Ein perfides Spiel

24.2.2014, 09:00 Uhr
Ein perfides Spiel

© Berny Meyer

Herr Sageder, warum ist ein solches Spiel so gefährlich?

Horst Sageder: Sinn und Zweck des Spieles ist es, die Nominierung weiterzugeben. Das tue ich entweder, um meinen Kumpel, von dem ich weiß, dass er das packt, gut dastehen zu lassen. Oder ich nominiere jemanden genau aus dem gegenteiligen Grund, also um ihn bloßzustellen: Ich übe Druck auf denjenigen aus und sorge dafür, dass es möglichst viele mitbekommen.

Michael Thiem: Außerdem hat dieses Spiel den fiesen Effekt, dass sich in Zeiten, wo Heidi Klum Fotos an Topmodels und der Bachelor Rosen an tolle Mädchen verteilt, viele durch diese Biernominierung auch noch geehrt fühlen.

Das heißt, die sozialen Medien erhöhen den Druck?

Thiem: Definitiv. Vor 40 Jahren gab es das Trinken einer halben Maß auf Ex auch schon, aber da blieb es anonym im kleinen Rahmen in einer Kneipe. Durch Facebook ist der „Freundeskreis“, der etwas mitbekommt und teilt, größer geworden. Der fälschliche Gedanke „Du darfst nicht aussteigen, sonst bist du uncool!“ greift dort also noch stärker als im wahren Leben. Außerdem sind vielen jungen Menschen die Folgen nicht bewusst: Wer als 14-Jähriger wegen eines ge-exten Bieres als cool gilt, kann sich mit so einem Video für die Ausbildungssuche gewaltig selbst beschädigen.

Wer ist bei solch einem Spiel wie der Biernominierung denn besonders gefährdet: Jungen oder Mädchen?

Thiem: Das nimmt sich nicht so viel. Vielmehr lässt sich sagen, dass selbstbewusste Jugendliche eher widerstehen können. Die anderen sehen sich herausgefordert, wollen nicht als Verlierer gelten und glauben beliebter und toller zu werden, indem sie sich solch einer Nominierung stellen. Besonders Jugendliche, die am Rand einer Clique stehen, sind gefährdet.

Doch wie kann man gegen diese gefährlichen Trends vorgehen?

Thiem: Wir von der Laufer Mühle sind selbst trockene Alkoholiker und besuchen im Jahr etwa 50 Schulen. Dabei fragen wir jeden Jugendlichen: Löst Du durch den Alkohol wirklich die ursprünglichen Probleme – zum Beispiel das Sich-minderwertig-Fühlen oder Nicht-zugehörig-Sein, oder betäubt es diese Gefühle nur für einen kurzen Moment?

Das ist Ihre Art der präventiven Hilfe. Doch was kann ich als Jugendlicher selbst tun, wenn ich bei meinem Freund ein Alkoholproblem vermute?

Sageder: Wichtig ist, den Süchtigen – sofern er einer ist —, nicht in Schutz zu nehmen, wenn er zu spät kommt oder Mist baut. Stattdessen raten wir dazu, denjenigen konkret anzusprechen. Ihm ehrlich sagen, was ich mitkriege, sehe oder spüre – zum Beispiel, wenn er lallt oder eine Fahne hat. Nur so merkt er: Ich falle damit auf und muss etwas ändern.

Das will aber nicht jeder Alkoholiker hören.

Thiem: Leugnen ist gerade am Anfang eher die Normalität und eine durchaus verständliche Abwehrhaltung. Aber wenn es ein Freund ernst meint, bleibt er hartnäckig und spricht denjenigen erneut an.

Sollte ich nicht auch die Eltern des Betroffenen ins Boot holen?

Swen Weisenberger: Das Problem ist, dass Eltern mit solch einer Problematik häufig überfordert sind. Deren Hilfsversuche können den Druck auf den Betroffenen noch mehr steigern und so zu einer noch stärkeren Abwehrhaltung führen.

Was tue ich dann, wenn ich alleine nicht helfen kann?

Weisenberger: Ich könnte versuchen, den Vertrauenslehrer oder eine andere Person, zu der ich eine Vertrauensbasis habe, zurate zu ziehen – auch wenn es für den Betroffenen am Anfang wie ein Verrat ist. Aber im Endeffekt ist es eine Hilfe. Und als Helfender tut es außerdem gut, die Sorgen selbst mit jemand anderem teilen zu können, beispielsweise den eigenen Eltern.

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