterschied aus.“ Sie bedauert, dass man nicht mehr schnell zum Metzger rübergehen und eine Brotzeit holen kann.

Nur mit ihrer Tankstelle haben die Biermanns auf die Zeitläufe reagiert. Und sie vor Jahren vom Firmengelände direkt an die Umgehungsstraße verlagert. Zur Heßdorfer Versorgung gehört für Bürgermeister Rehder auch der Arzt am Ort. Er hofft deshalb, dass Dr. Hans-Peter Bayerschmidt später einmal einen geeigneten Praxisnachfolger bekommt.

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