Gedenken am Kreuzstein

27.4.2015, 17:23 Uhr
Gedenken am Kreuzstein

© Foto: Enz

Bereits seit 20 Jahren unterstützt die Pfarrei St. Georg verschiedene Projekte in Armenien. Eine ‚Küche der Barmherzigkeit‘ steht ebenso auf der Förderliste wie ein Waisenhaus, ein Altenheim oder Ausbildungs-Werkstätten. „Angefangen hat damals alles mit Sprachkursen, die wir für armenische Asylbewerber angeboten haben“, erinnert sich Pfarrer Kilian Kemmer.

Inzwischen, sagt der Dekan stolz, bringen die Gemeindemitglieder jährlich etwa 50 000 Euro auf, um die notleidenden Christen in Armenien zu unterstützen. Obwohl sie inzwischen über einen eigenen Staat verfügen, so dauert deren Leidensgeschichte aus wirtschaftlichen Gründen bis heute an, weiß Margaret Assoian-Link.

Aus Dankbarkeit für die lebensnotwendige Hilfe habe die armenisch-orthodoxe Gemeinde Nürnberg deshalb in Höchstadt bereits zwei Kreuzsteine errichtet, so die Gemeinde-Vorsitzende. Einer davon steht seit 2006 am Häckersteig zwischen Anton-Wölker-Schule und Realschule. „Einem Ort, an dem jeden Tag mehrere 100 junge Menschen vorübergehen“, wie Kemmer unterstreicht.

Gut 150 armenisch-orthodoxe Christen aus ganz Mittelfranken hatten sich dort am Sonntagnachmittag zu einem Gedenkgottesdienst versammelt. „Es ist unsere Verpflichtung, die Erinnerung an Menschen wach zu halten, die nur wegen ihres Glaubens getötet wurden“, erklärt Margaret Assoian-Link. Bewusst bezieht sie dabei auch andere Glaubensrichtungen wie Aramäer, Assyrer und Pontosgriechen mit ein, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben.

Alle Wurzeln ausgelöscht

Pfarrer Aygik Hovhannisyan bezeichnet die Vorgänge um 1915 als größte Katastrophe in der über tausendjährigen Geschichte seines Volkes. „Einerseits, weil über 1,5 Millionen Menschen ihr Leben verloren. Andererseits, weil nahezu sämtliche historischen Hinterlassenschaften und kulturellen Wurzeln unwiederbringlich ausgelöscht wurden und wir damit praktisch unsere Heimat verloren.“ Dabei, so ergänzt Assoian-Link, handle es sich bei den Toten keinesfalls um Kriegsopfer. „Es ging der damaligen jungtürkischen Regierung einzig und allein um die Islamisierung Klein-Ostasiens.“

Eine Sichtweise, die – so erläutert Pfarrer Hovhannisyan – inzwischen auch in der Türkei von führenden Intellektuellen und zahlreichen Historikern geteilt wird. „Dies ist jedoch kein Ersatz für ein offizielles Schuldeingeständnis und die Anerkennung eines Völkermordes.“ Dekan Kemmer beklagt in seiner Fürbitte, dass völkermörderische Handlungen bis heute nicht geächtet seien und immer noch stattfinden. „Gott möge Energien freisetzen, die eine Wiederholung solcher Gräueltaten verhindern und uns noch enger zusammenführen.“ In diesem Zusammenhang lobt der Höchstadter Dekan die Position von Bundespräsident Joachim Gauck.

Dieser hatte vor kurzem ebenfalls von einem Völkermord an Armeniern im Ersten Weltkrieg gesprochen. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob der Bundespräsident so mutige, deutliche Worte gefunden hätte, wenn nicht Papst Franziskus vor zwei Wochen so klar Position bezogen hätte“, merkt Kemmer an. Eine Aussage, für die es spontan Applaus der armenischen Gemeinde gibt.

Überhaupt präsentieren sich die nach Höchstadt gekommenen Armenisch-Orthodoxen auch an diesem für sie schmerzhaften Tag auffallend lebensfroh. Es wird gesungen und getanzt, Schüler der wöchentlich stattfindenden Sonntagsschule tragen Gedichte vor. „Natürlich lernen unsere Kinder nicht mehr nur Armenisch als Muttersprache. Auch Deutsch wird mit in die Wiege gelegt. Aber wir leben unsere Gemeinschaft“, erläutert Assoian-Link.

Einen Mitgliederschwund wie die großen christlichen Kirchen gibt es in der 1980 gegründeten Nürnberger Gemeinde nicht. Im Gegenteil, nach wie vor gibt es armenische Auswanderer, die dazu stoßen. „In der Sowjetunion war unsere Kirche verpönt. Deshalb sind viele Migranten nicht getauft und wollen das jetzt bei uns nachholen.“

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