Ein Trainingsplatz für Waldbesitzer bei Poppenwind

6.6.2019, 11:56 Uhr
Ein Trainingsplatz für Waldbesitzer bei Poppenwind

© Foto: Ralf Rödel

Ein Hektar dieses Waldstücks, das einer aus Poppenwind stammenden Röttenbacherin gehört, ist jetzt ein Trainingsgelände. Eins von fünf solcher "Marteloskopen" (so der Fachausdruck für das aus Frankreich stammende Verfahren), die es in Bayern gibt. Drei der fünf derartigen Weiterbildungsorte liegen im Landkreis Erlangen-Höchstadt: der bei Poppenwind, ein weiterer im Rummelwald bei Weingartsgreuth, der dritte bei Hemhofen. Trainiert, vor allem motiviert, sollen hier private Waldbesitzer werden, auf dass sie mit der davonrennenden Zeit doch noch mithalten.

Trainiert wird richtiges Durchforsten. Und weil man, wie der Leiter der Abteilung Forsten beim AELF, Peter Pröbstle, außer einem Kirchweihbaum keinen gefällten Baum wieder aufstellen kann, geschieht das Durchforsten virtuell. Der Hektar Kiefernwald ist mit wachstumskundlichen Daten erfasst, jeder Baum, jeder der insgesamt 6100 natürlich aufgegangenen Eichen-Schösslinge, die "dank" Wildverbiss seit 15 Jahren nicht höher gewachsen sind als 30 Zentimeter. Das Problem des nicht regulierten und zu hohen Rehwild-Bestands wollen die Forstleute aber nicht thematisieren.

Ein Trainingsplatz für Waldbesitzer bei Poppenwind

© Foto: Ralf Rödel

Insgesamt 12 500 Einzeldaten hat André Mongelluzzi vom Forstamt hier aufgenommen und programmiert. Daraus berechnet das Computerprogramm, wie sich der Bestand bis 2050 entwickeln wird, je nachdem, wie der Besitzer ihn bewirtschaftet.

Da gibt es durchaus Überraschungen. Nicht nur die vier Lehrgangsteilnehmer haben den Bestand bei Poppenwind völlig falsch eingeordnet. Selbst Pröbstle räumt ein, beim Alter der Bäume gewaltig danebengelegen zu haben. Die Kiefern würden, mit der Ertragstafel im Kopf, auf etwa 60 Lebensjahre taxiert werden. Sie sind 110 Jahre alt.

Warum sie so mickrig aussehen für ihr Alter, kann Stefan Stirnweiß mit einer Bodenprobe verdeutlichen: kein Wasser für die Wurzeln. Dieses Jahr fällt die Demonstration besonders dramatisch aus: Der Regen der vergangenen beiden Wochen hat allenfalls die obersten zehn Zentimeter Boden benetzt. Aus 60 Zentimetern Tiefe rieselt der Boden staubtrocken aus der Bohrstange.

Es wird, im Schnitt, so trocken bleiben und noch wärmer werden. Wer seinen Wald nicht umbaut, wird in etlichen Jahren nichts mehr von ihm haben.

Das können sich alle sinnfällig beweisen lassen, die sich entschließen, die vierstündige Schulung im Trainingswald mitzumachen. Immer vier Teilnehmer durchstreifen dabei eine Stunde lang jeweils einen Quadranten und kennzeichnen die Kiefern darin, ob man sie zum Durchforsten fällen soll oder nicht.

Danach erfährt der Teilnehmer vom Schulungsleiter sozusagen die Wahrheit über den Wald: Wie alt die Bäume wirklich sind, welche Erfahrungen der Revierförster mit dem Wald hat, wie der Boden ist, der Nährstoffgehalt, das Klima.

Der Trainierende bekommt dann Vorschläge für Baumarten, die an diesem Standort weniger riskant anzubauen sind als die Kiefer: Stieleichen zum Beispiel oder Traubeneichen, Buchen oder Hainbuchen. Mit diesem Wissen werden neue Ziele für die Pflege des Bestands formuliert und dann ein zweites Mal bei einem Rundgang virtuell durchfostet. Schließlich die Simulation der Entwicklung bis 2050.

Wer keine Kiefer fällt, erfahren die vier Teilnehmer am Montag, wird Stillstand erleben in seinem Wald. Weder werden die Bäume wachsen, noch junge Laubhölzer hochkommen, obwohl es sie gibt. Es sei denn, die Natur und der Klimawandel sorgen für Entwicklung und lassen die Kiefern ganz absterben.

Keine Nullnummer – auch beim Ertrag – wäre eine Altdurchforstung, wie sie viele Waldbesitzer gewöhnt sind. Vier Holzernten (insgesamt rund 350 Festmeter) in Abständen würden bis 2036 sechs neue Baumarten in dem Waldstück wachsen lassen, das geerntete Kiefernholz nebenbei gut 9500 Euro Einnahme bringen.

Wer allerdings seinem Waldstück eine echte Verjüngungskur verpasst und 380 Festmeter Kiefernholz erntet, wird 2050 zwar nur noch 28 Kiefern im "Trainingswald" stehen haben, dafür aber 910 junge, zukunftsfähige Laubbäume aus acht verschiedenen Arten. Und die Ernte bringt laut Computersimulation 11 500 Euro Erlös, obendrauf die 1000 Euro Prämie, die der Freistaat an private Besitzer pro Hektar für diese Verjüngung zahlt.

Das Planspiel im Trainingswald zeige, so Stefan Stirnweiß, dass der grundlegende Umbau des Waldes sich lohne, freilich nicht kurzfristig. Aber wer jetzt eingreife, habe die Chance, seinen Wald zu sichern.

Das sei, so Reiner Seifert vom Forstamt, zuständig für die Betreuung der privaten Waldbesitzer, nicht nur volkswirtschaftlich von Bedeutung, weil es die Holzproduktion sichere. Wer Wälder durch Umbau für die Zukunft erhalte, betreibe echten Klimaschutz: Der Wald verwandelt das Treibhausgas Kohlendioxid durch Photosynthese in Holz und nimmt es so aus der Atmosphäre.

Das zu begreifen, ist wichtig für alle, bekräftigt der eigens zum Ende der Schulung in den Trainingswald gekommene Vorsitzende der Forstlichen Vereinigung Mittelfranken, der Landtagsabgeordnete Walter Nussel (CSU). Er hoffe, dass sich viele Waldbesitzer beim betreuenden Revierförster für eine Schulung im Trainingswald anmelden. Er hoffe auch, dass die Bevölkerung sieht, dass hierzulande nachhaltiger Waldbau betrieben wird, auch wenn der Harvester häufiger in Kiefernwäldern arbeitet als noch vor wenigen Jahren.

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