Geschichten aus einer Zeit, die schon Geschichte ist

27.5.2013, 16:06 Uhr
Geschichten aus einer Zeit, die schon Geschichte ist

© Paul Neudörfer

Martin Oberle kam mit dem Aufschreiben gar nicht hinterher. Er war „Protokollführer“ beim Seniorenabend, als sich alte Kieferndorfer in der Kellerbar zusammensetzten, um über die alten Zeiten im Dorf zu reden.

Die Geschichten, die Oberle zu hören bekam, werden ihren Niederschlag in der Festschrift finden, die anlässlich der 600-Jahr-Feier des Höchstadter Ortsteiles herausgegeben wird. Am 10. und 11. August soll das Jubiläum zusammen mit der Feuerwehr groß gefeiert werden.

Stoff für die Festschrift gibt es jedenfalls genug, denn auf Einladung von Marianne Zimmermann waren gut 20 „Eingeborene“ im Alter zwischen 70 und 86 Jahren gekommen. Sie hatten sich viel zu erzählen, vor allem, weil einige auch von weit her angereist waren und ihre Jugendfreunde seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatten.

Die Geschichten, die sie zum Besten gaben, rankten sich um die Jahre zwischen 1930 und 1950, als Kieferndorf mit seinen acht Häusern und elf Pferden noch zur selbstständigen Gemeinde Etzelskirchen gehörte.

Damals, so erinnert sich zum Beispiel Maria Firnkäs, sei das ganze Dorf ein Spielplatz für die Kinder gewesen, mit dem Weiher als Mittelpunkt. In den, so erinnert sich Alfred Hartenfels, durfte er als Sechsjähriger auf den Pferden reiten, wenn die einmal in der Woche zum Baden ins Wasser getrieben wurden.

1939 hatte Kieferndorf 51 Einwohner, 30 davon waren Kinder, die alle in die Schule nach Etzelskirchen gingen. Natürlich wurden sie nicht, wie heute, vom Schulbus abgeholt. Sie mussten laufen, und Elisabeth Dellermann  weiß noch, dass der Weg damals im Sommer eine halbe Stunde dauerte. Im Herbst etwas länger, weil man sich von den Feldern die Rüben holte, um sie als Frühstück zu verspachteln. Und im Winter waren die Kinder wegen des vielen Schnees noch länger unterwegs.

Hausaufgaben und Feldarbeit

Hausaufgaben mussten natürlich auch damals gemacht werden, aber wegen Überlastung hat kein Kind geklagt, auch wenn es nach dem langen Schulweg und den Hausaufgaben noch auf dem Feld arbeiten oder Gänse hüten musste.

Wie auch heute noch hatten sich die Kinder natürlich damals schon auf Weihnachten gefreut. Die Spielsachen, die sie dann geschenkt bekamen, waren aber meist die gleichen wie das Jahr zuvor, nur etwas schöner bemalt. Anna Friedel, geborene Geyer, erinnert sich daran, dass es bei ihr zu Hause an Heiligabend immer marinierte Heringe gegeben hatte, in anderen Familien kam natürlich ein Karpfen auf dem Tisch.

Aus ihren Kindertagen erzählte auch Paula Geyer, eine geborene Vogel. Sie war 1946 mit Eltern und Bruder aus dem Sudetenland nach Kieferndorf gekommen und wurde beim Bauern Köberlein einquartiert und musste als Elfjährige natürlich auch auf dem Hof mitarbeiten.

Hedwig Peßler, die früher Geyer hieß, hatte zu dem Treffen eine Reihe von Bildern aus den 50er Jahren mitgebracht. Ihre Zeitzeugnisse wurden allerdings noch von Rosi Geyer übertroffen. Die 86-Jährige hatte ein Foto dabei, das „sicher älter als sie selbst ist“ und ihre Familie vor dem Haus Nr. 4 zeigt.

Aus der Nachkriegszeit

Aus der Nachkriegszeit erzählte nicht nur Hedwig Peßler, auch Hans Hartenfels und sein Freund Hans Geyer konnte sich an manche Episode erinnern. Beispielsweise, als sie im Winter ein Metallstück aus dem Dorfweiher zogen und damit herumwarfen. Dass es sich dabei um eine Handgranate handelte, wussten sie erst, als das „Ding“ explodierte, zum Glück aber niemand verletzte.

Fast drei Stunden lang hatten die Etzelskirchener Senioren viel zu erzählen. Und wenn Anfang August das große Fest ist, wollen sie natürlich alle dabei sein. Auch wenn sie längst nicht mehr im Dorf wohnen, denn von der damaligen Generation hat keines der Mädchen in Kieferndorf geheiratet.

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