Hemhofen: Flüchtlinge im Paragrafen-Dschungel

3.2.2017, 06:00 Uhr
Hemhofen: Flüchtlinge im Paragrafen-Dschungel

© Foto: Frank Heidler

Um die Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen Dorsch-Tennisanlage ist es seit dem Nachlassen der ganz großen Flüchtlings-Welle etwas ruhiger geworden. Vom Spitzenwert 180 sank die Zahl der hier untergebrachten Asylsuchenden und anerkannten Flüchtlinge auf rund 20.

Eigentlich kommen Helfer wie Klaus Eibich nur deshalb zweimal die Woche, weil sie all jenen Zugereisten übergangsweise Deutsch-Unterricht erteilen wollen, die bei den Sprachkursen noch nicht zum Zuge gekommen sind.

Die tatsächliche Arbeitsaufteilung von Eibich und seines Helferkollegen Peter Mosch ist aber eine andere.

„Nur einer gibt Deutsch-Unterricht, der andere macht trouble-shooting.“ Er fragt bei den Zweistundenbesuchen in die Runde: „Gibt es irgendwelche Probleme?“Natürlich gibt es die. „Der deutsche Bürokratismus wird eins zu eins auf Leute mit zum Teil Null Sprachkenntnissen übertragen“, bedauert Eibich.

Kosten kaum zu stemmen

Für anerkannte Flüchtlinge sind die Integrationskurse in Erlangen verpflichtend. Diese wurden laut Vorgabe vom Bundesamt für Migration (BAMF) auf sechs mehrwöchigen Modulen aufgebaut.

Die Fahrtkosten für die jeweils halbstündige Busfahrten von Hemhofen nach Erlangen und zurück sind von den Flüchtlingen kaum zu stemmen. „Sie sollen das vorstrecken, die Ticketkosten werden dann nach fünf oder sechs Wochen erstattet.“ So die Theorie. Das VGN-Monatsticket gäbe es schon ab rund 40 Euro. Dann gilt es aber erst ab 9 Uhr vormittags. Zu spät für die Vormittagskurse in Erlangen. Ein rund um die Uhr geltendes Monatsticket schlägt mit immerhin 103 Euro zu Buche.

Im vorliegenden Fall hat ein Hemhofener Flüchtlingspaar aus dem Iran das fünfwöchige Kursmodul 1 ab 26. September besucht. Vom Kursträger — der Volkshochschule — war für beide danach die Fahrtkostenerstattung beantragt worden.

Aber nur die Frau hat bislang tatsächlich die Erstattung erhalten. Damit begann für die Flüchtlingshelfer der Ärger. Zahlreiche zeitaufwändige Telefonate und Briefe waren nötig, dann war klar: „Der für den Mann gestellte Antrag war gar nicht bearbeitet worden.“ Auch die Volkshochschule wusste davon nichts. Jetzt soll das, nach monatelanger Verzögerung, endlich nachgeholt worden.

Aber so lange konnten die Flüchtlinge nicht warten. Sie mussten schon längst die Monatstickets für das Modul 2 kaufen — also wieder je 103 Euro. So viel Geld hatten sie aber nicht. Eibich: „Die haben bei Freunden und beim Helferkreis inzwischen rund 700 Euro Schulden.“

Neben ihrer Zeit und ihren Nerven mussten die Helfer in Hemhofen also auch ihren Geldbeutel für die Flüchtlingshilfe einsetzen. Oft müssen sich die Helfer auch bei nötigen Arztbesuchen einschalten. „Die Flüchtlinge brauchen dafür einen Berechtigungsschein des Landkreises.“ Flüchtlingskinder brauchen bei Fehltagen in der Schule eine Bestätigung vom Arzt. Aber selbst ein Schulkind erhält den Berechtigungsschein für den Arztbesuch erst nach zwei oder drei Tagen. Folge für die Helfer: „Wir rufen bei der Schule an und erklären die Situation.“

Reichlich unklar ist im Augenblick der Regelbedarf für Flüchtlinge. Die bisher auf Landkreis-Bescheiden ausgewiesenen 404 Euro monatlich sind aktuell im Vermittlungsausschuss des Bundestags und müssen erst verabschiedet werden, so Landkreis-Sprecherin Hannah Reuter.

Sie erklärt auch, dass sich der Landkreis bei den Mietkosten für Flüchtlinge in der Hemhofener Wohngruppe streng an gesetzliche Vorschriften halte. So werden für anerkannte Flüchtlinge monatlich 278 Euro plus 33 Euro Haushaltsenergie vom Jobcenter an den Landkreis überwiesen.

Zwei Stockbetten

Helfer Eibich hadert mit der Höhe dieser Mietkosten. Denn vier der Flüchtlinge sind in Stockbetten in einem rund 20 Quadratmeter großen Raum untergebracht. Das ergibt Gesamtmietkosten von über 1100 Euro für alle vier zusammen. Mit der für sie unverständlichen, vorgefertigten „Abtretungserklärung“ kamen die Flüchtlinge — natürlich — erst einmal zu ihren Helfern.

Ein anderer Flüchtling erhielt einen in schönstem Bürokratendeutsch formulierten und mit Paragraphen gespickten Bescheid. Eigentlich nur eine Erhöhung der Monatsbezüge um fünf oder zehn Euro. Aber auch Eibich musste sich den Bescheid erst vom zuständigen Sachbearbeiter „übersetzen“ lassen.

Noteinsatz von Eibich und Mosch bei einer äthiopischen Flüchtlingsfamilie mit zwei Kleinkindern:

Dort rückten sie selbst mit Werkzeugkoffer an. Als Beschwerden nichts nützten, machten sie den Küchenschrank standsicher und ließen den defekten Kühlschrank austauschen.

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