Ein Spezi-Fisch und die flexible Körpermitte

29.1.2019, 12:00 Uhr
Ein Spezi-Fisch und die flexible Körpermitte

© Foto: Christian Enz

Kein Unbekannter in Höchstadt: Bereits zum siebten Mal hatten die Alligators Bauchredner Sebastian Reich und Nilpferd Amanda in die ausverkaufte Aischtalhalle eingeladen.

Sebastian Reich ist im Jahr 2002 ein Bub, auf den seine Eltern stolz sein können. Immerhin kommt der gebürtige Würzburger charmant-wohlerzogen daher – und hat als gelernter Bäcker und Konditor gleich zwei Gesellenbriefe in der Tasche. Doch dann verlässt Reich das heimelige Kaffeehaus und springt hinein ins Haifischbecken Showgeschäft. "Mein Onkel war damals bereits seit 30 Jahren als Bauchredner erfolgreich", erinnert sich Reich – und er wollte das auch. Kurzerhand legte er sich mit "Pierre Ruby" einen glamourösen Künstlernamen und ein paar Puppen zu, um die Bühnen dieser Welt zu erobern. Doch der Anfang war schwerer als gedacht – erinnert sich Axel Rogner, Vorsitzender des AlligatorsVerwaltungsrats. Denn bei besagten Höchstadt Alligators hatte Reich einen frühen Auftritt. "Damals waren wir noch im Weberskeller und hatten gerade einmal 39 Zuschauer", erzählt der Verwaltungsrats-Vorsitzende.

Der fränkische Spaßmacher – inzwischen unter seinem bürgerlichen Namen und mit sympathisch-frecher Nilpferd-Dame Amanda auf Tour – gehört heute zu den gefragtesten Kabarettisten der Nation. Bereits zum neunten Mal wird er am 22. Februar bei der TV-"Fastnacht in Franken" auf der Bühne stehen.

Filigrane Wortspiele

Zu Recht, wie er nun vor 900 Zuschauern am Höchstadter Kellerberg unter Beweis stellte. Denn Reich versteht sich noch auf echtes, hintergründiges Kabarett. Vulgäre Proleten-Sprache? Fehlanzeige! Ebenso verzichtet er völlig auf herabwürdigendes Verhalten. Stattdessen wirft Reich von der ersten Minute an mit filigranen Wortspielen und hintergründigen Gags um sich. Damit schwingt er sich vom "bloßen" Kabarettisten auf zu einem Entertainer für die ganze Familie. Etwa, wenn er seine Handpuppe Amanda über das Wort "spezifisch" philosophieren lässt. "Wisst ihr, was ein Spezi-Fisch ist?" fragt das sympathische Plüschtier rhetorisch. "Das kommt raus, wenn ein Cola-Fisch mit einem Fanta-Fisch. Naja, ihr wisst schon." Es ist einer seiner ältesten Gags, die Reich damit an den Anfang seines Programms gestellt hat. Nicht zufällig, wie er zugibt. "Damit finde ich heraus, wie bekannt wir im Publikum sind. Darauf reagiere ich dann mit meinem Programm."

In der Aischtalhalle kennt man die Protagonisten bestens. Ohne Umschweife können Reich und Amanda deshalb zum Kern der Show kommen. Diese nennt sich "Glückskeks" – und dreht sich im weitesten Sinne um die Frage, was Menschen glücklich macht. Amanda glaubt, mit einem neuen Smartphone glücklich werden zu können. "Mein altes ist kaputt. Ich hatte es auf Flugmodus gestellt – es ist aber keine drei Meter geflogen." Im Publikum vermutet man Glück indes hinter weit weniger materiellen Dingen. Dies arbeitet Reich mit Kärtchen heraus. Auf diesen konnten Zuschauer beschreiben, was sie glücklich macht. Für zwei kleine Mädchen hätte es nicht einmal weißes Gold sein müssen. Sie träumen von einem Foto mit Sebastian Reich und Amanda. Ein Wunsch, den der unprätentiöse TV-Star sofort erfüllt – indem er die Kinder auf die Bühne holt.

Rein beruflicher Natur

Amanda hingegen kann auch bissig. Wohl auch, weil sie selbst ein wenig einsam ist. Denn das Verhältnis zu Sebastian Reich ist rein beruflicher Natur. "Inzwischen erkennen mich die Leute auf der Straße. Dann wird oft gefragt: Ja, wo ist sie denn?" plaudert der Entertainer aus dem Privatleben-Nähkästchen. "Als würde ich sie im Kinderwagen vor mir herschieben." Auch nach der Show gehen beide getrennte Wege. "Das Hotelzimmer teile ich nicht mit ihr. Sicher nicht." Warum, das lässt Reich offen. Vielleicht, weil Amanda ein paar Allüren hat – immerhin hält sie sich für einen Mega-Star. "Das sieht man auch daran, dass ich keinen Nachnamen habe", reklamiert die Handpuppe gegenüber ihrem Besitzer. "So wie Madonna, Shakira, Nena oder Poldi."

Richtig unglücklich daher kommt allerdings ein ganz anderer Charakter – das Marzipan-Schwein Nick Pig. Eigentlich, so erzählt es dem fränkischen Entertainer, sollte es ein Glücksschwein sein. "Allerdings bin ich wenig erfolgreich." Deshalb ist Nick Pig nach Stationen im Planungsbüro des Berliner Flughafens, der Diesel-Entwicklung von VW und beim HSV inzwischen frustriert und unglücklich in Höchstadt angekommen.

Flugfehler unterlaufen

Weit kürzer fällt hingegen ein Gastspiel des in die Jahre gekommenen Amor aus. Aufgrund von Sekundenschlaf war diesem ein Flugfehler unterlaufen – und er samt Pfeil und Bogen durch das Hallendach auf die Bühne gekracht. Obwohl Reich ihn immer wieder auf die Schippe zu nehmen versucht – das Selbstbewusstsein des greisen Liebesgottes bekommt keinen Kratzer. "Immerhin bin ich die älteste Partnervermittlung der Welt. Adam und Eva waren meine ersten Kunden", renommiert die Puppe.

Amanda beendet schließlich die Show. Dazu gibt sie den Zuschauern noch eine Aufgabe mit auf den Weg. "Wenn es Ihnen gefallen hat, dann erzählen Sie es weiter. Falls nicht, kommen Sie wieder. Denn mit der Zeit gewöhnt man sich an alles."

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