Demenz-WG in Höchstadt: Initiative feiert Geburtstag

19.9.2017, 06:00 Uhr
Demenz-WG in Höchstadt: Initiative feiert Geburtstag

© Foto: Frank Heidler

Vom Wohlfühlfaktor in diesem mit hohem Aufwand sanierten und umgebauten ehemaligen Verwaltungsgebäude könnte auch die bei allen beliebte Hauskatze Emma berichten. Haustiere sind ausdrücklich erlaubt. Allerdings muss vorher geklärt sein, "wer sich ums Katzenklo und das Füttern kümmert", plaudert die gelernte Altenpflegerin und Geronto-Therapeutin Schmitt aus dem Nähkästchen.

Von ihrem ersten Gedanken, eine Wohngruppe für Demenzkranke zu starten, bis zur tatsächlichen Belegung der ersten Wohngruppe vergingen immerhin vier Jahre. Im Jahr 2006 wurde zuerst der Verein "Lebensfreude ERHalten" gegründet. Es folgen viele, viele Versammlungen, Gespräche, Briefe und Zuschussanträge, bevor diese erste Wohngruppe für Demenzkranke langsam Formen annahm.

Meist im Heim

Erste Hürde: "Demenzkranke brauchen eine 24-Stunden-Versorgung". Wer eine solche Betreuung benötigt, geht "normalerweise in ein Pflegeheim".

Nicht so in Höchstadt: Die Pioniertat bestand darin, erstmalig eine 24-Stunden-Versorgung im ambulanten Bereich organisieren zu wollen. Rosi Schmitt suchte Mitstreiter, auch Lokalprominenz wie Bürgermeister Gerald Brehm und den damaligen Landrat Eberhard Irrlinger. "Wir wollten kein Kleinstheim" werden. Denn dann wäre die Idee von einer selbstbestimmten Wohngemeinschaft von vornherein gescheitert.

Unumwunden gibt Rosi Schmitt zu: "Wir waren ja alle Laien." Und als solche mussten sie "durch eine harte Schule gehen", um in einem denkmalgeschützten Gebäude eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke einzurichten. Insgesamt weist das schmucke Gebäude mit schönem Apfelbaum-garten, weißen Wänden und dunkelrot abgesetzten Fenster-Umrahmen eine Wohnfläche von 480 Quadratmetern auf. Zentraler Anlaufpunkt ist die Wohnküche mit rund 80 Quadratmetern Fläche und dem ockerwarm leuchtenden Fußboden. Als der Reporterblick auf den Aufzug im Hintergrund fällt, ergänzt Schmitt: "Noch in der Planungsphase wurde der Aufzug zusätzlich vorgesehen." Ein Treppenlift alleine hätte niemals für die 70 bis 90 Jahre alten WG-Bewohner ausgereicht, so ihre Erfahrung seit 2010.

Demenz-WG in Höchstadt: Initiative feiert Geburtstag

© Foto: Ralf Rödel/Archiv

Fast eine halbe Millionen Euro kostete der Umbau des Hauses für die WG. Natürlich gab es viele Zuschüsse. Manche davon beinahe überraschend für den "No-Name-Verein aus Höchstadt", wie sie sich selbst sehen. Der Eigenanteil von 50 000 Euro musste mit Spenden geschultert werden.

Bis zum heutigen Tag wird der Haupteingang des Gebäudes nicht mehr genutzt. Schmitt: "Das wäre für eine Rollstuhlrampe zu hoch gewesen." Diese befindet sich jetzt auf der Gebäuderückseite, dort war früher der Hintereingang.

Überraschenderweise verfügt keines der insgesamt zwölf Bewohnerzimmer über eine eigene Nasszelle. "Denn das macht keinen Sinn." Die allermeisten Demenzkranken könnten ohnehin nicht mehr alleine auf Toilette gehen. Den Namen der Hauskatze Emma merken sie sich, den Weg zum WC dagegen nicht.

Die einzelnen, eher groß dimensionierten Räume mit 20 bis 24 Quadratmetern Fläche wurden von Angehörigen individuell für ihre Lieben ausgestaltet: mit alten Bildern und Uhren, selbst gefertigten Sofadecken oder Stoffpuppen, die häusliches Flair verbreiten. Trotz aller Mühen und Unwägbarkeiten aus den Anfangsjahren ist der Verein "Lebensfreude ERHalten" nur noch als Vermieter für die Bewohner zuständig.

Die ambulant betreute Wohngemeinschaft wird inzwischen von einem "Gremium der Selbstbestimmung" verwaltet. Dieses besteht aus Mietern, Angehörigen und den gesetzlichen Vertretern. Sie entscheiden selbst, welcher Pflegedienst(e) beauftragt werden. Welche Waschmaschine gekauft wird oder wer als Mitbewohner aufgenommen wird.

Als "Moderator" hat Rosi Schmitt den Start dieser Selbstverwaltung in den beiden Anfangsjahren begleitet.

Eine ähnliche Mitwirkungsmöglichkeit gebe es in Pflegeheimen üblichen Zuschnitts dagegen nicht, ist Vereinsvorsitzende Rosi Schmitt überzeugt. Die Wohngruppe wird einmal pro Jahr durch die Heimaufsicht kontrolliert.

Im Höchstadter Heim wird Rosi Schmitt nicht mehr so häufig gesehen wie früher. "Ich bin noch bis Ende des Jahres Moderator im Haus Wilhelmine in Erlangen", ebenfalls eine Wohngemeinschaft für pflegebedürftige und/oder demenzkranke Bewohner. Auch in Herzogenaurach soll in nicht allzu ferner Zukunft eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke gestartet werden.

Der Bedarf für diese Wohnform ist auf jeden Fall da, glaubt Rosi Schmitt. Bundesweit gebe es zur Zeit 1,2 bis 1,4 Millionen Demenzkranke. Zusammen mit den Pflegebedürftigen steige die Zahl auf rund 2,5 Millionen Betroffene. Mit einer zunehmend älteren Bevölkerung steige der Bedarf.

In einer Demenz-WG sieht sie die Chance, "eine gewisse Häuslichkeit herzustellen". Im Normalfall bleiben selbst schwerkranke Bewohner bis zum Tod im eigenen Zimmer.

 

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