Corona: Höchstadter Schausteller-Familie bangt um Existenz

23.4.2020, 06:53 Uhr
Corona: Höchstadter Schausteller-Familie bangt um Existenz

© Foto: Claudia Freilinger

Auf rund 10.000 Quadratmetern, in mehreren Hallen und im Freien parken ein Riesenrad, zwei Autoscooter, vier große Karussells und drei kleine, Mandelbrennerei, Schießbude und vieles mehr. Überall ist die Bremse angezogen. Nichts dreht sich, duftet oder lockt sonst zu Vergnügungen – bis mindestens 31. August. So lange nämlich sind Großveranstaltungen verboten, die die Schausteller-Familie sonst mit ihrem Fuhrpark bereichert.


Corona-Alternative: Freizeitpark statt Herbstvolksfest in Nürnberg? 


Die Störzers trifft das hart. Entsprechend schwankt die Stimmung der vier Männer auf dem Gelände am Greiendorfer Weg in Höchstadt zwischen Trauer und Wut. "So etwas Schlimmes gab es noch nie", klagt Sascha Störzer. In der achten Generation verdient die Familie jetzt Geld auf großen und kleinen Volksfesten. "Ich weiß es von meiner Oma", sagt Störzer, "nicht mal in der Zeit des Weltkriegs war weniger los für uns".

Sein Vater Alexander hat ebenso eine eigene Firma wie dessen Bruder Alfred, der auch wieder Familie hat. Auch Saschas Schwager ist Schausteller. Alle leben von und für die Branche. Der Weihnachtsmarkt in Bamberg war ihre letzte Einnahmequelle. Seither geht nichts mehr. Sascha Störzer sollte jetzt eigentlich gerade Plastikchips verkaufen beim Frühlingsvolksfest in Nürnberg und an jedem Fahrgast verdienen. Die Hauptattraktion, das "Blackout", hat die Familie Hundertausende Euro gekostet. 2014 haben sie in die Neuheit investiert, die Feierwütige an einem langen Arm durch die Luft und im Kreis wirbelt. "Das Blackout ist einzigartig in Europa", schwärmt Vater Alexander Störzer – und inzwischen so bekannt, dass es bei immer mehr Volksfesten gebucht wird. Für 20 größere Veranstaltungen in der Saison 2020 waren die Verträge schon unterschrieben, sieben mehr als im letzten Jahr. Würzburg, mehrere große Feste in Nordrhein-Westfalen, Annafest in Forchheim – alles dahin. An der Bergkirchweih nehmen Störzers im turnusmäßigen Wechsel teil, dieses Jahr wären sie nicht dabei gewesen.

Corona: Höchstadter Schausteller-Familie bangt um Existenz

© Foto: Claudia Freilinger

Hinzu kommen die kleineren Kerwas im Landkreis, die Alexander Störzer zum Beispiel mit der Mandelbrennerei beschickt. Hemhofen, Etzelskirchen und Zeckern sind bereits abgesagt, weitere werden jetzt folgen. "Wir standen hier mit allem schon in den Startlöchern", sagt Sascha Störzer.



In letzter Sekunde ging die Ampel von Rot auf Grün, das heißt Kosten für Reparaturen, Magnet- und Tüv-Prüfungen sind schon angefallen, die Wegstrecken für die Schwertransporte angemeldet und teils bezahlt. Dazu kommen die laufenden Kosten. 10.000 bis 15.000 Euro sind es jeden Monat, schätzt Alexander Störzer. Seine Firma ernährt neben der fünfköpfigen Familie noch acht Mitarbeiter. "Das ist gut geschultes Personal, die kann ich nicht einfach gehen lassen", sagt der Chef. Für vier Angestellte hat er deshalb jetzt Kurzarbeit angemeldet, vier weiteren musste er für diese Saison absagen.

5000 Euro Soforthilfe hat die Schausteller-Firma bekommen. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein." Die Reparatur eines Bolzen am Fahrgeschäft war da schon teurer. "Aber wir müssen doch irgendwie leben", klagt Alexander Zinnecker.


Bestätigt! Münchner Oktoberfest wegen Corona abgesagt


Der Schwiegersohn von Alexander Störzer ist auch Schausteller und hat gerade für mehrere Millionen eine Achterbahn in Auftrag gegeben – ausgerechnet in der Lombardei. Die Region in Norditalien ist von der Pandemie schwer getroffen und keiner weiß wie es weitergeht. Zinnecker hilft sich deshalb selbst. Auf seinem Gelände in der Forchheimer Dechant-Reuder-Straße möchte er jetzt eine kleine Kerwa aufbauen mit Drive-in und Lieferservice. "Wir sind ja findige Leute – und wir wollen alle leben, aber wenn man uns verbietet zu arbeiten, geht das nicht." Zinneckers Mini-Kerwa könnte vielleicht helfen, die Kosten etwas abzufedern.

Das Gelände von Alexander Störzer liegt zu sehr außerhalb vom Stadtkern, um eine solche Idee umzusetzen. Er hat jetzt einen weiteren Kredit aufgenommen, um die Saison irgendwie zu überbrücken. Sein Bruder Alfred Störzer hat mit seinem "kleinen Zuckerparadies" den angestammten Platz am Plätzla beim Schloss eingenommen und bietet immer donnerstags bis sonntags von 14 bis 20 Uhr Süßigkeiten und Softeis zum Mitnehmen an. Ein kleines bisschen Kerwa geht also doch – auch wenn keinem Schausteller nach feiern zumute ist.


Die Anzahl der Corona-Infizierten in der Region finden Sie hier täglich aktualisiert. Die weltweiten Fallzahlen können Sie an dieser Stelle abrufen. Sie haben selbst den Verdacht, an dem Virus erkrankt zu sein? Hier haben wir häufig gestellte Fragen zum Coronavirus zusammengestellt.


Wir informieren Sie mit unserem täglichen Corona-Newsletter über die aktuelle Lage in der Coronakrise, geben Ihnen Hinweise zum richtigen Verhalten und Tipps zum alltäglichen Leben. Hier kostenlos bestellen. Immer um 17 Uhr frisch in Ihrem Mailpostfach.

Sie bevorzugen Nachrichten zur Krise im Zeitungsformat? Erhalten Sie mit unserem E-Paper-Aktionsangebot immer die wichtigsten Corona-News direkt nach Hause: Ein Monat lesen für nur 99 Cent! Hier gelangen Sie direkt zum Angebot.

 

 

Verwandte Themen


8 Kommentare